Pål Bergström: „Eine kapitalgedeckte Rente ist kein Allheilmittel.“
procontra:
In Schweden fließen 2,5 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens von Arbeitnehmern, Beamten und Selbstständigen in die „Prämienrente“. Die Beiträge werden am Kapitalmarkt investiert, wobei die Bürger zwischen zahlreichen privat verwalteten Anlageprodukten wählen können. Treffen sie keine Auswahl, gehen die Beiträge in das staatlich verwaltete Fondsportfolio AP7. Was sagen die Bürger dazu, dass ein Teil ihres Einkommens in eine kapitalgedeckte Rente fließt?
Pål Bergström:
Nach unseren Befragungen können wir mit hoher Sicherheit sagen, dass mehr als die Hälfte von ihnen dem System zustimmt. Zahlreiche weitere Bürger haben keine Meinung dazu. Vielleicht sind sie nicht sehr daran interessiert oder haben wenig Zeit, sich damit zu beschäftigen. Nur sehr wenige sprechen sich dagegen aus. Schweden hat mittlerweile eine rund 50-jährige Tradition, einen Teil der Rentenbeiträge in den Kapitalmarkt zu investieren. Das ist sicherlich ein Teil der Erklärung für die hohe Akzeptanz.
procontra:
„Unser Asset Management ist ausschließlich auf die Interessen der Rentensparer ausgerichtet“, steht im Jahresbericht 2023. In Deutschland besteht bei staatlich verwalteten Geldern aus Erfahrung die Sorge, dass sie mitunter zweckentfremdet werden. Wie gewährleisten Sie, dass die AP7-Gelder dortbleiben?
Bergström:
Das ist eine sehr gute Frage. Formell sind wir als Verwalter des AP7 eine Regierungsbehörde. Und normalerweise ernennt die Regierung den Leiter einer solchen Behörde. Doch das ist bei uns nicht der Fall. Wir unterstehen daher allein den gesetzlichen Vorgaben. Es ist nicht möglich, dass die Regierung unserem Vorstand Anweisungen erteilt. Sie ernennt den Vorstand, doch das sind keine Politiker. Es sind alles Leute aus einem professionellen Umfeld – und sie entscheiden über den CEO des Fonds und damit der Behörde. Politische Einflussnahme ist nur über Parlamentsgesetze möglich.
procontra:
Der AP7-Aktienfonds bildet im Wesentlichen den MSCI All Countries World Index nach, der AP7-Rentenfonds besteht aus auf schwedische Kronen lautenden Anleihen, zum Großteil von schwedischen Emittenten. 20 Prozent des Gesamtportfolios können seit 2023 in nicht börsennotierte, alternative Vermögenswerte investiert werden, etwa in Infrastruktur und Immobilien. Private-Equity-Anlagen waren bereits vorher möglich. Welche Strategie verfolgen Sie im Wesentlichen bei der Verwaltung dieser 20 Prozent?
Bergström:
Wir sind zurzeit dabei, ein Programm für die alternativen Anlagen aufzusetzen. Für diesen Bereich haben wir auch zusätzliches Personal eingestellt. Zunächst konzentrieren wir uns auf Immobilien und Private Equity, wobei es bei Immobilien um Investitionen in Immobiliengesellschaften geht und nicht um den Kauf einzelner Objekte. Geografisch werden wir uns auf Schweden und heimatnahe Regionen fokussieren, zum Beispiel auch Deutschland. Im Bereich Private Equity arbeiten wir an einem Programm, bei dem wir als „Limited Partner“ in Private-Equity-Fonds investieren und so bei der Verwaltung des Kapitals mit eingebunden sind. Bisher haben bei uns Investmentmanager Engagements in verschiedenen Private-Equity-Fonds verwaltet. Wir werden global investieren, da wir in diesem Bereich seit vielen Jahren tätig sind. Es dürften um die 10, 15 Fonds werden, bei denen wir uns engagieren, wobei wir auch konsequent auf unterschiedliche Jahrgänge von Fonds setzen werden, um auch eine zeitliche Streuung zu haben.
procontra:
In Deutschland ist erstmals ein Einstieg in eine kapitalgedeckte Rente ergänzend zur gesetzlichen Rentenversicherung geplant. Schweden hat hier schon einen längeren und teils holprigen Weg hinter sich. Was würden Sie für eine Umsetzung empfehlen, falls überhaupt?
