Ohne Instandhaltung keine Schadenregulierung mehr?
procontra: Die hohen Schadenkosten zwingen viele Versicherer zu Einsparungen und Beitragserhöhungen, auch in der Wohngebäudeversicherung. Könnten die Anbieter wegen diesem Kostendruck in Zukunft auch mehr Schäden ablehnen?
Achim Finke: Ja, das wird kommen müssen. Ich verdeutliche das mal an einem Vergleich: Ein Auto muss alle zwei Jahre zum TÜV. Nur wenn alles in Ordnung ist, darf es weiterfahren. Wenn etwa der Auspuff durchgerostet ist, muss dieser erneuert werden, sonst darf man nicht mehr fahren. Oder im Industriebereich ist es normal, dass regelmäßig eine Prüfung der Elektroanlage stattfindet und dem Versicherer das Ergebnis gemeldet wird.
Aber bei Häusern von Privatleuten ist das komplett anders. Viele Eigentümer säubern nie ihre Dachrinne, lassen Dächer nie prüfen oder kontrollieren ihre Ableitungsrohre per Kamera. Viele versicherte Gebäude befinden sich in einem sehr schlechten Bauzustand. Wenn es aber zu einem Schaden kommt, soll der Wohngebäudeversicherer für sie genauso bezahlen wie für die Leute, die ihr Haus akribisch pflegen. Ich glaube, die Versicherer werden in Zukunft von ihren Kunden verstärkt die Erfüllung von Instandhaltungspflichten verlangen – ansonsten gibt es im Schadenfall keine Leistung.
procontra: Wie könnten die Versicherer das durchsetzen?
Finke: Man könnte die Bedingungen einfach schärfer auslegen, also bei der Schadenprüfung juristisch in die Tiefe gehen, um Ablehnungsgründe zu finden. Davon wurde in der Vergangenheit oft abgesehen, um die Kunden nicht zu vergraulen. Zudem sagt die Rechtsprechung, dass die Instandhaltungspflichten für Verbraucher in vielen Fällen nicht konkret genug formuliert sind. Hier werden wahrscheinlich viele Versicherer die Verträge ihrer Kunden entweder auf die neuen Bedingungen updaten oder die Kunden zur Not mit Änderungskündigungen in diese Richtung bewegen. In den neuen Bedingungen könnte dann konkret drinstehen, was der Kunde zu tun hat, um im Schadenfall auch eine Leistung zu erhalten.
procontra: Wie könnten solche Instandhaltungspflichten konkret aussehen?
Finke: Alle fünf Jahre müsste der Hauseigentümer zum Beispiel folgendes von einem Fachbetrieb durchführen lassen: Ableitungsrohre per Kamerafahrt kontrollieren lassen, elektrische Leitungen und FI-Schalter checken, Festigkeit und Undurchlässigkeit von Dächern prüfen, Silikonfugen erneuern oder auch die Standfestigkeit von Außenanlagen wie Zäunen kontrollieren.
Wer dann aber auf die Reparatur verzichtet, um Geld zu sparen, wird im Schadenfall keine Leistung vom Gebäudeversicherer erhalten.Achim Finke
procontra: Das sind ja schon mal eine Menge Beispiele – gerade wenn Sie sagen, viele Leute säubern nie ihre Dachrinne. Ist es überhaupt realistisch, das alles in Zukunft von den Versicherten zu verlangen, auch finanziell?
Finke: Die Prüfungen durch die Fachbetriebe sind gar nicht das Problem. Der E-Check vom Elektriker für ein Standard-Reihenhaus kostet circa 200 Euro, das Dach eines Einfamilienhauses zu prüfen etwa 300 Euro. Diese Kosten würden sich im Schnitt wahrscheinlich nur auf 100 bis 200 Euro pro Jahr belaufen. Viel komplexer wird die Situation, wenn die Fachbetriebe dann auch etwas finden. Neue elektrische Leitungen, neue Wasserrohre oder ein Dach neu zu decken – das sind alles jeweils Beträge im mittleren fünfstelligen Bereich, die da auf den Kunden zukommen. Allerdings haben wir hierzulande schon einige Hauseigentümer, die ihre Immobilie auf der letzten Rille finanziert haben. Die haben keine Rücklagen für Sanierungen wie diese. Wer dann aber auf die Reparatur verzichtet, um Geld zu sparen, wird im Schadenfall keine Leistung vom Gebäudeversicherer erhalten. Da die Reparatur vom Fachbetrieb angeraten wurde, handelt er bedingt vorsätzlich, wenn er diese ausschlägt. Denn das ist in allen Policen ausgeschlossen.
procontra: Von welcher Zeitspanne sprechen wir hier, innerhalb derer sich dieser Wandel in der Wohngebäudeversicherung vollziehen wird?
Finke: Die letzten Jahre und die durchgeführten Beitragserhöhungen zeigen, dass Versicherer sich intensiv damit beschäftigen. Es wird sicher nicht sehr schnell funktionieren, aber in den nächsten Jahren werden Tarife, Annahmerichtlinien und Bedingungen weiter angepasst. Wir sehen jetzt schon, dass oft Gebäude nicht angenommen werden, wenn viele Vorschäden vorhanden sind, der Zustand schlecht ist oder andere, risikoerhöhende Faktoren wie Alter oder Denkmalschutz vorhanden sind. Auch versichern einige Gesellschaften Gebäude, die über 40 Jahre alt sind, nur mit Einschränkungen oder Auflagen.
procontra: Werden da alle Anbieter mitziehen?
Finke: Die Versicherer befinden sich in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite muss man reagieren, da die Schadenquoten zu hoch sind und alle nur noch rote Zahlen schreiben. Auf der anderen Seite möchte man auch nicht Kunden in Massen verlieren. In der Vergangenheit haben die Sanierungsbemühungen einzelner Versicherer meist nicht alle anderen mitgerissen. Einige bieten dann weiterhin untertarifierte Policen an und Makler decken dann zu diesen billigeren Versicherern um. Hier müsste die gesamte Branche, auch die Makler, einmal an einem Strang ziehen. Diejenigen Versicherer, die sich über billige Prämien Bestand einkaufen, werden dann spätestens nach einem Jahr wieder erhöhen müssen.
Einige werden sicherlich weitermachen wie bisher, aber eben immer teurer werden. Allerdings bekommen die Versicherer ja auch Druck von BaFin und Rückversicherern, ihr Geschäft auskömmlich zu kalkulieren.
procontra: Inwiefern müssten Makler vor diesem Hintergrund ihre Beratung anpassen, um ihre Kunden möglichst gut abzusichern?
Finke: Als Makler muss ich meine Kunden auch darüber unterrichten, welche Instandhaltungspflichten beziehungsweise Obliegenheiten sie haben, um Versicherungsschutz zu erhalten. Viele Kolleginnen und Kollegen sollten sich also Wissen über diese Pflichten sowie über Gebäude an sich aneignen, das über die Eingaben ins Prämienberechnungs-Tool hinausgeht. Wenn sich der Markt so entwickelt wie beschrieben, kann das aber auch eine Chance für Makler sein, sich den Kunden als kompetenter Kümmerer mit gutem Service zu präsentieren. Wir erinnern unsere Gebäudekunden beispielsweise in regelmäßigen Abständen per E-Mail daran, wenn es mal wieder Zeit ist für einen E-Check oder eine Kontrolle der Dächer. Sinnvoll ist auch ein Netzwerk von Handwerkern. Nicht nur für die schnelle Hilfe im Schadenfall, sondern auch, um den Kunden alle notwendigen Checkups für die Erfüllung ihrer Instandhaltungspflichten an die Hand zu geben.