Muss die Rechtsschutzversicherung zahlen oder nicht?
Lange Zeit war die Rechtsschutzversicherung der Beschwerdemagnet Nummer eins beim Versicherungsombudsmann: In der Regel erreichten über 3.000 Beschwerden zum Thema Rechtsschutz Jahr für Jahr das Büro von Wilhelm Schluckebier und seinen Vorgängern – das entsprach ungefähr einem Viertel aller Beschwerden.
In den vergangenen Jahren ist das Beschwerdeaufkommen im Bezug auf Rechtschutzversicherungen etwas zurückgegangen – die Lebensversicherung hat die die Rechtsschutzversicherung mittlerweile von der Spitze der Beschwerde-Statistik verdrängt. So erreichten den Ombudsmann 2023 insgesamt 2.637 Unternehmensbeschwerden zur Rechtsschutz-, jedoch 2.915 zur Lebensversicherung. Bei Vermittlerbeschwerden spielt Rechtsschutz mit einem Anteil von gerade einmal 5,9 Prozent am gesamten Klageaufkommen eh nur eine zu vernachlässigende Rolle.
Mit einer Erfolgsquote (aus Sicht des Beschwerdeführers) von 48,9 Prozent, liegt die Rechtschutzversicherungen im Mittelfeld. So sind die Erfolgsaussichten zwar deutlich höher als bei BU- (24,2 Prozent), Unfall- (33,9) oder Gebäudeversicherungen (33,6), jedoch ein gutes Stück hinter denen in der Kfz-Haft (59,1 Prozent) bzw. Kfz-Kasko-Versicherung (61 Prozent).
Ein Beschwerdeschwerpunkt ist nach wie vor die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalls. Hier geht es um die Frage, ob der Rechtsschutzfall vor Beginn bzw. nach Beendigung des Rechtsschutzes eingetreten ist. Insgesamt 500 Beschwerden erreichten den Ombudsmann zu diesem Thema. Häufig gehen Versicherungsnehmer davon aus, dass es für die zeitliche Einordnung darauf ankommt, wann sie Kenntnis von dem behaupteten Rechtsverstoß erlangt haben – hierauf kommt es jedoch nicht an, da solche subjektiven Gesichtspunkte vom Versicherer kaum zu überprüfen wären.
Der sogenannte Diesel-Skandal scheint indes weitgehend abgearbeitet zu sein. Nur noch 30 Beschwerden zu dieser Thematik erreichten den Ombudsmann – kein Vergleich zu 2021, als der Ombudsmann noch 400 Fälle zu bearbeiten hatte.
Doch auch jenseits von illegalen Abschalteinrichtungen hatte Wilhelm Schluckebier in seinem letzten Dienstjahr einige interessante Fälle zu behandeln:
Vorsätzliche Kündigung?
Arbeit nervt: Das dachte sich offenbar ein Arbeitnehmer, der sich mittels einer gekauften Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Frohn entziehen wollte. Doch die gekaufte Bescheinigung fiel auf. Die Folge: Der Arbeitgeber kündigte dem Mann, da er sich durch diesen betrogen sah. Dieser wiederum wollte die Kündigung nicht auf sich sitzen lassen und zog vor Gericht.
Nachdem er die Kündigungsschutzklage in erster Instanz verloren hatte, entzog ihm sein Rechtschutzversicherer für die Berufung die Deckung – schließlich habe der Mann den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt. Der Ombudsmann widersprach jedoch dieser Auffassung.
Denn dass der Mann seine Kündigung gewollt und absichtlich herbeigeführt habe, sei nicht ersichtlich. Bestenfalls könne dem Mann hier Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.
Zudem hatte der Arbeitgeber die Kündigung nicht nur mit der falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet, sondern auch vorgetragen, der Mann sei gar nicht arbeitsunfähig gewesen und habe somit zu Unrecht Entgelt bezogen. Der Ombudsmann wies darauf hin, dass es durch die gefälschte Bescheinigung zwar Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Mannes gab, dieser jedoch seine Arbeitsunfähigkeit anderweitig hinreichend zu belegen versuchte, unter anderem mit Unterlagen und Zeugenaussagen. Eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls habe der Versicherer somit nicht beweisen können. Dieser lenkte nach Intervention des Ombudsmanns schließlich ein.
Welche Kosten übernimmt die Versicherung?
Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt die anfallenden Gerichtskosten inklusive der Entschädigung für Sachverständige, wenn diese vom Gericht beauftragt werden – daran besteht kein Zweifel. Doch was ist mit Kosten für erforderliche Vorarbeiten?
Im vorliegenden Fall musste an einer Immobilie die Kelleraußenwand geöffnet werden, damit der Gutachter seine Arbeit erledigen konnte. Das Geld hierfür wollte die Rechtsschutzversicherung nicht zahlen. Eine Lösung konnte der Ombudsmann in diesem Fall nicht herbeiführen, denn eine eindeutige Sichtweise, ob solche Kosten im Versicherungsschutz inbegriffen sind, existiert weder in Rechtsprechung noch Fachliteratur. Da der Versicherer auch kein Einlenken signalisierte, gibt es für den Versicherungsnehmer in diesem Fall keine Erstattung.
Unklarer Ausschluss
Und noch ein Klassiker aus dem vergangenen Jahr: Versicherungsnehmer sollten sich gut über die Ausschlüsse ihrer Rechtsschutzversicherung informieren. Häufig leisten diese nämlich nicht bei Kapitalanlagestreitigkeiten und wenn doch, dann nur eingeschränkt. Im vorliegenden Fall begrenzte der Rechtsschutzversicherer seine Leistungsbereitschaft nur auf Geldanlagen bis zu einer Summe von 20.000 Euro. Der Kunde besaß jedoch zwei Kapitalanlagen mit einer Höhe von 20.000 Euro, über die es mit der Anlagegesellschaft zum Streit kam.
Der Versicherer berief sich auf seine Ausschlussklausel und verweigerte die Leistung – zu Unrecht, wie der Ombudsmann feststellte. Denn in der Rechtsschutzversicherung ist der Versicherungsschutz für jeden Streitgegenstand gesondert zu beurteilen. Zudem war die Klausel in den Versicherungsbedingungen nicht eindeutig genug gefasst („Der Anlagebetrag darf die Summe von 20.000 Euro aber nicht übersteigen“). So lässt sich Summe zwar als Ergebnis einer Addition verstehen, jedoch auch als Geldbetrag in bestimmter Höhe. Eine Deutung, mit „Summe“ sei die Summe der Einzelanlagen gemeint, war somit denkbar. Da Ausschlussklauseln eng auszulegen sind, half der Versicherer der Beschwerde ab.
Wie groß die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern bei Kapitalanlage-Streitigkeiten sind, können Sie hier nachlesen.