Wochen der Entscheidung in Berlin und EU: Martin Klein schickt Stoßgebete
Wir erleben gerade eine Phase, in der man sich wünscht, wie der römische Gott Janus, der auch der Zweistirnige genannt wurde, seine Aufmerksamkeit den Quellen der Finanzmarkt-Regulatorik in Berlin und Brüssel zuzuwenden. An beiden Orten werden aktuell entscheidende Weichenstellungen vorgenommen.
Trilog-Verhandlungen zur Retail Investment Strategy (RIS) beginnen
Nächste Woche muss ein aufmerksamer Blick nach Brüssel gerichtet werden. Hier sollen in dieser Woche, am 18.03.2025, die Trilog-Verhandlungen zur Retail Investment Strategy (RIS) beginnen. Dies geschieht zwei Jahre, nachdem die kursierenden ersten Entwürfe der RIS, welche ein allgemeines Provisionsverbot enthielten, den damaligen Finanzminister Christian Lindner auf den Plan riefen. Er setzte sich entschlossen für eine Dualität der Vergütungsmodelle ein und forderte, dass es dem Anleger überlassen bleibt, wie er die Beratungsleistung vergüten will.
Werden Provisionsverbotspläne wieder aus der Schublade gezogen
Dieser Fürstreiter für eine marktwirtschaftliche Regulierung fehlt jetzt, und es muss wachsam darauf geachtet werden, dass unter der neuen Finanzmarkt-Kommissarin Maria Luís Albuquerque nicht die alten Pläne ihrer Vorgängerin Mairead McGuinness erneut aus der Schublade gezogen werden. Aktuell gibt es keine Signale dafür, dass die Diskussion über das Provisionsverbot wieder auf den Tisch kommen soll. Im Trilog werden die drei Regelungsentwürfe von Kommission, Europäischem Parlament und Europäischem Rat nebeneinandergelegt und es soll versucht werden, eine Konsenslösung zu finden.
Weniger Regulatorik zu erwarten?
Die neue EU-Legislatur hat sich dem Ziel verschrieben, Europa wettbewerbsfähiger zu machen. Hierzu gehört das klare Versprechen einer Vereinfachung der regulatorischen Maßnahmen (Simplifizierung). Dies war in den alten Entwürfen der RIS keinesfalls der vorherrschende Zungenschlag. Vielmehr las sich der Entwurf wie eine unversiegbarer Quell weiterer Regulatorik. Er enthält insbesondere eine Vielzahl von Ermächtigungen der Kommission und der Europäischen Aufsichtsbehörden ESMA und EIOPA zur Verabschiedung weiterer delegierter Verordnungen, insbesondere im Bereich des Produkt-Benchmarkings und der Berichterstattungspflichten.
Wenn die EU es ernst meint mit der Vereinfachung und der Wettbewerbsfähigkeit, sollte dieses Ermächtigungsgestrüpp deutlich zurückgeschnitten werden. Es bedarf einer schlanken Regulierung, die dem Ziel, den europäischen Finanzmarkt durch Vereinfachung zusammenzuführen, Rechnung trägt.
Ein neues Strategiepapier Savings- und Investment Union (SIU)
Die EU-Kommission beabsichtigt in dieser Woche auch, ein Strategiepapier für die angestrebte sogenannte Savings- und Investment Union (SIU) vorzulegen. Eine solche Union kann nur gelingen, wenn man Regulierung, wie auch von BaFin-Präsident Marc Branson gefordert, stärker prinzipienbasiert aufsetzt und kleinteilige sowie einschnürende Regulierungsnetze vermeidet.
Hierbei muss das Demokratieprinzip gewahrt bleiben. Die entscheidenden Regulierungsmaßnahmen gehören in die Parlamente und unterliegen ihrer parlamentarischen Kontrolle. Es darf nicht erlaubt werden, dass sich die Aufsichtsbehörden am Ende ihre eigenen Gesetze schreiben. Wenn man das Prinzip der Gewaltenteilung nicht beachtet, kann Bürokratieabbau nicht gelingen, da Behörden ein innerer Antrieb zum Wachsen innewohnt.
Koalitionsverhandlungen
In Berlin haben die Koalitionsverhandlungen begonnen, und die 16 Arbeitsgruppen sollen schon am 23.03.2024 ihre Ergebnisse vorlegen. Parallel bemühen sich die Koalitionäre, die Grünen davon zu überzeugen, ihnen das Fundament ihrer Regierung durch eine Reform der Schuldenbremse und massive Sondervermögen zu sichern. Sollte dies nicht gelingen, müssen die Koalitionsverhandlungen gänzlich neu gedacht werden.
Losgelöst von den übergeordneten Themen der notwendigen Belebung der Wirtschaft, Strukturreformen, Bürokratieabbau, Digitalisierung und nachhaltiger Transformation, die selbstverständlich auch auf die Kapitalanlage- und Altersvorsorgeberatung ausstrahlen, gibt es Weichenstellungen, die unmittelbar für die Vermittler von Bedeutung sind.
Rentenreformpläne
Im Wesentlichen sind dies die in der letzten Legislaturperiode liegengebliebenen Themen wie die Riester-Reform und die Einführung der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Aus den Reihen der CDU ist zu vernehmen, dass man mit dem noch von der FDP eingebrachten Altersvorsorgedepotgesetz grundsätzlich eine gute Ausgangsbasis vorliegen hat. Ob sich auch die SPD durchringen kann, sich in der geförderten Altersvorsorge stärker Kapitalmarktprodukten ohne Garantien zuzuwenden, ist noch fraglich. Sicherlich wird von dieser Seite wieder darauf gedrängt werden, gesetzliche Kostendeckel einzuführen. Hier sollte den Koalitionären das Paneuropäische Pensionsprodukt (PEPP) als warnendes Beispiel dienen. Die dort vorgenommene strikte gesetzliche Kostendeckelung hat dazu geführt, dass es gar nicht zu einem Produktangebot von privaten Anbietern gekommen ist. Bei einer BaFin, die ohnehin bei Altersvorsorgeprodukten den "Value for Money" im Fokus hat, bedarf es keiner lebensfremden gesetzlichen Kostendeckel.
Früstartertrente?
Die CDU hat durchgesetzt, dass zudem ihr Konzept der Frühstartrente den Weg in den Koalitionsvertrag finden soll. Monatliche Sparzuschüsse von 10 € für jedes Kind zwischen 6 und 18 Jahren mögen einen Anreiz bilden, dass sich breite Bevölkerungsschichten mit Ansparprozessen am Kapitalmarkt auseinandersetzen. Sie dürfen jedoch nicht den Einstieg in einen staatlich verwalteten Fonds bedeuten, und die Fördermaßnahme darf auch nicht durch bürokratische Abwicklung erstickt werden.
Die Einführung einer Altersvorsorgepflicht für Selbstständige darf nicht zum Automatismus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für Selbstständige führen. Hier muss es eine Opt-out-Möglichkeit für die Wahl privater Vorsorgeprodukte geben. Der Weg in die Selbstständigkeit darf nicht durch eine sofort greifende Vorsorgepflicht erschwert werden, sondern es muss eine zumindest dreijährige Karenzzeit vorgesehen werden.
Fazit: Ein Stoßgebet an Janus
Dies bringt uns am Ende wieder zu Janus, der als Gott auch angerufen wurde, wenn es darum ging, Unternehmungen Schutz und Unterstützung zu gewähren. Diesem Stoßgebet kann sich der Verfasser mit Blick auf Berlin und Brüssel in diesen Tagen anschließen.