Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt weit verbreitete Obliegenheit

Sie ist in fast allen Sachversicherungsverträgen enthalten, juristisch aber sehr umstritten. Nun musste sich der BGH mit der Obliegenheit befassen, die unter Juristen als eine der spannendsten offenen Fragen im Versicherungsrecht gilt.

Author_image
13:10 Uhr | 15. Oktober | 2024
Gebäude des Bundesgerichtshofs

Lange schwelte der Streit um eine Obliegenheit, die in vielen Sachen-Versicherungsverträgen zu finden ist. Nun befasste sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall.

| Quelle: Joe Miletzki

Dieses Urteil war lange erwartet worden: Der Bundesgerichtshof (Az: IV ZR 350/22; Urteil vom 25. September 2024) hat entschieden, dass eine in zahllosen Versicherungsverträgen enthaltene Obliegenheit, die den Versicherungsnehmer zur Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften verpflichtet, nicht gegen das Transparenzgebot verstößt und den Versicherungsnehmer auch nicht benachteiligt. 

Die Klausel ist umstritten und war in der Vergangenheit bereits von mehreren Gerichten als intransparent und unwirksam bewertet worden, so beispielsweise vom OLG Schleswig (Az: 16 U 14/17, Beschluss vom 18. Mai 2017) oder vom Landgericht Mönchengladbach (Az: 1 O 364/20; Urteil vom 4. Juli 2024). Das OLG Schleswig hatte unter anderem bemängelt, dass der Versicherungsnehmer die an ihn gestellten Anforderungen nicht der Klausel selbst, sondern allein den in Bezug genommenen Sicherheitsvorschriften entnehmen könne. Unter Juristen galt die Frage der Zulässigkeit als eine der spannendsten noch offenen Fragen im Versicherungsrecht.

Worum ging es im konkreten Fall?

Im konkreten Fall, der nun vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurde, ging es um einen Dachstuhlbrand, der anschließend von der Wohngebäudeversicherung bezahlt werden sollte. Das aus drei Versicherern bestehende Konsortium leistete einen Vorschuss in Höhe von 100.000 Euro, verweigerte jedoch jede weitere Zahlung, nachdem es dem Versicherungsnehmer eine arglistige Obliegenheitsverletzung und einen vorsätzlichen Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften vorwarf. Entsprechend sei es für den Versicherungsnehmer nur schwer zu erkennen, was er zu tun und zu lassen habe.

Grund war ein vom Versicherungsnehmer an der Hausfassade errichteter und mit einer Holzkonstruktion ummantelter Pizzaofen. Dieser war jedoch nicht vom Schornsteinfeger abgenommen worden, so wie es die niedersächsische Landesbauordnung vorsieht. Allerdings war dieser Pizzaofen nicht die Brandursache.

Der Versicherungsnehmer klagte hiergegen, die Versicherer legten wiederum eine Gegenklage ein, mit der sie die Rückerstattung der bereits gezahlten 100.000 Euro verlangten. Der Fall landete vor Gericht und war auch da umstritten. Nachdem das Landgericht Stade zunächst den Standpunkt der Versicherer geteilt hat, befand das OLG Celle die Klage des Versicherungsnehmers als gerechtfertigt und verwies den Fall zurück ans Landgericht.

Der Fall landete beim Bundesgerichtshof. Und dieser urteilte, dass die umstrittene Generalklausel nicht intransparent für den Versicherungsnehmer sei. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer könne nach Meinung des BGH durch die besagte Klausel erkennen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden.

Warum die Klausel nicht intransparent ist

Als maßgebende Sicherheitsvorschriften erkenne der Versicherungsnehmer solche Vorschriften, die gerade das versicherte Risiko vor einer versicherten Gefahr schützen sollen. „Nicht erfasst sind hierbei solche Schutzvorschriften, die in keinerlei Zusammenhang mit dem versicherten Risiko stehen.“

Der Bundesgerichtshof stellte zudem klar, dass sich bei besagter Generalklausel um eine dynamische Verweisung handelt. Das heißt: Der Versicherungsnehmer muss nicht nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Vorschriften beachten, sondern auch die seitdem neu hinzugekommenen Vorschriften. „Maßgebend sind die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls anwendbaren Sicherheitsvorschriften“, so der BGH.

Dass der Versicherer auf Sicherheitsvorschriften außerhalb der Allgemeinen Vertrags verweise, sei zudem nicht ungewöhnlich. Der BGH führt hier praktische Gründe an: „Eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers kann nicht in jedem Fall so konkret gefasst werden, dass sie jede erdenkliche Situation in ihrem Anwendungsbereich genau beschreibt. Ohne Verweisungen können allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen, die ihrerseits den Interessen der Versicherungsnehmer abträglich wären.“

Der Bundesgerichtshof verwies den Fall erneut ans Celler Oberlandesgericht.