BU-Antrag: Arglistige Täuschung durch Angaben „ins Blaue hinein“
Ein Industrielackierer im Maschinenbau hatte im Oktober 2017 einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) bei einem Versicherer gestellt. Im August 2021 beantragte er die Zahlung seiner monatlichen BU-Rente in Höhe von 1.500 Euro aufgrund von Schulterbeschwerden. Nach Anforderung von Arztunterlagen entschied der Versicherer im November 2021, aufgrund von arglistiger Täuschung keine Leistungen zu erbringen und vom Vertrag zurückzutreten. Dagegen klagte der Mann zunächst vor dem Landgericht Flensburg (Az. 4 O 60/22).
Der Versicherer erklärte, nach Prüfung der Arztunterlagen sei aufgefallen, dass der Mann bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen sowohl einen Klinikaufenthalt als auch eine tägliche Einnahme von Medikamenten über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen in den letzten fünf Jahren nicht angegeben hatte. So hatte sich bei dem Lackierer nach einer Bandscheibenvorfalloperation im August 2012 der Operationsbereich entzündet, was einen Krankenhausaufenthalt vom 18. September 2012 bis zum 9. November 2012 nach sich zog. Ebenso wenig gab er an, dass er seit September 2012 bis Dezember 2012 mit Antibiotikum wegen einer weiteren Entzündung behandelt wurde.
Dies bestritt der Mann im Gerichtsverfahren auch nicht. Er argumentierte aber, dass er nach der Operation im August 2012 keine Bandscheibenprobleme mehr gehabt habe. Bei Antragstellung im Oktober 2017 sei er davon überzeugt gewesen, dass der Krankenhausaufenthalt länger als fünf Jahre zurückgelegen habe. Er habe seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht, diese aber auch nicht durch Sichtung seiner Unterlagen überprüft.
Das LG Flensburg gab ihm darin im Wesentlichen Recht und sprach ihm die BU-Leistungen zu. Der Versicherer habe eine arglistige Täuschung nicht nachweisen können. In Bezug auf den Bandscheibenvorfall habe dem BU-Kunden bei Antragstellung das Bewusstsein gefehlt, den Versicherer zu täuschen, um diesen zur Annahme des Antrags zu bewegen. Im Hinblick auf die Entzündung der Bandscheibe, den Krankenhausaufenthalt samt Antibiotikabehandlung seien die Angaben zwar objektiv falsch, der Mann habe das gutgläubige Verschweigen allerdings nachvollziehbar erklärt.
Dem wollte sich der BU-Versicherer nicht beugen und ging in Berufung. Eine kluge Entscheidung, denn das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az. 16 U 118/24; Urteil vom 21.07.2025) kassierte das Urteil der Vorinstanz und versagte dem Lackierer somit die BU-Rente.
Seine Begründung: Der Mann habe bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht und den Versicherer damit arglistig getäuscht. Denn zum einen war die falsche Angabe kausal für die Entschließung des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den konkreten Konditionen abzuschließen. „Wenn der Kläger - wie er erstinstanzlich noch behauptet hat - mit der Antragstellung extra so lange abgewartet haben will, bis die Fünf-Jahres-Frist verstrichen gewesen sei, um den Vertragsabschluss nicht zu gefährden, muss er sich die Frage stellen lassen, warum er sich dann nicht vergewissert hat, dass die fünf Jahre tatsächlich abgelaufen waren. Er hat hiernach vielmehr ins Blaue hinein Angaben gemacht, ohne sich der tatsächlichen Gegebenheiten zu vergewissern, obwohl ihm dies unschwer möglich gewesen wäre“, erklärten die Richter.
Dazu komme noch, dass der Mann im Bewusstsein seiner eigenen Unkenntnis „blindlings“ Angaben gemacht habe, obwohl der Versicherer davon ausgeht, dass im redlichen Geschäftsverkehr Erklärungen „ins Blaue hinein“ nicht abgegeben werden. All dies spreche für ein arglistiges Vorgehen, um die Chance auf eine möglichst uneingeschränkte Annahme seines BU-Antrags zu erhöhen.