Wer einen Blick in die Beschwerde-Statistik des Versicherungs-Ombudsmanns wirft, trifft dort immer wieder auf echte Streit-Dauerbrenner: Sehr häufig geht es nämlich um die Frage, ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig ist und damit vom Krankenversicherer übernommen wird. Auch die Abrechnung ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen sorgt nicht selten für Unfrieden, zumeist dann, wenn der Versicherer nicht die vollen Kosten der Behandlung übernimmt.
Neben diesen Evergreens schlagen sich immer wieder zeitaktuelle Entwicklungen im Beschwerdeaufkommen nieder. „Neben der weiterhin andauernden Corona-Pandemie waren viele Menschen besonders von den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen des aktuellen Weltgeschehens betroffen. Dies machte sich auch bei der Bearbeitung der Schlichtungsanträge bemerkbar“, schreibt Ombudsmann Heinz Lanfermann in seinem aktuell vorgelegten Bericht für das Jahr 2022.
Beitragsanpassungen rückt in den Mittelpunkt
Durch die finanzielle Belastung vieler Haushalte rückte das Thema Beitragsanpassungen in den Beschwerde-Mittelpunkt. Die Beitragsanpassungen der Versicherer waren durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2020 in den Blickpunkt vieler Versicherter gerückt, als der BGH die Anpassungen eines Versicherers für unwirksam erklärte, da dieser die Beitragserhöhungen nicht ordnungsgemäß begründet hatte.
Für viele Versicherte haben sich aus dem BGH-Urteil Fragen ergeben, die es nun für den Ombudsmann zu klären galt. Allein eine einzelne Rechtsanwaltskanzlei hatte 1.300 gleichlautende Anträge im Zusammenhang mit Beitragsanpassungen eingereicht.
Diesen Sondereffekt gilt es bei der gesamten Beschwerdestatistik zu berücksichtigen. Insgesamt 6.429 Schlichtungsanträge erreichten Lanfermann über das gesamte Jahr 2022 – das waren 288 mehr als 2021 und der dritthöchste Wert in der Geschichte des PKV-Ombudsmanns. Lediglich in den Jahren 2017 (6.708) und 2018 (7.348) erreichten Lanfermann mehr Klagen.
Ohne den oben genannten Sondereffekt der besagten Anwaltskanzlei wären es allerdings nur 5.129 Schlichtungsanträge gewesen, heißt es im Jahresbericht. Zudem sei die Zahl der Meinungsverschiedenheiten angesichts von rund 40 Millionen bestehender PKV-Verträge sehr gering.
735 Anträge abgelehnt
Von den 6.429 eingegangen Anträgen wurden zudem 735 abgelehnt – zumeist aufgrund der Tatsache, dass der geschilderte Sachverhalt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Ombudsmanns fiel. Somit bleiben 5.694 Schlichtungsanträge, die sich wie folgt verteilen:
Die Beschwerdegründe in der Vollversicherung
Bei den Beschwerdegründen der Vollversicherten dominiert mit großem Abstand das Thema Beitragsanpassungen, auf das knapp 40 Prozent entfielen. Die Anträge verteilten sich thematisch wie folgt:
Zusatzversicherung: Die Top-Beschwerdegründe
Bei den Zusatzversicherungen bilden indes Streitigkeiten zur Vertragsauslegung den Schwerpunkt der Anträge – mehr als ein Viertel (27,1 Prozent) entfiel auf sie. Laut Lanfermann liege dies vor allem daran, dass viele Leistungen der Versicherer häufig im Zusammenhang mit Vorleistungen anderer Kostenträger stehen – entsprechend komplex sind auch die Vertragsbedingungen und damit das Streitpotenzial. Die Anträge verteilten sich darüber hinaus wie folgt:
In den meisten Fällen war eine Schlichtung jedoch nicht möglich. Insgesamt 4.289 Anträge konnte der Ombudsmann abschließend bearbeiten. Eine Einigung konnte allerdings nur in 21,4 Prozent (918) der Fälle erzielt werden. In 72,1 Prozent war eine Schlichtung indes nicht möglich. Hierunter fallen allerdings auch Fälle, in denen das Schlichtungsziel zwar nicht vollumfänglich, jedoch teilweise erreicht wurde. In 277 Verfahren wurde zudem der Schlichtungsantrag von Seiten des Versicherungsnehmers eingestellt, da meist anderweitig eine Lösung mit dem Versicherer herbeigeführt werden konnte.