Die bAV-Falle und wie man ihr entkommen könnte

Wer betrieblich vorsorgt, leidet angesichts der Niedrigzinsen ebenso wie alle, die privat vorsorgen. Pensionskassen schwächeln bereits bedenklich. Einen Ausweg aus der Zinsfalle sehen Unternehmensberater der NDC AG in eigenen Versorgungswerken.

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06:08 Uhr | 09. August | 2019
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Über versicherungsförmige Wege kann keine ausreichende bAV aufgebaut werden, meint Karsten Lewe von der NDC AG und empfiehlt Mittelständlern, eigene Versorgungswerke zu begründen. Bild: NDC

Wegen der politisch verordneten Niedrigzinsphase durch die EZB müssen Altersvorsorge-Sparer auf einen Gutteil der bei Vertragsabschluss prognostizierten Überschüsse von Lebensversicherungen verzichten und bekommen bei Banken praktisch keine Zinsen mehr für sichere Geldanlagen. Überschüsse fehlen auch Arbeitnehmern, die versicherungsförmig Ansprüche auf eine Betriebsrente aufbauen.

Jüngste Beispiele betreffen die überbetriebliche Kölner Pensionskasse und ihre Schwester, die Pensionskasse der Caritas. Die Schieflagen kommen nicht überraschend, denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte bereits im Mai 2018 gewarnt, dass das Zinstief zunehmend die bAV bedrohe (procontra berichtete).

Beide Kassen haben im Frühjahr ihre Versicherungsnehmer informiert, dass sie Leistungen kürzen müssen (procontra berichtete). „Betroffen sind davon nicht garantierte wie auch ebenfalls garantierte Leistungen“, sagt Karsten Lewe, Gründer und Mitglied der Geschäftsführung der New Dimension Concept AG (NDC), Beratungsgesellschaft für betriebliche Versorgungen.

Kostengünstige, renditestarke Alternativen gesucht

Die Firma will in der Beratung bei Arbeitgebern ein System etablieren, das allen Beteiligten Vorteile bringt. „Über eine Direktzusage oder pauschal-dotierter U-Kasse sind solche Mehrwerte darstellbar - insbesondere dann, wenn die Leistungszusagen auf ein notwendiges Garantiemaß reduziert bleiben“, so Lewe weiter. Eine echte beitragsorientierte Leistungszusage sei für den Mitarbeiter besser als beim Sozialpartnermodell (procontra berichtete) und für den Arbeitgeber trotzdem planbar.

„Indem wir neueste Kapitalmarktforschung in der Ausfinanzierung nutzen und Kosten extrem schlank halten, wird damit eine Zusage auch ohne Garantien in den Produkten möglich“, erklärt NDC auf Nachfrage von procontra. „Diese internen Versorgungswerke – auch innenfinanzierte Bank genannt – verbessern verschiedene betriebswirtschaftliche Bilanzkennzahlen der Unternehmen“, so NDC-Gründer und Geschäftsführungsmitglied Christian Wilke. Voraussetzung: Die Versorgungswerke werden verantwortungsvoll und intelligent ausfinanziert (procontra berichtete).

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Dabei lassen die Unternehmensberater für betriebliche Versorgungs- und Vergütungssysteme kaum ein gutes Haar an den versicherungsförmigen Durchführungswegen: Die Entwicklung der Kölner Pensionskasse sei kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines systemischen Risikos. In der jüngsten Vergangenheit hätten mehrere Pensionskassen (Caritas, PK der Steuerberater, BBV, Ergo Pensionskasse) ihr Geschäftsmodell einstellen oder ihre Leistungen kürzen beziehungsweise aussetzen müssen. NDC spricht von Leistungskürzungen zwischen 12 und 25 Prozent.

Auch namhafte Versicherer wie Allianz (2012/2016) oder Debeka (2014) hätten Leistungen in der bAV gekürzt (Verrentungsfaktoren) und die Arbeitgeber zur Nachfinanzierung aufgefordert oder das Neugeschäft eingestellt. Wichtig: Ein Finanzierungsproblem tangiert nicht die arbeitsrechtliche Zusage des Arbeitgebers – er muss im Zweifel die bAV auffüllen.

Niedrigzins, Garantien und Kosten an Misere Schuld

Entscheidend für die Misere seien drei Gründe: ein seit zehn Jahren anhaltendes Niedrigzinsniveau, langfristige Garantien und zu hohe Kosten. „Niedrige Zinsen werden dann gefährlich, wenn langfristig höhere Versprechungen abgegeben wurden und zudem hohe Kosten den Niedergang verschärfen“, so Lewe. Langfrist-Studien, etwa von der Frankfurt School of Finance and Management 2017, hätten ergeben, dass sich auf dem jetzigen Zinsniveau keinerlei vernünftige Garantien abbilden lassen.

