BU-Hintertür zu: Ablehnung wegen Täuschung nach 10 Jahren noch möglich
Bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) sind Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, wahrheitsgemäße Auskünfte über ihre gesundheitliche Situation zu erteilen. Machen sie falsche Angaben, kann dies die Versicherung zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages berechtigen – mit der Folge, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistungen entfällt.
So weit, so bekannt: Aber darf eine Versicherung auch Leistungen verweigern, wenn sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung aufgrund der gesetzlichen Ausschlussfrist (§ 124 Abs. 3 BGB) nach zehn Jahren nicht mehr anfechten kann, und der Versicherungsnehmer es genau darauf angelegt hat? Mit einer solchen Konstellation musste sich jetzt der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Berufungsverfahren (11 U 316/21) auseinandersetzen.
Polizist verschwieg psychische Erkrankung
Ein Polizeibeamter hatte trotz ausdrücklicher Nachfrage der Versicherung wahrheitswidrig verschwiegen, dass er vor BU-Vertragsschluss unter psychischen Problemen gelitten und sich in Behandlung begeben hatte. In den folgenden Jahren wurde er aufgrund psychischer Erkrankungen immer wieder krankgeschrieben und war schließlich berufsunfähig geworden. Er meldete den Versicherungsfall jedoch erst drei Tage nach Ablauf der 10-jährigen Ausschlussfrist.
Den Anspruch des Mannes auf Zahlung einer BU-Rente hatte zuerst das Landgericht (LG) Göttingen abgelehnt (Urteil vom 12.10.2021 - 5 O 25/20). Dem schloss sich in dem Berufungsverfahren nun auch das OLG Braunschweig an. Zwar könne die Versicherung den Vertrag aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr anfechten, so der Senat, dennoch seien dem Versicherungsnehmer die Versicherungsleistungen zu versagen, da er unter Verstoß gegen Treu und Glauben den Versicherungsfall absichtlich nach Ablauf der Anfechtungsfrist gemeldet habe. Damit habe er die Ausübung des Anfechtungsrechts durch die Versicherung gezielt vereitelt.
Eine Beschwerde des Polizeibeamten gegen die Nichtzulassung einer Revision hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23. Oktober 2024 (IV ZR 229/23) inzwischen zurückgewiesen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Gericht schließt Hintertür
„Die Rechtsprechung hat sich in diesem Einzelfall klar positioniert“, meint der Hamburger Fachanwalt für Versicherungsrecht Björn Thorben M. Jöhnke. „Wer befürchtet, dass eine früher getätigte Falschangabe zur Folge haben wird, dass der Versicherer keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung anerkennt, wenn noch keine zehn Jahre seit Vertragsschluss verstrichen sind, soll nicht darauf hoffen können, dies durch bewusstes Abwarten der Anfechtungsfrist umgehen zu können.“
Auch von Versicherungsmakler und BU-Spezialist Matthias Helberg wird der Braunschweiger Gerichtsbeschluss begrüßt. Auf seiner Homepage hat er sich intensiv mit dem Verfahren auseinandergesetzt. Leistungen, die ein unehrlicher Versicherungskunde von seinem Versicherer erhalte, zahlten am Ende immer die ehrlichen Kunden mit ihren Beiträgen mit, so Helberg gegenüber procontra. Schon allein deshalb verbiete sich jede Schummelei beim BU-Abschluss.