Bergström:
Es wäre unangemessen, Empfehlungen zu geben. Ich würde daher nur einige Punkte nennen, von denen ich meine, dass sie in Schweden gut funktionieren und einige der Herausforderungen. Eines ist wichtig zu bedenken: Eine kapitalgedeckte Rente ist kein Allheilmittel. Bei der großen Rentenreform zum Jahr 2000 ging es vor allem um die staatliche umlagefinanzierte Rente – um sie ausgewogener zu gestalten, sodass sie ein echtes Lebenseinkommen darstellt. Ein stabiles und vertrauenswürdiges Umlageverfahren, das den Löwenanteil unseres Rentensystems ausmacht, ist das Schlüsselelement. Ergänzend gibt es wirtschaftlich rationale Gründe für die kapitalgedeckte Rente. Bei einer Lebensarbeitszeit von 40 Jahren zum Beispiel ist die Rendite des investierten Kapitals höher als die des Humankapitals. Zudem haben Sie eine höhere Diversifikation, wenn Sie auch außerhalb Schwedens investieren. Damit haben Sie auch eine höhere Diversifikation bei der Rente.
Bergström:
Ein Fehler war ein sehr offenes Fondsangebot, bei dem es teils sehr missliche Entwicklungen gegeben hat. Aus diesem Grund gibt es nun eine offizielle Fonds-Auswahlagentur, die alle Fonds am Markt, die für die Prämienrente infrage kommen, prüft. Aus meiner Sicht sollte es eine starke Steuerung rund um die Fonds-Plattform geben. Daneben ist es wichtig, jenen Menschen ein gutes Standardangebot zu machen, die keine Zeit oder Interesse haben, Fonds auszuwählen. Die Bürger sollten sich keine Sorgen machen müssen, ob sie dem System vertrauen können oder nicht. Das ist das Wichtigste.
procontra:
Die Entwicklung in Deutschland bezüglich einer kapitalgedeckten Rente verfolgen Sie sehr genau, vermute ich.
Bergström:
Das ist richtig. Wir haben keine politische Meinung dazu, ob in Deutschland eine ergänzende kapitalgedeckte Rente kommen sollte oder nicht. Wenn aber eine Institution eingerichtet wird, die Gelder für eine kapitalgedeckte Rente verwaltet, wären wir sehr an einem Austausch interessiert und auch daran, unsere Erfahrungen zu teilen. Aus meiner Sicht ist es sehr hilfreich, mit Investoren mit ähnlichen Fragestellungen zusammenzuarbeiten. Für uns wäre es also auch aus egoistischer Sicht hilfreich, in Deutschland einen Gesprächspartner zu haben.
procontra:
Sie selbst nutzen den AP7 vermute ich, ebenso zahlreiche Mitarbeiter. Oder liege ich falsch?
Bergström:
Ich gehe nun nicht herum und frage die Kollegen nach ihren Prämienrenten (lacht). Aber ich vermute, dass viele von ihnen tatsächlich den AP7 nutzen, weil sie die Vorzüge des Aufbaus sehen. Ich selbst habe meine Beiträge von Anfang an, seit der Gründung des Pensionsfonds vor 25 Jahren, dort angelegt. Damals habe ich bei einer anderen Behörde gearbeitet und hierüber Leute getroffen, die den Fonds ins Leben gerufen haben. In der Folge habe ich entschieden, dass dies eine gute Idee zu sein scheint.
procontra:
Die jährlichen Gebühren für den AP7 Aktienfonds von 0,05 Prozent und den AP7 Rentenfonds von 0,04 Prozent, aus dem sich das Fondsportfolio zusammensetzt, sind vergleichsweise niedrig. Welche Rolle spielt Ihrer Einschätzung nach die günstige Kostenstruktur bei der Entscheidung für das AP7-Portfolio?
Bergström:
Generell denke ich, dass Gebühren für diejenigen, die eine bewusste, aktive Entscheidung treffen, ein wichtiges Merkmal sind. Man sollte aber bedenken, dass viele Bürger keine echte „aktive“ Entscheidung für das Portfolio treffen. Es ist daher schwer zu sagen, ob sie die Kosten berücksichtigen oder nicht. Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, niedrige Gebühren sicherzustellen. Seit diesem Jahr haben wir außerdem einen neuen Vertriebsmechanismus, nach dem die AP7-Einzahler Geld zurückerhalten, wenn die tatsächlichen Kosten unter den gezahlten Gebühren liegen.
procontra:
Könnte sich der Anteil für die Prämienrente noch erhöhen? Würde sich dies auf den Anteil an die staatliche Rentenkasse von 16 Prozent auswirken?
Bergström:
Dies liegt bei den politischen Entscheidungsträgern. Wir selbst haben keine explizite Meinung dazu. Der parlamentarischen Gruppe, die solche Fragen behandelt, gehören Vertreter aller Parteien an, die im Konsens entscheiden. Derzeit werden einige Diskussionen um die Beitragshöhe geführt, wobei es allerdings um eine mögliche Erhöhung des 16-Prozent-Anteils geht und nicht um den Anteil für die Prämienrente.