Marktanalyse: Was Verbände Maklern nach Verivox-Urteil empfehlen
Ihre Unabhängigkeit sehen Versicherungsmakler vor allem in der Möglichkeit zur freien Produktauswahl, ergab kürzlich die Studie „Pools und Dienstleister für Versicherungsmakler“. Sie können und müssen die Breite des Marktes analysieren und daraus Empfehlungen für den Versicherungsschutz ableiten. Das unterscheidet sie von Handelsvertretern, die im Lager des Versicherers stehen.
Doch wie weit muss die Marktrecherche gehen? Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am 22. September 2021 entschieden, dass das Vergleichsportal Verivox seinen Privathaftpflicht-Vergleich nachbessern muss, da statt der 90 möglichen Versicherer nur 49 im Vergleich aufgeführt wurden (Az.: 6 U 82/20 - rechtskräftig). Verivox müsse die Konditionen auch solcher Versicherer mitteilen, die in einem Online-Vergleich nicht genannt werden möchten oder mit denen über diesen Weg kein Abschluss möglich ist.
Verunsicherung statt rechtlicher Sicherheit
Mit diesem sogenannten Verivox-Urteil hat das OLG zugleich entschieden, wann im Rahmen der Versicherungsvermittlung durch Makler eine ausgewogene Marktanalyse nicht mehr vorliegt und wie die Hinweispflichten für diesen Fall aussehen müssen. Knapp 50 Prozent Marktabdeckung stellen danach keine ausgewogene Marktanalyse dar. Nähere Angaben machten die Richter nicht. Das hat zu Verunsicherung bei Vergleichsportalen, Maklern und Maklerpools geführt.
„Bis der Bundesgerichtshof sich mit einer ähnlichen Konstellation irgendwann befassen kann, müssen wir mit dem OLG-Urteil leben“ sagt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung. Um Maklern Hilfestellung zu geben, diskutierten wiederholt Fachleute von Verbünden, Maklerpools, Vergleichsunternehmen, Softwarehäusern und Onlinevermittlern sowie der beiden Verbände AfW und Votum.
FAQ-Hinweise von Verbänden in Kooperation mit Pools
Herausgekommen ist jetzt eine FAQ-Liste als Orientierung. „Das ist keine optimale Lösung, was auf den Vorgaben des Urteils beruht“, erklärt Wirth. "Auch wenn es genauso unangemessen wie realitätsfern ist, dass Makler auch Angebote von Versicherern berücksichtigen müssen, die sie selbst nicht vermitteln können, muss sich die Branche den Konsequenzen des Urteils stellen", ergänzt Votum-Vorstand Martin Klein. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe betrifft alle Makler und gilt auch für Vermittlungsvorgänge, die nicht auf einem Online-Vergleich beruhen.
Die Liste beinhaltet Handlungsempfehlungen für Makler. So sollte man über 50 Prozent der am Markt vertretenen Anbieter in die Marktanalyse einbeziehen – oder bei geringerem Umfang Hinweispflichten beachten. Die Experten raten als grobe Richtschnur zur Einbeziehung von 70 Prozent der Angebote für eine noch ausgewogene Marktanalyse. Bei Spezial- oder Nischenversicherungen, bei denen es nur sehr wenige Anbieter gibt, könne es sogar erforderlich sein, alle Anbieter zu berücksichtigen.
Zwei Hinweise bei eingeschränkter Marktanalyse
Liegt nur eine eingeschränkte Marktanalyse vor, müssen laut FAQ-Expertise zwei Hinweise erteilt werden:
Der Kunde ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine eingeschränkte Beratungsgrundlage vorliegt. „Ein Hinweis nur im Maklervertrag oder in gesonderten AGB oder der Kundenerstinformation ist aufgrund der im Gesetz bestehenden Regelung ‚im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung‘ nicht ausreichend“, heißt es in dem Papier.
Dann muss der Kunde auf die Markt- und Informationsgrundlage hingewiesen werden und ihm müssen die Namen aller Versicherungen genannt werden, die er in den Vergleich einbezogen hat. Nicht nur die Namen der Versicherer sind zu nennen, die dem Kunden letztlich empfohlen werden, sondern auch sämtliche Anbieter, die für diese Empfehlung berücksichtigt und geprüft wurden.
