Altersvorsorge: Nahles-Rente feiert ersten Durchbruch

Fast zwei Jahre haben die Verhandlungen gedauert, nun haben sich Zurich, Talanx und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf ein erstes Sozialpartnermodell verständigt. Über die Details berichteten die Partner auf einer Pressekonferenz. Nun beginnt die Suche nach Nachahmern.

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14:03 Uhr | 11. März | 2021
Durchbruch beim Sozialpartnermodell Bild: Pixabay/Tumisu

Verdi und die "Deutsche Betriebsrente" verkündeten beim Sozialpartnermodell jetzt einen ersten Durchbruch. Bild: Pixabay/Tumisu

Fast zwei Jahre hatten das aus den Versicherern Zurich und Talanx bestehende Konsortium „Die Deutsche Betriebsrente“ und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi über das erste Sozialpartnermodell in der betrieblichen Altersversorgung verhandelt, immer wieder war die Verabschiedung in die Zukunft vertagt worden. An diesem Mittwoch heißt es nun: Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen: Ab 1. Juli sollen Beschäftigten der Talanx-Gruppe die Möglichkeit bekommen, eine betriebliche Altersversorgung auf Grundlage einer Beitragszusage abzuschließen.  

Entsprechend groß schien die Erleichterung aller Beteiligten zu sein, als sie auf einer virtuellen Pressekonferenz das nun erzielte Ergebnis verkündeten, wohl bemüht dem Abschluss eine gewisse Bedeutungsschwere zu verleihen. Mit der erzielten Einigung habe man „rentenpolitisch Geschichte geschrieben“, verkündete Talanx-Vorstand Dr. Christopher Lohmann und sprach von einem „Meilenstein für die Altersvorsorge in Deutschland“. Lars Golatka, beim Konsortialpartner Zurich für die betriebliche Altersversorgung zuständig, schwärmte: „Diese Art bAV wird aus unserer Sicht ein wesentliches Standbein der Altersversorgung für kommende Generationen sein.“  

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg – erst einmal gilt das Angebot nur für die rund 11.000 Beschäftigten der Talanx-Gruppe. Diese haben ab Sommer die Möglichkeit, bei ihrer betrieblichen Altersversorgung auf Garantien zu verzichten, stattdessen gibt es von Seiten des Arbeitgebers nur noch die reine Beitragszusage. Statt eines festen Rentenversprechens erhalten die Arbeitnehmer nur noch eine Zielrente, also eine angestrebte Rentenhöhe.  

Dies soll dem Versicherer ermöglichen, das Vorsorgevermögen stärker kapitalmarktorientiert und somit mit Aussicht auf höhere Renditen zu investieren. Bei der „Deutschen Betriebsrente“ werden dabei 50 Prozent der Beiträge in Aktien investiert, die restlichen 50 Prozent in Rentenpapiere. Dies soll sich für den Arbeitnehmer deutlich bemerkbar machen: So sei die für die Talanx-Mitarbeiter vereinbarte Zielrente doppelt so hoch wie eine „normale“ Betriebsrente, die auf Garantien setze, rechnete Fabian von Löbbecke, bei der Talanx für die betriebliche Altersversorgung zuständig, vor.

Insgesamt kalkuliert die „Deutsche Betriebsrente“ mit einer Rendite von 3,85 Prozent. Bestätigt sieht man sich dabei vom bereits erzielten Ergebnis: Insgesamt 100 Millionen Euro hatten die beiden Konsortialpartner 2018 schon in ihren Fonds angelegt – aus diesen seien mittlerweile 120 Millionen Euro geworden, teilten die Unternehmen mit.

Neben den Arbeitnehmerbeiträgen aus der Entgeltumwandlung fließen auch die gesetzlichen Arbeitgeberzuschüsse in Höhe von 15 Prozent in den Aufbau der Versorgung ein. Zudem zahlen die Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer-Euro einen ergänzenden Sicherungsbeitrag, der dem Kollektiv als Sicherungspuffer dienen soll.  

Zusätzlich haben Verdi und „Die deutsche Betriebsrente“ eine Geringverdienerförderung in Höhe von 72 Euro pro Jahr vereinbart. Da Geringverdiener in der Versicherungswirtschaft verhältnismäßig selten zu finden sind, gelte diese Förderung auch für Teilzeitkräfte, teilte Talanx-Vorstand Jens Warkentin mit. Verdi-Mitglieder sollen zudem spezielle Konditionen erhalten. „Das Sozialpartnermodell ist nur mittels Tarifvertrag zu realisieren.  Tarifverträge gibt es aber nur, wenn sich Beschäftigte in Gewerkschaften organisieren“, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christian Schmitz. „Deshalb ist es ein wichtiges Signal, dass wir auf der Kostenseite für ver.di-Mitglieder einen  Rabattvorteil vereinbaren konnten, denn ohne die ver.di-Mitglieder bei der Talanx gäbe es diese neue betriebliche Altersvorsorge gar nicht."  

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Damit aus der nun erzielten Vereinbarung der verkündete Meilenstein werden kann, muss das Modell Nachahmer finden. Nachdem bereits Zurich-Vorstand Lars Golatka im procontra-Interview von weiteren Interessenten gesprochen hatte, wurde Gewerkschaftsvertreter Schmitz nun konkreter. So befände man sich derzeit in ersten Gesprächen mit dem Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes, andere Unternehmen, wie beispielsweise ein privates Energieunternehmen, hätten zudem Interesse bekundet.  

Ob allerdings in diesem Jahr noch mit einem weiteren Abschluss zu rechnen ist, darf nach Einschätzung von Schmitz bezweifelt werden. Generell zeigte man sich von Seiten der Gewerkschaft aber zufrieden mit dem vereinbarten Modell. „Zu den bewährten Durchführungswegen, die wir erhalten wollen, gesellt sich nun mit der Beitragszusage eine neue Variante, die trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase langfristig eine attraktive Rendite ermöglicht“, lobte Schmitz, der sich zugleich gegen „Zwangsmodelle“, wie die Deutschland-Rente oder die jüngst aus Reihen der FDP propagierte Aktien-Rente verwahrte. „Zwangsmodelle sind für uns keine Alternative“, so Schmitz.  

Damit das Sozialpartnermodell aber für Arbeitnehmer eine attraktive Alternative zur bestehenden bAV werde, komme es auf die Arbeitgeber an, mahnte Schmitz` Gewerkschaftskollegin Martina Grundler, bei Verdi Fachgruppenleiterin für den Bereich Finanzdienstleistungen: „Sozialpartnermodelle sind dann eine gute Ergänzung, wenn Arbeitgeber einen Beitrag leisten und diese nicht allein auf der Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers beruhen.“  

Einen ersten Eindruck über die Akzeptanz beim Kunden wird die Bereitschaft der Talanx-Mitarbeiter liefern, sich am Sozialpartnermodell zu beteiligen. Talanx-Vorstand Warkentin betonte, dass es sich um ein freiwilliges Modell handelte. Dennoch geht man davon aus, dass sich ein hohe vierstellige Anzahl der Mitarbeiter für das neue Angebot entscheiden werde.   

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