Offene Immobilienfonds

„Die Renditen werden ins Negative drehen“

Offene Immobilienfonds durchlaufen eine schwierige Phase. Wie gehen Fondsmanager damit um? Was können Anleger erwarten? Marktbeobachterin Sonja Knorr von Scope Fund Analysis gibt Antworten.

10:07 Uhr | 17. Juli | 2024
Sonja Knorr gibt einen Ausblick auf offene Immobilienfonds

Sonja Knorr ist Leiterin des Bereichs alternative Investmentfonds bei dem Research- und Rating-Anbieter Scope Fund Analysis.

| Quelle: Scope Fund Analysis

procontra: Im vergangenen Jahr sind die Zuflüsse an Geldern in offene Immobilienfonds deutlich gesunken. Für 2024 erwartet Scope erstmals seit mehr als 15 Jahren Nettomittelabflüsse, mit dem Höhepunkt im dritten Quartal. Was sind die maßgeblichen Gründe?

Sonja Knorr: Die Mittelabflüsse sind vor allem in der Zinsentwicklung begründet. Wir haben mit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 stark steigende Zinsen gesehen, was dazu geführt hat, dass die Verzinsung alternativer Kapitalanlagen deutlich gestiegen ist. Die Wettbewerbsfähigkeit offener Immobilienfonds hat in der Folge gelitten. Im vergangenen Jahr haben wir einen Einbruch an den Transaktionsmärkten gesehen, die Preise für Immobilien sind deutlich gesunken. Dazu kommt, dass sich mit der Coronakrise das gesamte Arbeiten verändert hat, Stichwort Homeoffice. Daraus ergeben sich steigende Risiken bei Büroimmobilien.

procontra: 2024 sollten die Fonds die Rückgaben von Fondsanteilen bedienen können, meint Scope. Darüber hinaus seien Rücknahmeaussetzungen einzelner Fonds jedoch nicht auszuschließen. Für wie wahrscheinlich halten Sie dieses Szenario?

Knorr: Rückgaben haben die Fonds immer, das ist nichts Besonderes. In den Jahren vor dem Zinsanstieg wurde dies aber stark überkompensiert mit neu zufließenden Geldern. Das hat sich nun gedreht. Die Mittelabflüsse stehen jetzt ohne ausgleichende oder überkompensierende Zuflüsse da. Fonds mit Anlegern, die vor Einführung des Kapitalanlagegesetzbuches 2013 investiert haben, können und müssen bei Bedarf Anteile mit sofortiger Wirkung bis zu 30.000 Euro pro Halbjahr und Anleger auszahlen. Für Anleger, die nach Einführung des KAGB in einen bestehenden oder neu aufgelegten Fonds investiert haben, gilt eine zwölfmonatige Kündigungsfrist und eine zweijährige Mindesthaltedauer. Das macht mögliche Mittelabflüsse ein Stück weit planbarer. Dennoch wissen wir, dass an Immobilienmärkten auch zwölf Monate für Verkäufe von Objekten zur Liquiditätsbeschaffung sportlich sein können. Einige Fonds sind darauf angewiesen, dass dies klappt und sie so rechtzeitig Gelder zurückgeben können. Die Situation wurde zuletzt durch die signifikante Abwertung des Wohnimmobilienfonds UniImmo Wohnen ZBI verschärft.

procontra: Rechnen Sie in der Folge mit weiteren Abwertungen?

Knorr: Aufgrund des besonderen Zeitraums des Portfolioaufbaus, des vergleichsweise niedrigen Anteils junger Immobilien und der unterdurchschnittlichen Vermietungsquote stellt die deutliche Abwertung des UniImmo Wohnen ZBI eine Sondersituation dar. Abwertungen in gleicher Größenordnung bei den Schwergewichten der Immobilienfondsbranche aus dem Gewebeimmobilienbereich halten wir aus aktueller Sicht für unwahrscheinlich.

procontra: Was wäre beispielhaft eine Situation, in der ein Fonds Rückzahlungen nicht fristgerecht leisten kann?

Knorr: Eine solche Situation wäre zum Beispiel: Ein Fonds, aufgelegt nach KAGB, hat Anteilscheinkündigungen, die er zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Volumen bedienen muss. Der Kreditrahmen wäre ausgeschöpft. Ein Fondsmanager hat dann noch die Möglichkeit, Darlehen in Höhe von zehn Prozent des Fondsvermögens zur kurzfristigen Liquiditätssicherung aufzunehmen. Bei einigen Fonds sind selbst unter Berücksichtigung dieser Maßnahme Objektverkäufe notwendig, um das Rückgabeverlangen der Anleger bedienen zu können. Objekte befinden sich somit im Verkaufsprozess. Die Verkäufe müssen rechtzeitig und in notwendiger Höhe erfolgen, um die Rückzahlung an die Anleger umsetzen zu können. Wenn dies nicht gelingt, muss der Fondsmanager die Rücknahme der Anteile aussetzen, also den Fonds temporär für Rückgaben schließen.

