Wo sind über 700.000 Policen hin?

Die Vertragsbestände der Versicherungsunternehmen schwanken naturgemäß Jahr für Jahr. Gerade bei den großen Unternehmen, die in den einzelnen Sparten Vertragszahlen im Millionenbereich halten, liegen Zuwächse aber auch Verluste von ein paar tausend oder sogar zehntausend Policen im Normalbereich. Dass die Ergo Versicherung AG im Geschäftsjahr 2021 allein in der Haftpflichtversicherung 359.881 Verträge unter dem Vorjahr abschloss, war dann aber doch etwas ungewöhnlich. Immerhin büßten die Düsseldorfer damit auf einen Schlag knapp ein Fünftel ihres Haftpflichtbestands ein.

Als „Erklärung“ für diesen kräftigen Rückgang war im zugehörigen Geschäftsbericht nur zu lesen, dass insbesondere die Haftpflichtversicherung Rückgänge bei den Vertragszahlen verzeichnete. Wer sich weiter durch das 98-seitige Dokument klickt, findet außerdem einen ähnlich großen Rückgang bei den sonstigen Sachversicherungen: Von 969.614 auf 608.542 (-361.072 beziehungsweise 37,2 Prozent) ging der Vertragsbestand hier in 2021 zurück. Besteht da ein Zusammenhang?

„Es handelt sich bei den Policen überwiegend um Risiken, die sich im United Kingdom befinden. Die Policen befanden sich bis zum Brexit im Portfolio der UK-Niederlassung der Ergo Versicherung AG. Nach dem Brexit war dies im Geschäftsmodell der Niederlassung nicht mehr möglich“, erklärte eine Ergo-Sprecherin auf procontra-Nachfrage.

Um die Verträge nicht kündigen zu müssen, sei die UK-Niederlassung der Ergo in einen Managing General Agent (MGA), also einen Assekuradeur überführt worden. Zu finden sind sie nun in den Beständen der Great Lakes Insurance SE, die wie die Ergo Group als Erstversicherer dem Munich-Re-Konzern angehört. Die Ergo Versicherung AG wiederum übernimmt für die Policen seitdem die Rückversicherung und erzielt daraus einen Teil ihres Rückversicherungsergebnisses, so die Sprecherin. Im Rahmen dieser Umverteilung habe man die Policen auch überwiegend im Konzern behalten können.