Explodierende Kosten

Krise der Pflege: Sozialverband fordert erneut Vollversicherung

Berichte über eine mögliche Pleite der Pflegeversicherung haben eine breite Diskussion in Gang gesetzt. So fordert jetzt etwa der Sozialverband Deutschland (SoVD) erneut die Einführung einer solidarischen Vollversicherung. Der PKV-Verband lehnt das ab.

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12:10 Uhr | 08. Oktober | 2024
Pflegebedürftiger Mann mit Rollator

Pflegebedürftiger Mann mit Rollator: In Deutschland erhalten inzwischen etwa 5,5 Millionen Menschen Geld aus der Pflegeversicherung.

| Quelle: FG Trade Latin

Die gesetzliche Pflegeversicherung ist in eine gefährliche Schieflage geraten, sogar von einer drohenden Pleite ist bereits die Rede (wir berichteten). Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) rechnet bis zum Jahresende mit einem Defizit von knapp 1,8 Milliarden Euro. Damit die Pflegekasse zahlungsfähig bleibe, müssten die Beitragssätze zum Jahreswechsel um mindestens 0,25 Prozentpunkte erhöht werden, so die GKV-Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer.

Sozialverband fordert Pflegevollversicherung

Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Lage setzt sich der Sozialverband Deutschland (SoVD) nun erneut für die Zusammenlegung der privaten und gesetzlichen Pflegeversicherung zu einer Pflegevollversicherung ein, in die alle, also auch Privatversicherte wie Selbstständige und Beamte, einzahlen sollen. Bei der Erhebung der Beiträge solle außerdem die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit herangezogen werden, also auch weitere Kapitaleinkünfte.

In dasselbe Horn stieß vor wenigen Tagen auch der Paritätische Gesamtverband. „Die Explosion der Pflegekosten zeichnet sich seit Jahrzehnten ab. Dennoch wurde das Thema von den Verantwortlichen weitestgehend verdrängt", so Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Notwendig sei deshalb ein neues Finanzierungssystem der Pflegeversicherung. „Die Pflege darf nicht immer weiter zum Armutsrisiko werden. Statt an einzelnen Stellschrauben zu drehen, muss die gesamte Finanzierung neu gedacht und gerecht aufgestellt werden.“

Laut Verband ist inzwischen fast ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen auf Sozialhilfe angewiesen. Für Pflegebedürftige, die bis zu zwölf Monate stationär versorgt würden, fielen im Durchschnitt rund 2.700 Euro an, die aus eigener Tasche aufzubringen seien. Das liege deutlich über dem durchschnittlichen Einkommen älterer Menschen.

Auch der PKV-Spitzenverband fordert derweil einen Neustart der Pflegefinanzierung in Deutschland. Eine Vollversicherung wäre für ihn jedoch nichts anderes als „Sozialpolitik mit der Gießkanne – weder zielführend noch bezahlbar“. Dasselbe gelte für Obergrenzen für die Eigenanteile. „Die Kosten tragen die Beitrags- und Steuerzahler und vor allem die jüngeren Generationen, während davon auch Menschen mit Privatvermögen profitieren“, so PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther.

GKV-Verband will mehr Geld vom Bund

Unterdessen fordert der GKV-Spitzenverband zur kurzfristigen Stabilisierung der Pflegeversicherung Milliarden-Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt für die Pflegekasse. Nach Ansicht von Vorstandschefin Doris Pfeiffer müsse der Bund unter anderem für die 5,3 Milliarden Euro Sonderausgaben aus Coronazeiten aufkommen. Außerdem werde die Pflege durch die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige massiv belastet – allein in diesem Jahr mit rund 4 Milliarden Euro. Auch dies sei keine Leistung, die aus Beitragsmitteln zu finanzieren sei. Ohne diese Mehrbelastungen, so Pfeiffer, müsse man jetzt nicht schon wieder über Beitragserhöhungen sprechen, und es gäbe ein Zeitfenster, um die Pflegeversicherung solide zu reformieren.