Es existieren auch Objekte, die noch aufgewertet werden. Im Saldo sehen wir allerdings, dass die Wertänderungsrenditen ins Negative drehen werden.
Sonja Knorr

procontra: Die Jahresrendite der untersuchten Fonds ist zum Ende April im Durchschnitt auf 0,5 Prozent gesunken. Für 2024 erwartet Scope im Mittel leicht negative Renditen, vor allem infolge von Wertkorrekturen in den Immobilienportfolios. Woraus resultieren die Wertverluste?

Knorr: Das hängt mit der allgemeinen Marktentwicklung zusammen. Insbesondere Immobilien, die in der Höchstpreisphase von etwa 2019 bis 2022 angekauft wurden, haben ein deutliches Rückschlagpotenzial bei der Bewertung. Außerdem gibt es Objekte, die problematisch aufgestellt sind. Etwa wenn Mietverträge auslaufen oder es Insolvenzen von Mietern gibt, was sich negativ auf die Bewertung auswirkt. Es existieren auch Objekte, die noch aufgewertet werden. Im Saldo sehen wir allerdings, dass die Wertänderungsrenditen ins Negative drehen werden. Dies wird durch die gestiegene Rendite aus einer höheren Verzinsung liquider Mittel nicht ausgeglichen.

procontra: Die Vermietungsquote liegt auf einem soliden Niveau und dürfte 2024 lediglich leicht zurückgehen, meint Scope. Für Büroimmobilien in den USA seien die Herausforderungen allerdings stark gestiegen. Was sind diese Herausforderungen?

Knorr: Büroimmobilien in den USA haben hohe Leerstände, insbesondere an der Westküste. Sie spüren die Auswirkungen vom Trend zum Homeoffice und Problematiken in den Innenstädten, was die Sicherheitslage betrifft. Der gesamte US-Büroimmobilien-Leerstand ist im Durchschnitt mittlerweile bei 20 Prozent angekommen. Wenn es bei einem Objekt zum Beispiel einen großen bonitätsstarken Hauptmieter gibt, der für die nächsten zehn Jahre den Mietvertrag verlängert hat, ist dieses Risiko erst einmal gebannt. Wenn es aber einen größeren Vertrag gibt, der bald ausläuft oder Mieter bereits ausgezogen sind, kann der Leerstand steigen und es müssen gegebenenfalls deutlich geringere Mieten bei der Nachvermietung akzeptiert werden.

procontra: Kann man bei Büroimmobilien in den USA also von einem Gefälle zwischen West und Ost sprechen?

Knorr: Wenn man es grob betrachtet, ja. Man muss jedoch jede Stadt einzeln anschauen. Insbesondere wenn man Richtung Südosten kommt, sind die Büromärkte oft deutlich solider aufgestellt. Oftmals ist dies in eher konservativ geprägten Staaten der Fall, wo zum Beispiel Obdachlosigkeit und Kriminalität in den Innenstädten geringer sind als in Städten wie San Francisco und Los Angeles.

procontra: Bei Immobilien in B-Lagen und Gebäuden, die unter Nachhaltigkeitsaspekten schlecht positioniert sind, rechnet Scope im gesamten Markt ebenfalls mit sinkenden Vermietungsquoten. Wie gehen die Fonds damit um?

Knorr: Im Office-Bereich sind solche Immobilien zunehmend schwierig zu vermieten. Es kommt jedoch wie in allen Bereichen auf die Betrachtung der einzelnen Objekte an. Aber die meisten Fonds sind überwiegend in sogenannten Core-Immobilien investiert, in hochwertigen Immobilien in erstklassigen Lagen. Die Fondsmanager haben in letzter Zeit zudem Projektentwicklungen angekauft. Das sind die Objekte, die aufgrund ihrer guten ESG-Positionierung und ihrer Flexibilität eine hohe Nachfrage und oft sogar neue Spitzenmieten generieren können. Immobilien, die diese Nachfrage bedienen können und über gute Lagen verfügen, sind ein guter Baustein für zukunftsfähige Portfolios.

Die Möglichkeiten, in Anlagen aus dem Bereich erneuerbare Energie zu investieren, sind relativ breit. [...] Es dürfte sich aber vorwiegend auf den Bereich Solar fokussieren.
Sonja Knorr

procontra: Welche Bereiche können sich ebenfalls gut behaupten?

