Barwerte: Warum sich manche ärmer fühlen als sie sind
Der Bürger kann sich in Finanzdingen am meisten auf sich selbst verlassen. Nur durch Eigeninitiative, unterstützt durch möglichst unabhängige Berater, lässt sich die Finanzplanung fürs Alter vernünftig angehen. „Spare für die Zeit im Alter, auch wenn es dafür keine Zinsen gibt“, rät Finanzanalytiker Volker Looman (procontra berichtete).
Mit dem Sparen und Absichern so früh wie möglich anzufangen, ist dabei schon fast eine Binsenweisheit. Das haben viele der Babyboomer getan, also der heutigen Generationen ab 50+. Dennoch jammern viele, dass sie trotz eigentlich guter privater Rücklagen kaum mehr als 1.000 Euro pro Monat im Rentenalter ausgeben können. Doch das ist in vielen Fällen ein Trugschluss, denn sie können sich in Wahrheit viel mehr leisten.
Barwerte gehören mit zum Vermögen
An dem Trugschluss sind auch unabhängige Berater nicht ganz unschuldig. Häufig berechnen sie die Versorgungslücke falsch und packen dann so viel wie möglich Produkte in die Vorsorge hinein, damit ihre Kunden im Alter mit zusätzlichem Vermögen dastehen. Manche vergessen aber – wie die meisten Kunden -, dass zum Vermögensstatus auch die Rentenansprüche gehören. Und die sollten nicht nur aus der aktuellen Renteninformation des gesetzlichen Rententrägers abgelesen werden, sondern gehören abgezinst mit der Lebenserwartung in den Statusbericht.
Wie das ganz einfach funktioniert, berichtete Looman vergangene Woche in seiner FAZ-Kolumne. Auch in seinem Beispiel ist mehr Geld vorhanden als dem Mittsechziger-Ehepaar bewusst war. Zwar nennen sie eine schuldenfreie Eigentumswohnung ihr Eigen und haben einige hunderttausend Euro auf dem Konto. Doch sie zweifeln, ob das reicht.
Dabei beziehen die beiden 65-Jährigen demnächst eine gesetzliche Altersrente und der Mann noch eine Betriebsrente. Rechnen wir etwas bescheidener als Looman bei seinen meist Bestverdiener-Beispielen und bedenken die 65 Jahre alte Frau im Monat mit 1.000 Euro Altersrente und ihren gleichaltrigen Mann mit 1.500 Euro netto. Hinzu kommt die monatliche Betriebsrente des Mannes in Höhe von 400 Euro – alles netto. Könnten Sie als Berater die Barwerte der Renten bestimmen? Klar, werden einige sagen. Andere kommen vielleicht ins Grübeln.
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BMF-Schreiben hilft bei der Barwertermittlung
Looman, der die Finanzmathematik aus dem Effeff beherrscht, hat einen einfachen Lesetipp parat. Er verweist auf das BMF-Schreiben mit dem Geschäftszeichen IV C 7 - S 3104/09/10001, das erst jüngst aktualisiert wurde. Dort stehen in einer Tabelle die Vervielfältiger zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Leistungen, die nach der im Oktober 2018 veröffentlichten Sterbetafel 2015/2017 des Statistischen Bundesamtes ermittelt wurden und seit 2019 gültig sind. Dabei wird der Barwert mit 5,5 Prozent Zinsen errechnet worden.
Ein kurzer Blick in die Tabelle genügt, um festzustellen, dass die beiden Rentner alles andere als arm dran sind. „Ausgangspunkt sind die Jahresrenten, die mit den jeweiligen Vervielfältigern in der Tabelle zu multiplizieren sind“, erklärt Looman auf Nachfrage von procontra.
Fazit
Das ist ein beträchtlicher finanzieller Vorsorge-Block, bei dem eigentlich kein Grund zum Jammern besteht. Und Berater sollten auf diese Vermögenswerte, die in Renten stecken, in der Vorsorgeberatung aufmerksam machen, und keinesfalls verschweigen oder klein rechnen.
Im Mittelpunkt besteht bekanntlich auch bei der Vorsorgeberatung das unmittelbare Interesse des Kunden. Oder um es mit Looman zu sagen: „Rechenfehler sind die besten Voraussetzungen, um vor lauter Angst schon bald ins Grab zu sinken, und das muss ja nun wirklich nicht sein.“
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