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Seite 2: Wie Makler Abmahnungen und Schadenersatz vermeiden können
Beide Hinweise müssen erteilt werden, bevor der Kunde eine Vertragserklärung abgibt (Versicherungsantrag). Idealerweise erfolgen beide Hinweise bei Beginn der Beratung auf einem gesonderten Dokument oder innerhalb der Beratungsdokumentation, wenn diese vor Antragsstellung ausgehändigt wird, empfehlen AfW und Votum.
Formulierungshilfen für beide Hinweise
Der Hinweis auf einen eingeschränkten Marktüberblick (gemäß Paragraf 60 Abs. 1 VVG) muss ausdrücklich erfolgen und könnte wie folgt lauten: „Die Empfehlung beruht auf einer eingeschränkten Beratungsgrundlage. Damit wurde der Marktanalyse keine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherungen zugrunde gelegt. Sie weicht in diesem Fall vom gesetzlichen Regelfall ab.”
Der zweite Hinweis (gemäß Paragraf 60 Abs. 2 VVG) muss in Textform erfolgen (auf dauerhaftem Datenträger) und angeben, woher der Makler seine Informationen hat (Informationsgrundlage). Der Hinweis könnte wie folgt lauten: „Die Informationen zu den von mir berücksichtigten Versicherern und Versicherungsverträgen habe ich aus folgenden Quellen: („eigene Anbindung zu Versicherern“, „Maklerpool“, “Verbund von Maklern”, „Vergleichsprogramme“ etc.).“
Wenn der Marktanteil nicht bestimmt werden kann
Kann der Makler nicht abschließend einschätzen, welchen Marktanteil die von ihm berücksichtigten Versicherer und Versicherungsverträge haben, muss er auch darauf hinweisen. Formulierungshilfe: „Es ist mir nicht möglich eine Einschätzung dazu abzugeben, welchen Marktanteil die von mir untersuchten Versicherungen haben. Es gibt zu dieser Versicherung keine Statistiken oder ich habe keinen Zugang zu Statistiken, aus denen ich auch nur schätzungsweise Informationen zum Marktanteil der von mir berücksichtigten Versicherungen ableiten könnte. Es ist somit möglich, dass die von mir berücksichtigten Versicherungen nur einen geringen Marktanteil der in Deutschland angebotenen Versicherungen abdecken.“
Kann der Makler dagegen den Marktanteil abschätzen, muss er dies dem Kunden mitteilen. Das kann wie folgt geschehen: „Nach meiner Recherchen haben die von mir berücksichtigten Versicherer einen Marktanteil von x-Prozent. Dieser Informationen habe ich folgenden Quellen entnommen: (…).”
Erfolgen diese Hinweise nicht, liegt darin ein Wettbewerbsverstoß, und der Makler kann kostenpflichtig abgemahnt werden, erinnern AfW und Votum. Außerdem könne er von seinem Kunden in die Haftung genommen werden. Erste Gerichtsurteile zeigten in diese Richtung.
Verzicht des Kunden nur auf 2. Hinweis möglich
Der Kunde könne im Einzelfall auf den 2. Hinweis des Maklers verzichten (zur Markt- und Informationsgrundlage sowie den berücksichtigten Versicherern), auf den 1. Hinweis jedoch nicht (eingeschränkte Beratungsgrundlage). Die Verzichtserklärung bedarf der Schriftform und muss durch den Versicherungsnehmer gesondert unterzeichnet werden.
Beispiel: „Ich wurde darauf hingewiesen, dass die Empfehlung des Maklers XY zum Abschluss des (Versicherungstarifs) bei der (Versicherung) auf einer eingeschränkten Versicherer- und Vertragsauswahl beruht. Ich verzichte auf die Mitteilung, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage der Makler XY seine Leistung erbringt und auf die Namen der Gesellschaften, die der erteilten Empfehlung zugrunde liegen.“
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