Warum der bAV-Fachdialog jetzt so wichtig ist
In der Pandemie ist bei Arbeitnehmern eine höhere Wertschätzung für die betriebliche Altersversorgung (bAV) festgestellt worden. Zwar schlage sich die gestiegene Beliebtheit noch nicht spürbar in einer höheren Marktdurchdringung nieder, aber die bAV sei stärker im Gespräch als zuvor, zeigt eine Generali-Studie. Dabei etablierten sich Versicherungsmakler als zweitwichtigste Ansprechpartner des Mittelstandes – nach den Versicherern.
Bislang verfügten rund 50 Prozent der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft über Ansprüche auf eine Betriebsrente. Eine breitere bAV-Marktdurchdringung bis hin zu 80 Prozent in den nächsten Jahren strebt Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium (BMAS), an. Der Weg: Hürden sollen durch einen „Fachdialog zur Betriebsrente“ abgebaut werden. Den hatten BMAS und Bundesfinanzministerium (BMF) als federführende Ministerien bereits im Oktober 2022 angestoßen. Im Blickpunkt stehen dabei drei Bereiche: Arbeitsrecht, Finanzaufsichtsrecht und das Steuerrecht. Für bAV-Berater würde die Umsetzung einen erleichterten Vertriebsansatz bringen.
Stellungnahmen der Stakeholder liegen vor
Bis Mitte November 2022 konnten alle maßgebliche bAV-Akteure Stellungnahmen zu nötigen Verbesserungen abgeben. Davon haben 25 Stakeholder Gebrauch gemacht. Nach Sichtung der Unterlagen sollen nun bis in den Februar und März hinein Diskussionen nach Schwerpunkten und in kleineren Gesprächskreisen folgen. „Am Ende gibt es eine große Runde in Berlin, in der BMAS und BMF die Ergebnisse des Fachdialogs zusammenfassen und das weitere Vorgehen skizzieren“, sagt Peter Görgen, BMAS-Referatsleiter Zusätzliche Altersvorsorge. Im Frühsommer sollen die Ergebnisse per Gesetz umgesetzt werden.
Ein maßgeblicher Druckpunkt dieses Fachdialogs ist die Erweiterung von Sozialpartnermodellen (SPM) auch auf nichttarifgebundene Firmen, die möglichst an große SPM-Tarifverträge andocken sollten. „Die bAV schafft höhere Renditen durch Sozialpartnermodelle“, ermuntert Florian Toncar, parlamentarischer Staatssekretär im BMF.
Einschlägigkeit tariflicher Regelung als Hinderungsgrund
Hauptsächliches Hindernis: Laut Gesetz können nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur die Anwendung der einschlägigen tariflicher Regelung vereinbaren (Paragraf 24 BetrAVG). Diese Einschlägigkeit müsste geändert werden, fordert beispielsweise der Chemie-Arbeitgeberverband BAVC in seiner Stellungnahme, die noch nicht veröffentlicht ist. Im Gesetz heißt es wörtlich: „Nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren.“ Die Abweichung vom Tarifvertrag wäre aber für manche Branchen notwendig, um überhaupt ein SPM zu vereinbaren, etwa bei Freien Berufen.
„Mit Blick auf das SPM sollte insbesondere an den Regelungen rund um das Einschlägigkeitserfordernis (aus Paragraf 24 BetrAVG und auch Paragraf 19 BetrAVG) gearbeitet werden“, fordert BAVC-Geschäftsführer Sebastian Kautzky auf Nachfrage von procontra. Auch rund um die Zugangsmöglichkeiten für nichttarifgebundene Betriebe und Beschäftigte zu Sozialpartnermodellen gebe es eine Reihe von Fragen zu klären. Beispiele nannte Kautzky nicht. „Wir zum jetzigen Zeitpunkt den Reformbedarf nicht konkretisieren, da der Fachdialog in erster Linie zwischen dem BMAS und den entsprechenden Stakeholdern geführt werden sollte“, so seine Begründung.
Bessere Abgrenzung von Aufsichts- und Tarifvertragsrecht
Damit sprach er aber indirekt doch wichtige Punkte an, der im Fachdialog der Ministerien mit der bAV-Branche gelöst werden sollen, insbesondere eine bessere Abgrenzung von Aufsichts- und Tarifvertragsrecht bei Sozialpartnermodellen.
Im Fachdialog steht auch der Prüfungszeitraum der BaFin zur Diskussion. Günther Weißenfels, Referatsleiter Grundsatzfragen der bAV bei der BaFin, hält „6 Monate für eine vernünftige Zeit zur Prüfung“. Als Herausforderung bezeichnete er, dass „unterschiedliche Regelungswerke untereinander und mit dem Gesetz in Einklang gebracht werden müssen: Tarifvertrag, Durchführungsvereinbarung, Pensionsplan, Mitteilung nach Paragraf 143 VAG, der Grundsätze für Berechnung von Prämien und Deckungsrückstellungen regelt“.