Altersvorsorge, Elementarschutz, Pflege

Koalitionsvertrag: Versicherer und Vermittler vorsichtig optimistisch

144 Seiten enthält der zwischen CDU, CSU und SPD vorgestellte Koalitionsvertrag. Die Reaktionen aus der Versicherungsbranche fallen grundsätzlich positiv aus - doch der Teufel steckt wie immer im Detail.

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10:04 Uhr | 10. April | 2025
Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken am 9. April

CSU-Chef Markus Söder (von links), CDU-Chef Friedrich Merz und die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken stellten am 9. April den zukünftigen Koalitionsvertrag vor.

| Quelle: Maja Hitij / Staff

„Germany is back on track“ – mit dieser Nachricht, die CDU-Chef Friedrich Merz in Richtung von US-Präsident Donald Trump richtete – meldeten sich CDU, CSU und SPD am Mittwochnachmittag zurück. Zu verkünden gab es einen wichtigen Schritt in Richtung einer neuen Regierung: Die drei Parteien haben sich auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt (der Vertrag ist hier downloadbar).

Dass die Koalitionäre die Verhandlungen relativ zügig abgeschlossen haben, sorgt auch innerhalb der Versicherungsbranche für Wohlwollen: „Angesichts der globalen Herausforderungen braucht Deutschland eine handlungsfähige Regierung“, betonte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in einem Kommentar, „nicht zuletzt, um das deutsche Gewicht in wichtigen europäischen Vorhaben zur Geltung zu bringen, etwa beim Abbau unnötiger Bürokratie oder bei der Vertiefung des Binnenmarkts.“

Allerdings ist ein Koalitionsvertrag das eine, dessen Umsetzung indes eine vollkommen andere Sache. Hier drängt Asmussen zur Eile. „Besonders bei den großen Zukunftsfragen gilt es keine Zeit zu verlieren“, mahnt der GDV-Hauptgeschäftsführer. Hier brauche es gerade bei der Altersvorsorge schnelle Reformen.

Ganz großer Reformeifer bleibt aus

Hier haben die zukünftigen Koalitionäre den ganz großen Reformeifer offenbar nicht entdeckt. Zwar gebe es durchaus positive Ansätze, jedoch fehle es an grundlegenden Reformen in allen drei Säulen der Altersvorsorge, stellte der Vermittlerverband AfW in einer ersten Stellungnahme zum Koalitionsvertrag fest.

In der gesetzlichen Rente hatten sich CDU, CSU und SPD unter anderem für eine Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis zum Jahr 2031 geeinigt.  „Die Festlegung auf ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 mag auf den ersten Blick Sicherheit vermitteln – tatsächlich ist sie Ausdruck politischer Untätigkeit und folgt auch nicht dem dringenden Reformaufruf maßgeblicher Ökonomen noch in den letzten Tagen“, erklärte AfW-Vorstand Norman Wirth Wenn die entstehenden Mehrausgaben allein über Steuermittel ausgeglichen werden, droht die umlagefinanzierte Rente zur steuerfinanzierten Sozialleistung zu verkommen.“

Wenig Überraschungen gibt es auch bei Säule 2 und 3 – maßgebliche Entscheidungen waren bereits aus den Verhandlungen der einzelnen Arbeitsgruppen bekannt geworden. Die betriebliche Altersvorsorge will die neue Koalition stärken, indem man sie digitalisiert, vereinfacht, transparenter macht und entbürokratisiert. Auch Geringverdiener sollen stärker gefördert werden. Aus Sicht des AfW seien diese Ziele zwar sinnvoll, es mangele aber an einer konkreten Strategie, wie die bAV gerade in kleinen und mittleren Betrieben verbreitet werden kann. Auch die Bedeutung der Vermittler in dieser Hinsicht werde nicht erwähnt.

Riester-Reform geplant - doch wo bleibt der Vermittler?

In der dritten Säule will die neue Bundesregierung in spe die Riester-Rente reformieren – wieder einmal, muss man an dieser Stelle fest schon sagen, nachdem ähnlich formulierte Ziele in den vorherigen Regierungen nicht umgesetzt wurden.

„Wir werden die bisherige Riester-Rente in ein neues Vorsorgeprodukt überführen, von bürokratischen Hemmnissen befreien und mit dem Verzicht auf zwingende Garantien sowie der Reduzierung der Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten reformieren“, heißt es nun. Auch hier bleibt die neue Bundesregierung aus Sicht des AfW zu unkonkret, es fehlten klare Aussagen zu Übergangsregelungen, Vergütungsfragen sowie zu unabhängigen Beratern. „Ein Standardprodukt allein reicht nicht. Menschen brauchen qualifizierte persönliche Beratung – und diese muss fair und nachvollziehbar vergütet werden“, betont Wirth.

