Hausratversicherung: Wann ist ein Leitungswasserschaden grob fahrlässig?
Leitungswasserschäden sorgen bei den Versicherern für Milliardenschäden – allein im Jahr 2019 beliefen sich die durch geplatzte Rohre und leckende Armaturen entstandenen Schäden auf 3,4 Milliarden Euro – Rekord. Auch in einer niedersächsischen Zahnarztpraxis hieß es im Jahr 2018 „Land unter“. Vor dem OLG Celle ging es nun um die Frage, welche Obliegenheiten der Versicherungsnehmer zur Vermeidung eines solchen Schadens zu erfüllen habe.
Was war passiert?
Der Besitzer einer Zahnarztpraxis wollte eine neue Desinfektionsanlage installieren lassen und beauftragte hierfür ein Unternehmen. Im Oktober 2016 kam es zum Einbau der Anlage sowie der anschließenden Rohrleitungen. Die beauftragte Firma war darüber hinaus auch mit der Wartung der Anlage befasst – im November 2017 prüfte die Firma ein letztes Mal, ob alles wunschgemäß funktionierte.
Im Sommer 2018 entschied der Zahnarzt, in den Urlaub zu fahren. Hierfür schloss er seine Praxis für drei Wochen. Das Hauptwasserventil sperrte er nicht ab. Kurz vor Urlaubsende kam Bewohnern des Hauses, in dem auch die Zahnarztpraxis beheimatet war, schwallartig Wasser aus der Praxis entgegen. Das Treppenhaus war bereits überflutet.
Verantwortlich für den Schaden in Höhe von rund 200.000 Euro war ein Verbindungsstück, ein sogenannter Winkelfittig, das sich an dem mit der Desinfektionsanlage verbundenen Wasserrohr gelöst hatte. Die Versicherung des Zahnartzes regulierte den Schaden, verlangte daraufhin aber von der beauftragten Firma Schadensersatz. Diese habe, so die Versicherung, das Rohr „entgegen den anerkannten Regeln der Technik“ installiert, unter anderem durch eine falsche Auftragung des Klebstoffes.
Die Firma wies diesen Vorwurf nicht nur zurück, sie verwies auch darauf, dass sich die Versicherung ein Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers, des Zahnarztes, entgegenhalten lassen müsse. Dieser habe während der dreiwöchigen Praxisschließung die Hauptwasserleitung nicht abgesperrt.
Dies sah auch das Landgericht Verden so. Zwar sei das unsachgemäß installierte Rohr ursächlich für den Leitungswasserschaden gewesen, doch erkannte sie im Verhalten bzw. Unterlassen des Zahnarztes grobe Fahrlässigkeit. Jedem vernünftigen Zahnarzt müsse klar sein, so das Landgericht, dass das Wasser mindestens bei längerer Abwesenheit abgestellt werden müsse, um größere Wasserschäden zu vermeiden. Das Landgericht sah die Haftungsquote beider Parteien jeweils bei 50 Prozent. Hiergegen gingen sowohl die beklagte Firma als auch die Versicherung vor und wandten sich an das OLG Celle (Az: 14 U 135/20, Urteil vom 7. April 2021).
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Das Urteil
Das OLG Celle bestätigte zum einen die Auffassung seiner Vorinstanz, dass das von der beauftragten Firma unsachgemäß installierte Leitungsrohr den Wasserschaden verursacht habe. Eine Obliegenheitsverletzung des Zahnarztes konnte das Gericht jedoch nicht feststellen.
So könne eine Obliegenheitsverletzung nur dann als Mitverschulden berücksichtigt werden, wenn feststünde, dass und inwieweit diese mitursächlich für den eingetretenen Schaden gewesen ist. Dass die dreiwöchige Betriebsschließung mitursächlich für den Schaden gewesen sei, habe die beklagte Firma jedoch nicht beweisen können. So könne es laut Gutachter durchaus möglich sein, dass sich der gesamte Schaden in der Nacht und damit außerhalb des regulären Praxisbetriebs ereignet habe. Damit stünde sie in keinem Zusammenhang mit der dreiwöchigen Betriebsschließung.
Auch das Nicht-Absperren des Hauptwasserhahns wertete das OLG nicht als Obliegenheitsverletzung. Obliegenheitspflichten müssten der Vermeidung realistisch drohender Schäden dienen. „Nicht jede denkbare, mögliche und ggf. sogar sinnvolle Schutzmaßnahme führt bei ihrem Unterlassen zu einem Mitverschulden des Versicherungsnehmers, wenn im Gegenzug der Schadenseintritt denkbar unrealistisch ist“, befand das Gericht.
Die Anforderung, der Hauptwasserhahn müsse bei Verlassen der Praxis abgesperrt werden, bewertete das Celler Gericht als „überspannt“. Das Abdrehen eines Hauptwasserhahns nach Verlassen einer Wohnung sei weder üblich, „noch kann es von einem vernünftigen, denkenden Menschen nach Treu und Glauben verlangt werden“. Damit orientierte sich das OLG Celle auch an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Az: VII ZR 74/15).
Entsprechend gab das OLG Celle der klagenden Versicherung Recht und verurteilte die Installationsfirma zu Schadensersatz gegenüber der Versicherung. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.
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