Knorr: Bezogen auf die Mieternachfrage funktionieren Logistik-Immobilien recht gut. Außerdem haben wir in Deutschland einen starken Druck auf den Wohnungsmärkten und daher kaum Leerstände. Die Mieternachfrage im Bereich Wohnen und darüber hinaus im Lebensmittel-Einzelhandel ist sehr solide, die Risiken sinkender Vermietungsquoten sind daher gering.

procontra: Offene Immobilienfonds können künftig bis zu 15 Prozent ihres Verkehrswertes oder Immobilienvermögens in Anlagen aus dem Bereich erneuerbare Energie investieren, was Scope als positiv bewertet. Das erhöhe die Risikostreuung und das Renditepotenzial. Mit welchen Anlagen außer Solar-Parks rechnen Sie?

Knorr: Die Möglichkeiten, in Anlagen aus dem Bereich erneuerbare Energie zu investieren, sind relativ breit. Das können beispielsweise auch Windkraftanlagen sein. Es dürfte sich aber vorwiegend auf den Bereich Solar fokussieren. Und dort nicht nur auf die sogenannte Freiflächenanlage, sondern auch auf Aufdach-Solaranlagen. Gerade bei Logistik-Immobilien kann sich so etwas aufgrund der großen Dachflächen besonders lohnen. Den Strom könnten die Gesellschaften zum Beispiel an eigene Mieter verkaufen, möglicherweise zu einem geringeren Preis als bei anderen Stromanbietern. Auch kann der produzierte grüne Strom direkt auf die versorgte Immobilie angerechnet werden, was für die CO2-Bilanz vorteilhaft sein kann. Das wäre eine ergänzende Möglichkeit, die CO2-Neutralität von Immobilien zu fördern.

procontra: Investitionen in Batterieanlagen als Stromspeicher wären ebenfalls möglich und lohnenswert?

Knorr: Dies wäre ebenfalls eine Möglichkeit, passenderweise in Kombination mit Solar-Investments. Es wäre sinnvoll, erneuerbare Energien in Kombination mit Speicherlösungen anzubieten, gerade wenn der Strom direkt vermarktet wird. Hier ist es generell sinnvoll, ganzheitlicher zu denken, um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen.

Es bleibt zu hoffen, dass auch hierzulande Lösungen geschaffen werden, um Unternehmen im Land zu halten und neue Ansiedlungen anzuziehen.
Sonja Knorr

procontra: Wie sieht der zeitliche Ablauf aus, ab wann diese Regelung gilt und angewandt werden kann

Knorr: Das zugehörige Gesetz zur Förderung von Investitionen von Fonds in erneuerbare Energien und Infrastruktur wird vermutlich nach der Sommerpause verabschiedet und könnte dann in diesem Jahr in Kraft treten. Es gibt einige Anbieter, die bereits in den Startlöchern stehen. Die ersten Investments könnten dann um den Jahreswechsel herum erfolgen.

procontra: Immer mehr Unternehmen wandern aus Deutschland ab oder verlagern wesentliche Geschäftsbereiche ins Ausland. Ausländische Investitionen in Deutschland gehen stark zurück. Dies dürfte sich auch auf offene Immobilienfonds auswirken. Wie gehen die Fondsmanager damit um?

Knorr: Das sind Entwicklungen, die gerade erst eingesetzt haben und unterschiedliche Branchen betreffen. Man muss darauf schauen, in welchen Bereichen es Abwanderungstendenzen gibt, wie die Mieterstrukturen aussehen und kann erst in der Folge einschätzen, wie die Fonds davon betroffen sein können. Vielfach betrifft es wegen der vergleichsweise hohen Energiepreise zuerst den Produktionssektor. In Industrieimmobilien sind offene Immobilienfonds jedoch nicht investiert. In der Folge können sich aber Logistikströme verändern und damit Lagen und Anforderungen an Lager- und Logistikimmobilien verändern. Wenn ein Unternehmen abwandert, ist immer die Frage, welcher Bedarf an dem neuen Standort entsteht. Für einen Fonds könnte es womöglich lohnend sein, perspektivisch in aufstrebende Standorte zu investieren. Es können also Risiken wie auch Chancen entstehen. Die USA haben es geschafft, zahlreiche Unternehmen ins Land zu holen und so ihre Wirtschaft zu stärken. Es bleibt zu hoffen, dass auch hierzulande Lösungen geschaffen werden, um Unternehmen im Land zu halten und neue Ansiedlungen anzuziehen.