Nürnberger Versicherung

Sach-Vorständin Kaaz: „Wir werden jetzt notwendige Preiserhöhungen aufholen“

Die neue Sach-Vorständin Christine Kaaz soll die Nürnberger Versicherung zurück in die schwarzen Zahlen bringen. Welche Rollen dabei Risikoselektion, Beitragserhöhungen und Maklervertrieb spielen, verriet sie procontra im Exklusiv-Interview.

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13:10 Uhr | 18. Oktober | 2024
Christine Kaaz und Florian Burghardt

Sprachen am Rande des Insurance Meeting Nordbayern (InsureMe) in Nürnberg miteinander: Christine Kaaz, Vorstandssprecherin der Nürnberger Allgemeine Versicherungs-AG und procontra-Redakteur Florian Burghardt.

| Quelle: procontra

procontra: Bei der Nürnberger erwartet man anscheinend sehr viel von Ihnen. Wie lauten denn konkret Ihre Ziele als neue Vorstandschefin des Schadenversicherers?

Christine Kaaz: Die Nürnberger hat ein hohes Ambitionsniveau – da passen wir gut zusammen. Das Ziel für die Schaden- und Unfallversicherung ist, so schnell wie möglich wieder profitabel zu werden. Mit dem Portfolio, mit dem wir dann wieder nachhaltig wachsen können, richten wir uns in Richtung Präventionsversicherer im Schaden- und Unfallsegment aus.

procontra: Was heißt das denn genau?

Kaaz: Dazu gehören einfache Maßnahmen der Risikoprävention, die wir aus dem Industriegeschäft kennen und die wir kleineren Unternehmen und Privatkunden zur Verfügung stellen werden. Zum Präventionsversicherer gehört auch die Fokussierung auf Zielgruppen, die besondere Schutzbedürfnisse haben. Zum Beispiel haben Apotheker andere Risiken als Autohäuser oder Hausbesitzer in einer Flutzone. Eine spezielle Zielgruppe mit ihren speziellen Risiken zu schützen, das erfordert einen ganzheitlichen Ansatz in Vertrieb, Produkt und Pricing, den wir für ausgewählte Zielgruppen entwickeln.

procontra: Für die Wohngebäudeversicherung kam kürzlich die Idee auf, die Instandhaltungspflichten für Hauseigentümer zu konkretisieren. Damit könnten Schäden vermieden werden und die Versicherer bei Nichteinhaltung öfter leistungsfrei sein. Was halten Sie von dieser Sanierungsidee?

Kaaz: Hier würde ich stark zwischen Privatkunden und gewerblichen Hauseigentümern unterscheiden. Wer beispielsweise mehrere Wohnblocks besitzt, hat in der Regel Zugang zu professionellem Gebäudemanagement. Das honorieren wir natürlich und unterscheiden deutlich zwischen Kunden, die das Thema Instandhaltung ernst nehmen und denen, die mit weniger Elan vorsorgen. Für private Hausbesitzer ist das Thema Instandhaltung oft kompliziert. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir als Nürnberger unsere Kunden bei der Instandhaltung beraten oder unterstützen, statt Pflichten zu vereinbaren, denen der eine Hausbesitzer vielleicht gut nachkommen kann, der andere nicht.

Wir fokussieren uns mit unseren Maklerpartnern jetzt auf den Sanierungskurs und den Verkauf unserer neuesten und besten Produktgeneration.
Christine Kaaz

procontra: Die Nürnberger hatte sowohl ihre Gewinnerwartung für 2023 reduziert als auch im Sommer die für 2024 komplett gestrichen. Als Hauptgründe wurden in beiden Fällen außergewöhnlich hohe Elementarschadenereignisse sowie stark gestiegene Kfz-Schadenkosten als Ursachen genannt. Klimawandel und Inflation also – wie wollen Sie diese zwei Riesenbrocken in den Griff bekommen?

Kaaz: Kein Versicherer kann Inflation und Klimawandel kontrollieren – aber wir holen jetzt auf, was wir an deswegen notwendigen Preiserhöhungen im Vergleich zum Wettbewerb aufholen müssen. Zudem werden wir unser Produktmanagement und Underwriting stringent auf diese Trends ausrichten. Das bedeutet konkret: Jeder Kunde muss einen angemessenen Preis bezahlen – angemessen im Sinne des Risikos des Kunden, nicht allein gemessen an seiner zum Teil zufälligen Schadenhistorie. Wir schauen mit jedem Kunden in die Zukunft.

procontra: Ihr Vorstandskollege Jürgen Voss hatte kürzlich schon einige Maßnahmen genannt: Risiken vermehrt mit anderen Versicherern teilen, verstärkt die Rückversicherung nutzen, sich von unprofitablem Geschäft trennen und KI-Datenanalyse für Preisfindung und Deckungsprüfung nutzen. Was davon sehen Sie als größten Hebel für die Gesundung des Schadengeschäfts und welche dieser Maßnahmen werden Sie bei der Nürnberger forcieren?

Kaaz: Im Sinne der Versichertengemeinschaft der Nürnberger schauen wir uns derzeit jeden Kunden, jeden Vertrag an. Um weiterhin der verlässliche und stabile Partner zu bleiben, müssen wir konsequent handeln. Das wird unter anderem dazu führen, dass wir uns, auch zum Wohle der Versichertengemeinschaft, von stark schadenbelasteten Verträgen oder stark untertarifierten Verträgen trennen müssen. Dazu nutzen wir die laufende Umstellung auf unser neues Kernsystem. Dieses System hat unsere besten und aktuellsten Produkte, die, soweit verfügbar, allen Kunden angeboten werden. Mit unseren Rückversicherungspartnern arbeiten wir eng an einer gemeinsamen Einschätzung von Großrisiken und Risiken aus dem Klimawandel – auch um unsere Kunden optimal mit Deckungen zu versorgen.

procontra: Mit welchen Risiken brauchen Makler bei Ihnen jetzt erst einmal gar nicht ankommen?

Kaaz: Wir fokussieren uns mit unseren Maklerpartnern jetzt auf den Sanierungskurs und den Verkauf unserer neuesten und besten Produktgeneration. Deshalb arbeiten wir mit ihnen nicht an Wachstumsinitiativen. Dabei betrachten wir jede Maklerbeziehung individuell. Mit diesem partnerschaftlichen Ansatz überbrücken wir die Sanierungsphase, damit bald bessere Zeiten vor uns liegen – in denen wir mit unseren Maklerpartnern wieder auf einen profitablen Wachstumskurs einschwenken.