Urteil

Schwerhöriger Kapitän erstreitet Leistung von Berufsunfähigkeitsversicherer

Gilt ein Kapitän als berufsunfähig, selbst wenn er seine Schwerhörigkeit mittels Hörgeräten kompensieren kann? Das OLG Frankfurt bejahte diese Frage nun und verdonnerte den BU-Versicherer des Seemanns zur Zahlung.

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11:04 Uhr | 08. April | 2025
Kapitän auf der Brücke eines großen Schiffes auf dem Meer

Ein schwerhöriger Kapitän gilt als berufsunfähig, selbst wenn er seine Schwerhörigkeit mittels Hörgeräten kompensieren kann.

| Quelle: Hans-Peter Merten

Gilt ein schwerhöriger Kapitän auch dann als berufsunfähig, wenn er sein Hörvermögen mittels Hörgeräten wieder herstellen kann? Das Frankfurter Oberlandesgericht bejahte diese Frage und nahm damit eine konträre Ansicht zum Berufsunfähigkeitsversicherer des Seemanns ein.

Doch von vorne: Ein Kapitän, der Dienst auf einem Containerschiff leistete, war 2019 vom Seeärztlichen Dienst seiner Dienststelle für seedienstuntauglich erklärt worden. Der Grund: Schwerhörigkeit auf beiden Ohren. Zwar konnte der Mann sein Hörvermögen dank zweier Hörgeräte wieder herstellen. Allerdings verbieten die Regelungen der Maritime-Medizin-Verordnung des Bundes solche für alle Besatzmitglieder des Decksdienstes. Hier heißt es:

„Bei Besatzungsmitgliedern des Decksdienstes muss ohne Hörhilfe Flüsteransprache mit dem jeweils dem Untersucher zugewandten Ohr auf eine Entfernung von 3 Metern oder auf eine Entfernung von 1 Meter mit dem schlechteren und auf eine Entfernung von 5 Metern mit dem besseren Ohr verstanden werden.“

Und an anderer Stelle: „Bei Besatzungsmitgliedern der Dienstzweige Decksdienst, Technischer Dienst und Elektrotechnischer Dienst sind Hörhilfen nicht zulässig.“

Dennoch verweigerte der Berufsunfähigkeitsversicherer des Mannes die Zahlung. Eine Entscheidung, die auch vom Landgericht Frankfurt gestützt wurde.

OLG Frankfurt sieht Versicherung in der Pflicht

Doch das OLG Frankfurt (Az: 3 U 122/23, Urteil vom 27. März 2025) bewertete den Fall anders. Die Richter stellten klar, dass der Kapitän aufgrund „Kräfteverfalls dauerhaft und vollständig berufsunfähig“ sei und somit eine Berufsunfähigkeit gemäß der Versicherungsbedingungen vorliege.

Der Seeärztliche Dienst habe Seeuntauglichkeit bei dem Versicherungsnehmer festgestellt. Als Besatzungsmitglied dürfe jedoch nur derjenige tätig werden, der seediensttauglich sei – für den Kapitän sei die Ausübung demzufolge dauerhaft unmöglich.

Der Mann könne den Versicherungsfall auch nicht mit Hilfsmitteln, sprich Hörgeräten abwenden. Zwar könne er auf diese Weise die in der Maritime-Medizin-Verordnung geregelten Werte einhalten. Allerdings sei dem Kapitän als Besatzungsmitglied des Decksdienstes gemäß den Regelungen der Maritime-Medizin-Verordnung das Tragen von Hörhilfen grundsätzlich untersagt.

Folglich stehe der Berufsunfähigkeitsversicherer in der Leistungspflicht. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Zwar ließ das OLG eine Revision nicht zu, allerdings kann die Versicherung eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.