Ziel Wirtschaftlichkeit

Kfz-Versicherer auf Crashkurs: Mit Beitragssteigerung in die Wechselsaison

Die Kfz-Versicherer steuern auf ein erneutes Verlustjahr zu. Worauf man sich für die aktuelle Wechselsaison einstellen muss und für welche Anbieter der Maklermarkt nicht mehr profitabel ist.

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12:09 Uhr | 30. September | 2024
Kfz-Versicherer in der Krise
| Quelle: procontra

Was Sie erfahren werden

  • Welche Kostentreiber noch länger bleiben

  • Direkte Konsequenzen für den Maklermarkt

  • Was für die aktuelle Kfz-Wechselsaison zu erwarten ist

Die BaFin reagierte bereits im Juni auf die hohen Verluste der Kfz-Versicherer und forderte deutlichere Maßnahmen bzw. Prämiensteigerungen, um. Die Sparte wieder in Richtung Wirtschaftlichkeit zu entwickeln. Marktführer HUK konkretisierte nun, auch in dieser Wechselsaison die Prämien im zweistelligen Bereich anzuheben bzw. anheben zu müssen, um die Schadenkostenquote wieder unter 100 zu drücken. Marktweit lag die Quote 2023 bei 111,3 Prozent. Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV, Anja Käfer-Rohrbach, zeigte sich im procontra-Interview zuversichtlich, dass die Quote für 2024 geringer ausfallen wird. Dennoch rechnet sie auch für 2025 noch mit einer defizitären Quote im Kfz-Bereich.

Großes Reinemachen

Neben Prämienanpassungen, die die Anbieter nun allmählich an die Kunden kommunizieren müssen, wurde in einigen Häusern auch radikal ausmistet – in den Beständen und den Vertriebskanälen. Die Rhion beendete die Zusammenarbeit im Kfz-Bereich mit der Dema Deutsche Versicherungsmakler AG. Zum Jahresende laufen alle Kfz-Verträge aus. Die Bayerische (Schadenkostenquote 2023: 120 Prozent) wird zukünftig 80 Prozent des gesamten Kfz-Geschäfts an zwei Rückversicherer abgeben.

Die Itzehoer kündigte ihr Sonderkonzept mit der MRH-Trove-Tochter, EMOVER24, das speziell für die Absicherung von Tesla-Modellen konzipiert wurde. Die Württembergische stellt ihre Familienfahrer-Versicherung Maklern nicht mehr zur Verfügung. Die Schwaben wollen das Produkt nur noch über die hauseigene Ausschließlichkeit vermitteln. Auf Nachfrage wollte man dies aus „wettbewerbsrechtlichen Gründen“ nicht genauer erläutern. Die höheren Courtagekosten im Maklermarkt, im Vergleich zur Ausschließlichkeit, dürften zu den Hauptgründen zählen. Das schien auch den HDI (Schadenkostenquote 2023: 120 Prozent) dazu bewegt zu haben, das Kfz-Geschäft mit Maklerpools ab Oktober 2024 zu cutten.

Als Erklärung verwies man zunächst auf die allgemeine Marktentwicklung, konkretisierte auf Nachfrage dann aber doch: „Wir überprüfen regelmäßig unser Angebot in Hinblick auf die Profitabilität. Resultat der aktuellen Überprüfung ist, dass wir im Bereich Maklerpools das private SHUK-Geschäft einschränken und die Kapazitäten auf das Gewerbe- und Lebensversicherungsgeschäft lenken und uns somit auf auskömmliches Geschäft fokussieren wollen. Die Maßnahmen erfolgen dabei strikt datenbasiert auf der auf der Grundlage von Schadenquoten und Schadenerwartungen.“

Teurer Maklermarkt?!

Der Vertriebskanal „Maklerpools“ ist demnach nicht profitabel, was sich entweder mit zu hohen Courtagekosten und/oder im Gegenzug mit zu schlechtem Geschäft, im Sinne von Schadenhäufigkeit und -volumen, begründen lässt. Wie heikel diese Maßnahme ist, zeigt die Reaktion der Pools. Sowohl blau direkt als auch Branchenprimus Fonds Finanz lehnten ein Statement zu dem Sachverhalt ab. Lediglich Sebastian Grabmaier, Chef von Jung, DMS & Cie., bestätigt, dass auch sein Pool betroffen ist, betont aber: „Die Entscheidung des HDI hat nichts mit JDC zu tun und eigentlich auch nichts mit den Pools. Der Vertriebskanal Pools ist aber sehr erfolgreich und wächst stark, damit kann man mit einem Abschneiden der wenigen großen Pools die Blutung schnell stoppen. Ob dies langfristig die richtige Strategie ist, wird sich zeigen, denn Makler haben ein langes Gedächtnis.“

Die Entscheidung des HDI hat nichts mit JDC zu tun und eigentlich auch nichts mit den Pools.
Sebastian Grabmaier Jung, DMS & Cie.

Dennoch: „Erfolgreich“ misst sich eben nicht nur an der Masse des Geschäfts, sondern an dessen gesamter Profitabilität. Und hier schmälert die vergleichsweise hohe Provision im Maklermarkt oder auch auf Vergleichsplattformen den Deckungsbeitrag, der bei knapp kalkulierten Tarifen schnell ins Negative rutscht. Eine überdurchschnittlich schlechte Schadenkostenquote, des an den HDI vermittelten Kfz-Geschäfts, an der man die Entscheidung hätte festmachen können, kann Grabmaier indes nicht bestätigen.

