Allianz-Report 2023

Wo Schiffsunfälle zurückgehen und Piraterie zum Problem wird

Die Zahl der Havarien von großen Schiffen ging im vergangenen Jahr laut einem aktuellen Bericht der Allianz Commerzial weiter zurück. Dennoch sieht sich die Schifffahrt mit großen Herausforderungen konfrontiert.

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13:05 Uhr | 22. Mai | 2024
Havarie

Die Zahl der havarierten Schiffe sank 2023 auf ein Rekordtief.

| Quelle: Lisa-Blue

Auch wenn der Zusammenstoß des Containerschiffs Dali mit der Francis Scott Key Bridge im Hafen von Baltimore mit einem Volumen von vier Milliarden Dollar wohl den größten Schadensfall in der Schifffahrt darstellt, ist der allgemeine Trend ziemlich erfreulich. Noch nie gingen so wenige Schiffe verloren wie im vergangenen Jahr. Das ist dem aktuellen „Safety and Shipping Review“ von Allianz Commerzial zu entnehmen.

Diesem zufolge havarierten 2023 insgesamt nur 26 große Schiffe – und das, obwohl mittlerweile rund 90 Prozent des internationalen Handels über die Meere abgewickelt werden. Im Jahr 2022 gingen noch 41 große Schiffe verloren, vor rund 30 Jahren waren es noch etwa 200 Schiffe im Jahr.

Den Löwenanteil der 2023 havarierten Schiffe bildeten dabei Frachtschiffe (16), gefolgt von Fischerbooten (4) und Schleppern (3). Das größte Risiko einer Havarie bestand in den vergangenen zehn Jahren, aber auch 2023, in den Gewässern zwischen China, Indonesien und den Philippinen. Insgesamt 8 Havarien verzeichnet die Allianz für diese Region für 2023. Über die vergangenen zehn Jahre kam es in dieser Region insgesamt zu 184 Schiffsverlusten. Ein weiterer Havarieschwerpunkt bildete auch im vergangenen Jahr wieder das östliche Mittelmeer inklusive Schwarzem Meer: Insgesamt 6 Havarien fanden im vergangenen Jahr in dieser Region statt. 

Schwerpunkte für Schiffshavarien

Region

Schiffshavarien 2023

Schiffshavarien 2014-2023

Südchina, Indochina, Indonesien, Philippinen

8

184

Östl. Mittelmeer/ Schwarzes Meer

6

115

Japan, Korea, Nordchina

3

62

Brit. Inseln, Nordsee

3

54

Persischer Golf (und angrenzende Gebiete)

-

38

Westl. Mittelmeer

-

29

Westafrik. Küste

-

26

Auch die Zahl der Schiffsunfälle verlief im vergangenen Jahr rückläufig: So wurden 2023 insgesamt 2.951 Schiffsunfälle und damit 85 weniger als noch ein Jahr zuvor gemeldet. Unfallschwerpunkte waren im vergangenen Jahr vor allem die Gewässer rund um die britischen Inseln (inklusive der Nordsee, dem Ärmelkanal und dem Golf von Biskaya): sowie das östliche Mittelmeer/ Schwarze Meer: In diesen Regionen wurden 695 bzw. 653 Vorfälle gemeldet. Maschinenschäden (1.587) sowie Feuer an Bord waren die Hauptschadensursachen im vergangenen Jahr.

Hauptregionen für Schiffsunfälle

Region

Schiffsunfälle 2023

Schiffsunfälle 2014-2023

Britische Inseln, Nordsee

695

5.279

Östl. Mittelmeer/ Schwarzes Meer

635

5.114

Süd-China/ Indochina/ Indonesien/ Philippinen

239

2.580

Große Seen

155

1.555

Ostsee

142

1.406

Westl. Mittelmeer

127

1.263

Nordamerika Westküste

146

1.240

Japan, Korea, Nordchina

97

1.171

Island, Nordnorwegen

127

1.143

Große Herausforderungen

Trotz erfreulichen Trends steht die Branche vor großen Herausforderungen, schreibt die Allianz. „Konflikte wie im Gazastreifen und in der Ukraine verändern die globale Schifffahrt und wirken sich auf die Sicherheit von Besatzung und Schiffen, Lieferketten und Infrastruktur und sogar auf die Umwelt aus. Die Piraterie ist vor allem am Horn von Afrika auf dem Vormarsch, während anhaltende Störungen durch die Dürre im Panamakanal zeigen, wie sich der Klimawandel auf die Schifffahrt auswirkt. Diese zusätzlichen Risiken kommen zu einer Zeit, in der sich die Branche ihrer größten Herausforderung, der Dekarbonisierung, stellen muss", sagt Kapitän Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting, bei Allianz Commercial.

Zu schaffen macht der Branche zurzeit vor allem der Gaza-Konflikt bzw. die damit in Zusammenhang stehenden Attacken der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Schifffahrt. Zwischen dem 19. November 2023 und Anfang Mai dieses Jahres wurden laut Allianz mehr als 100 Schiffe im Roten Meer attackiert.

Häufig setzen die Angreifer dabei auch auf neue Mittel: „Drohnen sind als neue Technologie eine zunehmende Bedrohung für die Handelsschifffahrt. Sie sind billig, einfach herzustellen und ohne Schutz der Kriegsmarine schwer abzuwehren“, sagt Khanna. Zudem mehrten sich in vergangener Zeit auch Berichte von GPS-Störungen auf Schiffen.

Als weiteres großes Risiko hat die Allianz die wachsende Tankschiff-„Schattenflotte“ Russlands ausgemacht, mit der das russische Regime die internationalen Sanktionen umgeht. Mittlerweile zählen zwischen 600 und 1.400 Schiffe zu dieser Flotte, die laut Allianz bis heute an mindestens 50 Zwischenfällen beteiligt war. Darunter fallen Brände, Maschinenausfälle, Kollisionen, Kontrollverlust und Ölverschmutzung. „Es handelt sich zumeist um ältere, schlecht gewartete Schiffe, die außerhalb der internationalen Vorschriften und oft ohne angemessene Versicherung betrieben werden. Dies birgt ernsthafte Umwelt- und Sicherheitsrisiken“, sagt Justus Heinrich, Leiter der Schifffahrtsversicherung in Deutschland und der Schweiz bei Allianz Commercial. „Die Kosten dieser Vorfälle fallen oft den Regierungen oder den Versicherern der anderen Schiffe zur Last.“