Debatte um „Unabhängigkeit" von Maklern

Prof. Schwintowski: „Makler muss deutlich machen, wer ihn bezahlt“

Wieder einmal befassen sich Gerichte mit der Unabhängigkeit von Maklern. Hans-Peter Schwintowski, Professor an der Berliner Humboldt-Universität und Experte für Versicherungsrecht, hat dazu ein klare Meinung. Die ganz Debatte sei „typisch deutsch“.

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09:10 Uhr | 04. Oktober | 2024
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin

| Quelle: HU Berlin

procontra:

Verbraucherschützer behaupten, Versicherungsmakler seien nicht unabhängig. Was ist Ihre Auffassung?

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Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski:

Im Gesetz steht: Versicherungsmakler ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer damit betraut zu sein.

procontra:

Sie sagen, „unabhängig von einem Versicherer“. Ist das entscheidend?

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Schwintowski:

Wenn ein Makler mit einem Kunden spricht, weiß er in dem Moment nicht, ob der Kunde überhaupt einen Vertrag abschließt und wenn ja, welcher Empfehlung der Kunde möglicherweise folgt. Es gibt oft die Möglichkeit zwischen 30 bis 50 Anbietern auszuwählen. So gesehen ist der Makler unabhängig von einem Versicherer.

procontra:

Sind Makler mit nur fünf Versicherern im Portfolio dann Mehrfachagenten?

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Schwintowski:

Das Gesetz fordert von einem Makler einen Marktüberblick. Gleichwohl darf ein Makler sich auf weniger Versicherer beschränken. Er muss dies nur dem Kunden zu Beginn des Gesprächs deutlich sagen: Ich kann dich auf Basis des Angebots dieser fünf Versicherer beraten und dir eine passende Police empfehlen. Kommt es zum Abschluss, erhalte ich von dem Versicherer eine Courtage. Ohne Klarstellung, macht der Makler sich haftbar.

procontra:

Fehlende Klarheit beklagen Verbraucherschützer auch bei Begrifflichkeiten auf Internetseiten von Maklern. Zum Beispiel informiere ein Makler mit Zulassung nach §34d Absatz 1 dort über Beratungsdienste, die er als Makler anbietet. Für zusätzliche Services könnten Honorare vereinbart werden, welche separate Forderung seien. Da der Makler keine Zulassung als Berater nach §34d Absatz 2 habe, soll er das unterlassen. Was ist Ihre Meinung?

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Schwintowski:

Vor dem Landgericht Köln zum Beispiel wurde so ein Fall verhandelt. Die Formulierung war in der Tat widersprüchlich und uneindeutig. Für Kunden war unklar, ob der Vermittler als Berater oder als Makler tätig ist. Der Vermittler muss sich schon entscheiden.

procontra:

Dürfen Makler denn keine Servicedienstleistungen anbieten?

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Schwintowski:

Ja, natürlich. Es gibt solche Dienstleistungen, die ein Makler neben der Vermittlung von Versicherungen gegen Honorar anbieten darf – zum Beispiel Hilfen beim Einkauf. Das hat aber nichts mit Versicherungen zu tun. Entscheidend ist, dass der Makler, wie es §15 VerVermV Absatz 6 verlangt, deutlich macht, dass er nicht vom Versicherer bezahlt wird, sondern für einen Service eine Kostentragungsvereinbarung schließen möchte.

procontra:

Was ist mit Mischmodell aus Courtage und Honorar?

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Schwintowski:

Auch hier muss ein Makler immer deutlich machen, wer ihn bezahlt. Er kann zum Beispiel zu Beginn eines Gespräch sagen, wenn ich dir eine Police vermittle, erhalte ich von dem Anbieter dieser Versicherung eine Courtage. Aber in deinem Fall ist die Beratung so aufwendig, dass ich von dir zusätzlich ein Entgelt in Höhe x haben möchte.

procontra:

Solche Klarstellungen sind in einem Gespräch gewiss einfach zu machen. Aber mit Texten auf einer Internetseite macht ein Makler sich schnell angreifbar?

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Schwintowski:

Ja. Wenn ein Makler nicht klipp und klar darlegt, wer die Kosten trägt, ist er unlauter im Wettbewerb unterwegs, verstößt also gegen das Wettbewerbsrecht. Vorsicht ist auch bei Begriffen wie „produktunabhängige Beratung“ angebracht. Ein Makler ist nicht unabhängig von Produkten. Er ist unabhängig von Versicherern, solange keine Entscheidung für eine bestimmte Versicherung feststeht. Das muss auch auf Websites deutlich werden.

procontra:

Verbraucherschützer sagen, jeder Vermittler, der Provision nimmt, ist nicht unabhängig. Was sagen Sie dazu?

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Schwintowski:

Das Argument kenne ich gut. Aber was ist der Unterschied zwischen einer Provision und einem Honorar? Die Provision kommt vom Versicherer, das Honorar vom Kunden. Dann wäre jeder Vermittler abhängig.

procontra:

Ein Makler bekommt nur eine Courtage, wenn es zum Abschluss kommt. Rücken die Bedürfnisse des Kunden dann nicht zu stark in den Hintergrund?

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Schwintowski:

Das wäre rechtswidrig. Ein Makler ist per Gesetz Sachwalter des Kunden und muss im bestmöglichen Interesse des Kunden beraten. Wenn der Bedarf eines Kunden für einen Makler sekundär wäre, wäre das auch für den Makler sehr problematisch. Er würde sich haftbar machen und würde – allein, wenn er so denkt – auf Dauer alle Kunden verlieren.

procontra:

Auf europäischer Ebene wird die Kleinanlegerstrategie diskutiert. Möglicherweise dürfen sich Makler, die von Versicherern bezahlt werden, auf diesem Weg künftig nicht mehr unabhängig nennen. Wie ist hier der Stand der Dinge?

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Schwintowski:

Nach der Europawahl ist offen, wie es weitergeht. In Europa gibt es die Trennung zwischen Makler und Berater nicht; es gibt nur Versicherungsvertreiber. Ob jemand, der eine Provision vom Versicherer bekommt, sich unabhängig nennen darf, müsste der Europäische Gerichtshof entscheiden. Das wäre für uns ein Paradigmenwechsel, der Schwenk zum Honorarmodell, den Verbraucherschützer auf diesem Weg durchsetzen möchten. Aber das eigentliche Problem ist nicht die Courtage, sondern dass die Versicherer in Deutschland das Geld der Kleinanleger nicht so anlegen dürfen wie zum Beispiel in Schweden. So bleiben die Renditen niedriger als sie sein könnten und die Kosten relativ hoch. Insofern ist die Diskussion über Unabhängigkeit, Provision und Honorar typisch deutsch.