Hersteller als Kostentreiber

Fakt ist, die Versicherer kämpfen – in der gesamten Sachsparte – mit steigenden Schadenvolumina. Naturgefahren sorgen dabei jährlich für Kfz-Schäden von rund einer Milliarde Euro. Das ist aber schon seit ein paar Jahren der Durchschnitt und daher nicht der Hauptgrund für die wachsenden Probleme der Kfz-Versicherer. Vielmehr hat man die Automobilhersteller als Kostentreiber ausgemacht. Denn während in den vergangenen zehn Jahren die Inflation um 28 Prozent anstieg, verteuerten sich Ersatzteile um mehr als 70 Prozent, einige Bauteile sogar um fast 100 Prozent. Auch die Werkstätten langen, laut Auswertung des GDV, immer stärker zu: Hier stiegen die Kosten zwischen 2017 und 2022 um rund 30 Prozent, während die Inflation lediglich 14 Prozent betrug. Die Versicherer müssen die höheren Kosten bei der Schadenregulierung tatenlos hinnehmen. Die gezahlten Leistungen im Kfz-Bereich übersprangen in 2023 erstmals die Marke von 30 Milliarden Euro. Ein Anstieg von über 15 Prozent im Vergleich Vorjahr.

Aussicht auf Besserung besteht hier kaum. Die Automobilhersteller werden auf diesen Profit nicht mehr verzichten, stattdessen auf den Designschutz verweisen, der ihnen ihr Monopol weiterhin sichert. Das Designgesetz besagt, dass alle sichtbaren Karosserieteile nur durch Originalteile ersetzt werden dürfen. Das macht auch einfachste Schäden unnötig teuer. Ebenso die komplexere Technik. Selbst bei kleineren Zusammenstößen sind meist Sensoren, Kameras oder Assistenzsysteme betroffen – reine Blechschäden gibt es kaum noch. Hinzu kommt der Trend zu Großgussteilen. Tesla zeigt gerade, wie es per „Gigacasting“ seine E-Fahrzeuge aus möglichst wenigen, großen Modulen fertigt. Das senkt zwar die Produktionskosten, im Schadenfall müssen dann aber ganze Fronten etc. getauscht werden. Ein weiterer Kostentreiber, den die Versicherer letztlich mit schultern müssen.

Ebenso wie die steigenden Autodiebstähle. Erst Mitte September wurde der aktuelle Diebstahlreport des GDV veröffentlicht: Mit 312 Millionen Euro stieg der Gesamtschaden in 2023 durch Kfz-Diebstähle um 25 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Diese Entwicklung muss das zukünftige Prämienniveau ebenfalls mit auffangen.

Hausgemachte Probleme

Die Versicherer haben aber auch ihren Anteil an der Krise. Seit jeher ist die Kfz-Sparte die Locksparte, um schnell zu wachsen und den Kunden ins eigene Haus zu holen. Und wenn große Anbieter wie HUK24, Allianz direct oder auch seinerzeit Wefox mit seinem Kfz-Switchtarif, mit Kampfpreisen in den Markt gehen (können), setzt das den gesamten Wettbewerb unter Druck. Mit Aussicht auf Folgegeschäft kalkuliert der eine oder andere Versicherer dann zu scharf. Stattdessen holt man sich oft „schlechte Risiken“ ins Haus, wie auch Oliver Gaedeke, Geschäftsführer vom Sirius Campus Institut, weiß: „Es wird häufig unterschätzt, wie schnell gerade die wechselaffinen Kundentypen wieder weg.“

,Optimierer‘ haben überdurchschnittlich häufig Schäden und tendieren von den vier Kundentypen am meisten zum Versicherungsbetrug.
Oliver Gaedeke Sirius Campus Institut

Sein Institut untersuchte die Wechselaktivitäten im Kfz-Markt, differenziert nach den Kundentypen „Eigenständige“, „Optimierer“, „Vorsichtige“ und „Partner“. Insgesamt sind 74 Prozent der Anbieterwechsler den Optimierern und Eigenständigen zuzuordnen. Diese Zielgruppe bringt aber weder große Treue noch gutes Geschäft mit. „,Eigenständige‘ wechseln schnell wieder zu einem anderen Anbieter, wenn sich ihre Prämie nur geringfügig ändert. ,Optimierer‘ haben hingegen überdurchschnittlich häufig Schäden und tendieren von den vier Kundentypen am meisten zum Versicherungsbetrug“, berichtet Gaedeke. Positive Deckungsbeiträge sind mit wechselaffinen Kfz-Kunden also kaum zu erzielen.

Wenig hilfreich ist auch die historisch gewachsene Wechselsaison, die durch die buchhalterische Vereinheitlichung auf den 1.1. als Vertragsbeginn, die gesamte Aufmerksamkeit auf den Wechselmonat November bündelte. Ein unterjähriger Turnus, wie in anderen Sparten auch, könnte den Wechselimpuls reduzieren. Einige Anbieter sind bereits dazu übergegangen.

Aufklärung statt Prämienjagd

Der Markt hat nun eben jene Wechselsaison vor der Brust, die mit deutlichen Beitragserhöhungen aufwarten wird. Das liefert Chancen beim Tarifvergleich, insbesondere aber, um Kunden über die Zusammenhänge und Hintergründe der aktuellen Entwicklungen aufzuklären.

Die Titelstory der aktuellen Printausgabe 05/24 der procontra, beschäftigte sich intensiv mit dem Zustand der Kfz-Versicherer. Erfahren Sie darin weitere Faktoren, die die Anbieter unter Druck setzen (z.B. Beschwerdestatistik, E-Mobilität als Kostentreiber). Die Ausgabe erscheint am 4. Oktober.