56 Prozent der Arbeitnehmer leisten Eigenbeiträge für ihre Betriebsrente, ergab kürzlich eine Umfrage des Risikoberaters Aon unter 1.000 Arbeitnehmern aus Unternehmen mit über 10.000 Beschäftigten (procontra berichtete). Der Gesetzgeber bietet seit 2018 eine höhere steuerliche Förderung von Eigenbeiträgen von bis zu 8,0 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (procontra berichtete). 84 Prozent der Arbeitnehmer sind bereit, zugunsten einer Altersversorgung auf Konsum zu verzichten.
Hauptmotiv für die Entgeltumwandlung ist, dass der Arbeitgeber etwas dazugibt, sagten 24 Prozent der Befragten. Der neue verpflichtende Arbeitgeberzuschuss für neue Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen seit 1. Januar könnte diese Motivation deutlich nach oben treiben (procontra berichtete).
Konkret: Der Chef ist verpflichtet, bei einer 2019 neu eingerichteten Entgeltumwandlung mindestens 15 Prozent des Umwandlungsbetrages als Zuschuss an die Versorgungseinrichtung (Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds) weiterzuleiten, soweit er selbst durch die Entgeltumwandlung SV-Beiträge spart. Für Entgeltumwandlungen im Bestand gilt diese Regelung erst ab 2022.
Abrechnung viel komplizierter als gewollt
Allerdings ist der Zuschuss im Detail alles andere als einfach. „Der Arbeitgeberzuschuss ist nicht Bestandteil der Entgeltumwandlung, sondern eine Arbeitgeberleistung, für die – wie für die Entgeltumwandlung auch – die sofortige gesetzliche Unverfallbarkeit gilt“, sagte Andre Cera, Aktuar und Bereichsleiter Altersversorgung, Vergütung & Controlling der Otto-Group Holding, dem Onlineportal LEITERbAV.de schon im November.
Und es wird noch komplizierter: „Die sofortige Unverfallbarkeit gilt nur für den Teil des Zuschusses, der aufgrund der Ersparnis von SV-Beiträgen gezahlt wird“, so Cera weiter. Der Arbeitgeber müsse den Zuschuss also in zwei Bestandteile aufteilen. Ein anderes Problem: Es kann jetzt zu Fehlzuschüssen kommen, da die tatsächliche Ersparnis aus den SV-Beiträgen erst immer zum Jahresende (oder unter Einhaltung der „Märzklausel“ Ende März) feststeht, der Zuschuss aber monatlich überwiesen wird. Die Softwarehäuser hätten dazu noch keine Lösungen parat.
„Statt der angestrebten einfachen Lösung drohen hohe Komplexität und Verunsicherung“, bekräftigte Cera jetzt gegenüber procontra. Das gelte allein für die Arbeitgeber, die neben dem Zuschuss auch die Organisation allein stemmen und bezahlen müssen. Bei der Umsetzung sei die Otto-Group schon deshalb methodisch schon weiter als andere Unternehmen, weil man bereits seit 2002 aufgrund einer tariflichen Regelung ein ähnliches Modell fährt – mit 10 Prozent Zuschuss, soweit der Arbeitgeber SV-Abgaben spart.
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Nur einmalige Zahlung möglich, aber monatlicher Zuschuss
Nun komme es aber laufend zu Problemen. „Unser Versicherer akzeptiert nur einen einmaligen Zuschuss im Jahr, während die Abrechnungssoftware nach BRSG bei monatlicher Umwandlung auch monatliche Zuschüsse zahlt“, berichtet der bAV-Experte. Das betreffe viele Versicherer. „Folglich müssen wir jetzt den Zuschuss für Neuabschlüsse außerhalb der bestehenden tariflichen Regelungen monatlich verrechnen und können ihn nicht, wie ursprünglich geplant, als Einmalbeitrag zusätzlich zahlen“, erklärt Cera.
Das bedeute, dass der Arbeitnehmer zwar bei der Einzahlung eine finanzielle Entlastung hat, die Altersversorgung sich aber nicht aufgrund des Zuschusses erhöht. Grund: Wenn der Versicherer keine zusätzlichen Beiträge annehmen kann oder will, bleibt nur die Verrechnung. Bei 100 Euro Umwandlungsbetrag sinkt der Beitrag des Mitarbeiters durch den 15-Prozent-Zuschuss auf 86,96 Euro. Die Altersleistung bleibt wegen des konstanten Beitrags von 100 Euro gleich. „Das ist umso ärgerlicher für alle Beteiligten, weil das das Problem bekannt war: In diversen tariflichen Regelungen ist vorgesehen, dass die Beitragsabführung einmalig erfolgt“, so Cera.
In der Otto-Group wird die SV-Ersparnis erst zum Ende des Jahres ermittelt, weil erst dann die im Kalenderjahr tatsächlich abgeführten Beiträge feststehen und somit die erzielte Ersparnis ermittelt werden kann. „Das ist bei den Softwarehäusern aber bisher nicht so vorgesehen“, kritisiert Cera. Der GKV-Spitzenverband scheine das monatliche Prozedere in Ordnung zu finden. Im Schreiben vom 21. November 2018 jedenfalls würden die praktischen Gegebenheiten für die Arbeitgeber weitgehend ignoriert.
Der Spitzenverband sieht bisher auch keine Veranlassung, die „arbeitsrechtlich zulässige“ und aus Arbeitgebersicht laut Cera gebotene Jahresbetrachtung vorzugeben. Ebenso sollen zusätzliche Sozialabgaben, die den Firmen durch den Arbeitgeberzuschuss entstehen, nicht mit der SV-Ersparnis aufgrund der Umwandlung verrechnet werden dürfen. Das werde bei vielen Arbeitgebern noch zu Verdruss führen, weil es ungerecht sei.
Spitze Abrechnung ist keine runde Sache
Ein anderer schwieriger und komplexer Punkt sei die „spitze Abrechnung“. Gemeint ist Entgeltumwandlung von Arbeitnehmern, deren Bruttoeinkommen zwischen der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung und der für die gesetzliche Rentenversicherung liegt. Hier kann der Arbeitgeber „spitz“ abrechnen, also die tatsächlich angefallenen Sozialabgaben berechnen.
In der Otto-Gruppe gibt es tarifgebundene und nicht gebundene Tochterfirmen sowie unterschiedliche tarifliche Regelungen. „Durch diese Konzernvielfalt ist reichlich an Abrechnungen beim Arbeitgeberzuschuss zu tun, doch unsere Abrechnungssoftware sieht noch nicht einmal die Limitierung der tatsächlichen SV-Ersparnis auf 15 Prozent vor“, berichtet Cera. Das müsse selbst programmiert werden.
Sein Zwischenfazit: „Da hat der Gesetzgeber nicht gerade ein Gesetz zur Vereinfachung und Entlastung geschaffen, das Lust auf mehr macht.“ Nahezu jeder verantwortungsbewusste Arbeitgeber versuche gerade der Lage Herr zu werden und alles bis zur nächsten Januar-Abrechnung korrekt umzusetzen. Die Firmen, die jetzt Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen umsetzen wollen, seien gut beraten, die Umsetzbarkeit mit allen beteiligten Parteien abzustimmen - vor allem mit dem Versicherer und dem Abrechner, aber auch dem Mitarbeiter, der den Zuschuss vielleicht doch „on-top“ und nicht verrechnet haben möchte.
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