E-Bikes haben in den vergangenen Jahren einen starken Boom erlebt. In Millionen Haushalten in Deutschland steht mittlerweile ein Drahtesel mit Ionen-Batterie, der die Fahrt deutlich angenehmer macht. Doch die verbauten Ionen-Batterien bergen auch eine Brandgefahr, auf die in der Vergangenheit auch die Versicherer immer wieder hinwiesen. Ein Urteil des Landgerichts Lübeck (Az: 5 O 26/23) unterstreicht nun die Sorgfaltspflichten der Nutzer und zeigt, dass von manchen Zweirädern gar eine Betriebsgefahr ausgeht.
Ein Mann hatte eine Halle in Geesthacht angemietet, um dort E-Bikes zum Verkauf anzubieten. Ende November 2019 ließ der Mann ein erworbenes E-Bike über Nacht in der Halle unbeaufsichtigt laden. In der Nacht brach in der Halle ein Brand aus, wodurch ein Schaden von knapp 215.000 Euro entstand.
Diesen Schaden wollte der Besitzer der Halle nun von seinem Mieter ersetzt haben. Er vertrat die Meinung, dass der Schaden durch das Aufladen des E-Bikes entstanden sei, da der Fahrradhändler vergessen habe, über Nacht den Stecker des Ladegerätes zu ziehen. Der Händler habe wissen müssen, dass Akkus nicht über Nacht unbeaufsichtigt geladen werden dürfen – vor allem, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um ein gebrauchtes E-Bike handele, das kein Prüfzeichen aufweise, in China hergestellt worden und nicht zum Straßenverkehr zugelassen zu sei. Der Händler entgegnete, dass es von ihm nicht verlangt werden könne, den gesamten Ladevorgang zu überwachen.
Gericht sieht Fehlverhalten
Das Landgericht Lübeck gab jedoch dem Vermieter der Halle Recht. Zwar könne eine Pflicht, jeden Ladevorgang zu überwachen, nicht angenommen werden. „Bei der Vielzahl an technischen Geräten mit einem Akku, die sich in jedem Haushalt, jedem Betrieb und jeder öffentlichen Einrichtung befinden, wäre eine solche Überwachung rein praktisch nicht zu leisten und kann daher auch nicht gefordert werden“, so das Gericht.
Allerdings bestand im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass es sich um die erste Aufladung des Akkus durch den Händler handelte. Zudem handelte es sich bei dem Fahrrad nicht um Neuware, dem Händler waren darüber hinaus die Bedingungen, unter denen der Akku zuvor benutzt, aufgeladen und gelagert worden war, nicht bekannt gewesen.
Wann greift das StVG?
Doch auch unabhängig vom eigenen Fehlverhalten muss der Mann für den entstandenen Schaden haften. Maßgeblich sei hier die Haftung aus Artikel 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Hier heißt es: „Wir bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs […] eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
Nach Auffassung des Gerichts fällt das ausgebrannte E-Bike unter die Gefährdungshaftung des StVG, da es über einen starken Elektromotor verfüge, mit dem eine Geschwindigkeit von 85 km/h möglich ist. Damit unterscheide es sich von sogenannten Pedelecs, bei denen sich der Elektromotor ab einer Geschwindigkeit von 25 km/h abschalte. Zudem dient bei Pedelecs der Motor als Tretunterstützung. Das hier maßgebliche E-Bike erlaubte hingegen eine Fortbewegung ganz ohne Muskelkraft. Entsprechend gelten normale Pedelecs nicht als Kraftfahrzeug, das hier erwähnte E-Bikes indes schon. Somit gelte auch die Gefährdungshaftung der Artikel 7 StVG.
Für die Gefährdungshaftung spiele es auch keine Rolle, dass sich das Fahrrad nicht im Straßenverkehr befand, als es abbrannte. Der Betriebsbegriff aus Artikel 7 StVG ist weit auszulegen, befand das Gericht. Umfasst sei nicht nur das Fahren, sondern auch das Laden und Abstellen eines Fahrzeugs. Der Brand resultierte folglich aus einer Gefahr, die dem Betrieb des E-Bikes zuzuordnen ist.
Folglich muss der Mann im Sinne der Gefährdungshaftung aus Artikel 7 StVG für die abgebrannte Lagerhalle aufkommen, so das Lübecker Gericht. Das Urteil ist rechtskräftig.