Urteil

Unfallversicherung: Leistungsausschluss greift auch bei psychischen Erkrankungen

Unfälle infolge von Bewusstseinsstörungen sind vom Versicherungsschutz der privaten Unfallversicherung in der Regel ausgenommen. Doch gilt dies auch bei Depressionen? Ein Fall für das Karlsruher Oberlandesgericht.

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14:05 Uhr | 29. Mai | 2024
Unfallversicherung

Unfälle in Folge von Bewusstseins- und Geistesstörungen sind vom Schutz der privaten Unfallversicherung meist ausgeschlossen. Aber gilt dieser Ausschluss auch für psychische Erkrankungen?

| Quelle: gorodenkoff

Unfälle durch Bewusstseinsstörungen sind vom Schutz einer Unfallversicherung meist ausgeschlossen. Doch fallen auch Angststörungen und Depressionen unter diesen Ausschluss? Mit dieser Frage hatte sich jüngst das Karlsruher Oberlandesgericht (Az: 12 U 175/23, Urteil vom 16. Mai 2024) zu befassen.

Eine Mutter hatte für Ihren heute 21-jährigen Sohn eine Unfallversicherung abgeschlossen. Diese enthielt den folgenden Leistungsausschluss:

„Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.“

Versicherer lehnt Leistung ab

Den Sohn quälten eine Angststörung sowie Depressionen. Im Alter von 15 Jahren sprang er aus dem Fenster seines Zimmers und zog sich dabei schwere Verletzungen an beiden Beinen und der Wirbelsäule zu. Die Forderung der Mutter auf eine Invaliditätsleistung in Höhe von 36.200 Euro lehnte der Unfallversicherer jedoch ab: Es fehle schlicht an der Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses.

Der Fall landete vor Gericht: Die Mutter des Jungen argumentierte, dass ihr Sohn aufgrund seiner psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt des Suizidversuchs einem Zwang unterlegen habe. Folglich habe er nicht frei handeln können. Vor dem Landgericht Baden-Baden scheiterte sie hiermit jedoch, da das Gericht auf den oben erwähnten Leistungsausschluss verwies: Da der Junge einem Zwang unterlegen habe, habe eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung im Rahmen der Versicherungsbedingungen vorgelegen. 

Dies sah die Mutter jedoch anders: Das Landgericht habe ihrer Meinung nach den Inhalt besagter Klausel falsch erfasst. So setze eine den Anspruch ausschließende Geistes- oder Bewusstseinsstörung nach der Rechtsprechung ein Wahrnehmungsdefizit voraus. Dies habe bei ihrem Sohn aber nicht vorgelegen, er habe seine Umwelt zutreffend wahrgenommen.

Kein Wahrnehmungsdefizit notwendig

Mit ihrer Berufung scheitere sie nun aber vor dem Karlsruher Oberlandesgericht. Dieses stellte fest, dass ein Wahrnehmungsdefizit keine Voraussetzung für den Leistungsausschluss des Unfallversicherers sei. Es sei ausreichend, so das OLG, dass der Junge zum Unfallzeitpunkt nicht in der Lage gewesen war, Sinneseindrücke geistig zu verarbeiten und angemessen auf diese zu reagieren.

Weiter führte das OLG aus, dass der Leistungsausschluss nicht nur Bewusstseins-, sondern auch Geistesstörungen der versicherten Person umfasse. Der Ausdruck der Geistesstörung erfasst aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers gerade Zustände wie Geisteskrankheit, seelische Störungen und Psychosen, in denen die versicherte Person nicht in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit gestört ist, sondern in denen sie nicht in der Lage ist, ihre Handlungen rational zu steuern.

Auch der für den Versicherungsnehmer ersichtliche Zweck der Klausel, vom Versicherungsschutz solche Unfälle auszunehmen, die sich als Folge einer bereits vor dem Unfall bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung darstellen, spreche dafür, auch Fälle einer psychischen Erkrankung, die die Wahrnehmungsfähigkeit selbst unangetastet lässt, vom Versicherungsschutz auszuschließen.

Der Unfallversicherer muss folglich nicht leisten.