Wohngebäudeversicherer wollen Kunden vorerst keine neuen Pflichten aufhalsen
Die Wohngebäudeversicherer haben bekanntlich ein Kostenproblem. Die Preise für Materialien und Handwerker sind stark gestiegen und die Achillesferse Leitungswasser, speziell bei älteren Häusern, produziert immer weiter Schäden. Deutlich besser könnte es laufen, wenn die Hauseigentümer regelmäßig zum Beispiel Kamerabefahrungen ihrer Ableitungsrohre, E-Checks der elektrischen Leitungen und Überprüfungen der Dächer durchführen lassen würden, findet der Sachversicherungsspezialist Achim Finke vom Assekuradeur con4b. Solche Instandhaltungsmaßnahmen sollten aus seiner Sicht konkret und verpflichtend in die Versicherungsbedingungen aufgenommen werden beziehungsweise glaubt er, dass die Versicherer in Zukunft gar nicht mehr daran vorbeikommen werden. Denn so ließen sich Schäden durch Präventionshandlungen vermeiden und die Versicherer könnten bei Nichterfüllung der Pflichten durch die Versicherungsnehmer leistungsfrei sein.
Aber sehen das auch die Wohngebäudeversicherer so und haben sie entsprechende Pläne? Dazu fragte procontra bei einigen der größten sowie unter Maklern beliebtesten Anbietern nach. Die Allianz, mit rund 13 Prozent Marktanteil nach Prämieneinnahmen Deutschlands größter Wohngebäudeversicherer, gibt sich überzeugt, dass die Formulierung ihrer Bedingungen den Kunden einerseits passenden Schutz bietet, diese aber gleichzeitig zu verantwortungsvollem Umgang mit ihrer versicherten Immobilie anhält. „In den meisten Fällen müssen Kundinnen und Kunden eine Rückstauklappe installieren beziehungsweise entsprechend warten. Tritt ein Schaden aufgrund der fehlenden Wartung auf, kann das Versicherungsunternehmen die Entschädigung ganz oder teilweise kürzen“, erklärt eine Allianz-Sprecherin beispielhaft.
Zwar handelt es sich bei der Rückstauklappe um ein konkretes Beispiel. Finke jedoch ist der Ansicht, dass die Bedingungen vieler Wohngebäudeversicherer gar keine oder nicht genug solcher konkret formulierten Instandhaltungspflichten enthalten. In der Folge würde der Versicherer vor Gericht unterliegen und zur Leistung verpflichtet sein.
Plausibel, aber unwahrscheinlich
Diesen Eindruck bestätigt indirekt auch die Provinzial (zweitgrößter Anbieter mit knapp neun Prozent Marktanteil). „Die von Herrn Finke angesprochenen Beispiele klingen zwar plausibel, müssten jedoch in den Versicherungsbedingungen detailliert ausformuliert und in Verkaufsgesprächen entsprechend umfangreich beraten werden“, sagte ein Sprecher gegenüber procontra. Jedoch würden die Wohngebäudebedingungen auch bereits konkrete Sicherheitsvorschriften sowie die Einhaltung behördlicher Vorgaben enthalten, die auch die Instandhaltung der Gebäude betreffen. Nicht zuletzt habe es jeder Versicherer über sein Annahme- und Sanierungssystem selbst in der Hand, welche Risiken er zeichne beziehungsweise behalte. Deshalb sieht man bei der Provinzial aktuell noch keine wesentlichen Bedingungsverschärfungen kommen.
Dieser Meinung ist man auch bei der R+V (drittgrößter Anbieter mit rund sechs Prozent Marktanteil). Dies begründet der Versicherer damit, dass die eigenen Wohngebäudebedingungen an die aktuellen GDV-Musterbedingungen angelehnt sind. Auf das Verbandsmuster verweist auch die Axa (3. Platz Maklers Lieblinge Wohngebäude 2023). Eine geplante Verschärfung sei hier nicht bekannt. Dies bestätigt eine Sprecherin des GDV, sagte aber auch, dass Anpassungen der Musterbedingungen nicht von langer Hand geplant werden, sondern dann erfolgen, „wenn sich Themen am Markt etabliert haben.“
Aus praktischer Sicht wirft man bei der Axa zudem die Frage auf, wie die genannten Instandhaltungsmaßnahmen angesichts der angespannten Lage bei Verfügbarkeiten von Handwerksbetrieben und einer hohen Anzahl an Gebäuden umgesetzt werden könnten. Zumal es sich bei Maßnahmen wie E-Checks und Co. um kleinere Aufträge handle, für die viele Betriebe derzeit kaum Kapazitäten hätten.
Lieber freiwillig und mit Anreiz
Ein anderes Modell fährt der Assekuradeur Domcura – seit mehreren Jahren Maklers Liebling in der Wohngebäudeversicherung. Dessen Vorstandschef, Uwe Schumacher, sagte gegenüber procontra, dass der Prävention zwar eine Schlüsselrolle zukomme, diese aber weiterhin freiwillig erfolgen müsse. „Grundsätzlich sehen wir es weniger als Aufgabe der Versicherer, den Kunden Vorschriften zu erteilen als vielmehr positive Anreize zu setzen und den Kunden zu Instandhaltungsmaßnahmen zu motivieren“, so Schumacher. Deshalb belohne der Assekuradeur seine Kunden mit Prämiennachlässen für eigenverantwortlich durchgeführte Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Der Domcura-Chef habe aber auch Verständnis dafür, dass man gegebenenfalls verbindlichere Vorgaben machen müsse, sofern die freiwilligen Maßnahmen nicht ausreichen würden, um die Schadenquoten in einem stabilen Rahmen zu halten.
Für komplett unrealistisch hält man Finkes Prognose in der Branche also nicht. Es erscheint eher so, als handelt es sich dabei um ein mögliches unschönes Zukunftsszenario, das sich durch eine Mischung aus Freiwilligkeit und Anreizen aber noch ins Positive kehren lässt.