Sehr erfreulich aus Vermittlersicht fällt auch die Entscheidung aus, dass die neue Bundesregierung am Nebeneinander aus provisions- sowie honorarbasierter Finanzberatung nichts ändern möchte. „Es ist ein starkes Signal, dass beide Vergütungsmodelle anerkannt werden“, so Wirth. Allerdings will die Bundesregierung auch prüfen, ob die Instrumente der Missstandsaufsicht der BaFin ausreichen, um Fehlanreize zu verhindern. Entscheidend ist nun, dass daraus auch eine faire Regulierungspraxis folgt – ohne ideologische Schlagseiten, die bei einer Übernahme des Finanzministeriums und damit auch der Verantwortung für die BaFin nicht völlig unwahrscheinlich sind“, so Wirth weiter.

Elementarversicherung: Gelungener Kompromiss?

Einen ganzen Absatz widmen sich CDU, CSU und SPD auch dem Thema Elementarversicherung. Geplant ist, dass Wohngebäudeversicherungen künftig nur noch mit einer Elementarversicherung verkauft werden dürfen. Auch der Bestand soll zu einem bestimmten Zeitpunkt bei Elementarversicherungen erweitert. Hierzu will die Koalition noch prüfen, ob es hierfür ein Opt-out-System geben soll.  Zudem soll eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden eingeführt werden.

„Dieser erste Schritt hin zu einer flächendeckenden Absicherung ist ein riesiger Erfolg für Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Vorschlag im Koalitionsvertrag weist viele Gemeinsamkeiten mit der französischen Elementarschadenversicherung auf. Dieses System hat sich seit Jahrzehnten im Nachbarland bewährt und bietet auch für Deutschland zahlreiche Vorteile“, kommentierte der Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. die Pläne. Positiv erwähnt wurde auch die Tatsache, dass die Parteien Präventionsmaßnahmen miteinbeziehen.

Auch die Versicherungswirtschaft begrüßte die Vereinbarung. Der Vorschlag stelle eine „gute Basis“ da, insbesondere die Überlegungen zum Opt-out bei einer Pflichtversicherung. Die Details einer Rückversicherungslösung müsse man sich später im Gesetzgebungsverfahren im Detail anschauen.

Eine Versicherungspflicht sei indes  – anders als in der Schweiz – nur für Wohngebäude, nicht aber für Hausratversicherungen geplant, bemerkt der Lehrstuhl Sachversicherung am Institut für Versicherungswesen der TH Köln in einem Facebook-Beitrag. Auch scheine die Pflicht nur für Wohngebäude geplant zu sein, nicht aber für Gewerbebetriebe. Gerade hier sei eine Absicherung für den Mittelstand aber wichtig.

Von Seiten des AfW gab es für den Elementarversicherungs-Vorschlag Zustimmung: „Das ist ein ausgewogener Vorschlag, der den Versicherungsschutz gegen zunehmende Klimarisiken stärkt und gleichzeitig individuelle Spielräume wahrt“, so Wirth.

Wie geht es bei der Pflege weiter?

Eine drängende Aufgabe der neuen Regierung wird auch die Finanzierbarkeit der Pflegeversicherung sein. Die soziale Pflegeversicherung steht vor finanziellen Problemen, doch auch die Eigenanteile der Menschen steigen rasant. Eine Reform muss her. Wie diese aussehen könnte, soll eine Kommission klären. Ergebnisse sollen bereits in diesem Jahr präsentiert werden.

Zu den Arbeitsaufgaben der Kommission soll nicht nur die Frage gehören, wie die pflegebedingten Eigenanteile begrenzt werden können, sondern auch, ob und wie man Anreize dafür schaffen kann, dass die Menschen eigenverantwortlich vorsorgen. Florian Reuther, Verbandsdirektor des PKV-Verbands, bewertete dies als guten Ansatz. Gleichzeitig forderte er die Koalition auf: „Die neue Koalition muss jetzt die Finanzen der Kranken- und Pflegeversicherung generationengerecht aufstellen und auf den großen demografischen Druck vorbereiten.“ Nicht enthalten im Koalitionsvertrag ist indes die Absicht, künftig stärker auf betriebliche Lösungen setzen zu wollen.