Die Kosten hält NDC für alarmierend hoch. Allein der Versicherungsmantel um den Kapitalanlagemotor koste rund 1,0 bis 1,8 Prozent der jährlichen Rendite. Dies bedeutet, dass durch die Abschluss- und Verwaltungskosten ungefähr 15 bis über 30 Prozent der investierten Beiträge für die Verwaltung und den Vertrieb dieser Produkte benötigt werden. Bei einem Garantiezins von 0,9 Prozent könne die Rechnung für den bAV-Anwärter nicht aufgehen.

Hinzu kämen die Kosten, die in der Kapitalanlage selbst anfallen beziehungsweise dort einkalkuliert sind. Diese Kosten können innerhalb der Rentenversicherung noch einmal zwischen 0,5 bis über 4,0 Prozent pro Jahr ausmachen, hat NDC beobachtet. Die von den Unternehmensberatern untersuchten klassischen Fondspolicen erreichen danach in der Regel Gesamtkosten zwischen 2,0 und 3,5 Prozent pro Jahr.

Zieht man das von denkbaren 6,0 Prozent Marktrendite pro Jahr ab, so kann innerhalb einer Versicherungspolice oft nicht mehr rauskommen als die eingezahlten Beiträge oder eine sehr, sehr schmale Verzinsung. Nicht selten weisen Policen erst nach 15 bis 20 Jahren positive Rückkaufswerte aus. „Solange steht der Arbeitgeber in der Haftung und muss das in der Handelsbilanz ausweisen, was kaum ein Arbeitgeber weiß“, erinnert Lewe. Arbeitgeber säßen auf tickenden Zeitbomben.

Geld mit schlanker Verwaltung im Unternehmen belassen?

Unterm Strich könne ein Durchschnittsverdiener in Deutschland heute aus eigener Finanzkraft keine ausreichende Altersvorsorge aufbauen - weder privat noch über versicherungsförmige betriebliche Wege, betont NDC. Man empfehle den Mandanten zu prüfen, in wie weit das bestehende Kapital aus dem notleidenden System herausgezogen werden kann. „Zumindest sollte die laufende Beitragszahlung eingestellt werden“, rät Lewe.

Durch effiziente Nutzung der Kapitalmärkte, etwa über professionelle Vermögensverwaltungen, und ein rechtlich sicheres und betriebswirtschaftlich schlankes Versorgungskonzept könnten die Lücken bei der bAV-Leistung über die nächsten Jahre oft geschlossen werden, ohne dass es zu einem erheblichen finanziellen Aufwand für die Arbeitgeber kommt, so NDC weiter. „Das geht nur mit rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Begleitung durch spezialisierte Berater“, betont bAV-Experte Lewe.

Es sei sinnvoll, eigene Versorgungswerke zu begründen, um die Kapitalanlage rentabel, transparent und kostengünstig zu etablieren. Fairere Sterblichkeitskalkulationen führten dazu, dass die Unternehmen ihren Mitarbeitern lebenslange Rentenzahlungen anbieten können, die zwei- bis dreimal höher sind als Versicherungsrenten, sagen die Unternehmensberater. Damit könnten Firmen tatsächlich attraktive bAV bieten, um Mitarbeiter an sich zu binden.

Eigene Versorgungswerke auch in kleineren Firmen

Das koste zwar zunächst Geld, sei aber langfristig günstiger und könne sich bei geeigneter Konstruktion innerhalb weniger Jahre amortisieren. Firmen würden längerfristig sogar von dieser „Bank im Unternehmen“ (Direktzusage oder pauschal dotierte U-Kasse) finanziell profitieren, wie Beispiele bei Siemens, BMW, Lufthansa oder ECE zeigen.

„Die Digitalisierung erlaubt es auch kleineren und mittleren Unternehmen, an solch intelligenten bAV-Lösungen zu profitieren“, ist Lewe überzeugt. NDC habe entsprechende Versorgungswerke bereits bei Tischlereien und Speditionen erfolgreich begleitet. Nach eigener Aussage würden mit einem ausgewogenen Weltportfolio rund 5,0 Prozent Eigenkapitalrendite nach Kosten erzielt. „Dies verschafft Arbeitgebern, die ihren Mitarbeitern 1,0 bis 2,0 Prozent Zins zusagen, die nötigen Puffer für nachhaltig zählbare bAV“, so Lewe.

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