BdV: "Die meisten Leben-Verträge werden gekündigt"
Der Bund der Versicherten (BdV) ist seit jeher umtriebig, wenn es um die Wahrung und Verbesserung von Kundenrechten geht. Dabei kämpfen die Verbraucherschützer an vielen Fronten, wie etwa gegen erfolgsabhängige Vergütungsmodelle in der PKV-Tarifwechselberatung oder auch gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Häufigster Sparringspartner des BdV bleibt aber die Lebensversicherung, was erst kürzlich mit lautstarker Kritik an den Renditen von Riester-Versicherungen untermauert wurde.
Heute setzten sich die Vorwürfe gegen die Lebensversicherer fort. Versicherungsprodukte würden sich, laut BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein, generell als ungeeignet für die Altersvorsorge erweisen. Beweis dafür sei die Stornoquote in dieser Sparte. Zwar ist diese in den letzten 10 Jahren konstant gesunken und lag zuletzt bei 2,6 Prozent – „was die Branche für gering hält und als Erfolg feiert“, so Kleinlein.
Vorzeitige Kündigung der Normalfall?
Doch im Umkehrschluss würde eine jährliche Stornoquote von 2,6 Prozent bedeuten, dass gerade bei Verträgen mit langen Laufzeiten die Mehrheit der Policen vor Vertragsende gekündigt wird. Das hat der BdV ausgerechnet und wirft dazu konkrete Zahlen in den Ring.
Beispielsweise würden von 100 Personen im Alter von 20 Jahren, die im Jahr 2019 eine Lebensversicherung abschließen, zu Rentenbeginn im Alter von 67 Jahren 70 ihren Vertrag gekündigt haben, wenn die durchschnittliche jährliche Stornoquote bei 2,6 Prozent liegt. Beim Vertragsschluss im Alter von 30 Jahren würden demzufolge 61 Personen ihre Police verfrüht aufgelöst haben, beim Einstiegsalter 40 immer noch 49 Prozent. Bei Verträgen mit einer Laufzeit von 28 Jahren oder länger habe sich demnach die Kündigung längst zum Normalfall entwickelt.
„Abschlussprovisionen müssen sinken“
„Die Ergebnisse unserer Berechnung zeigen, dass nur ein geringer Anteil aller Verträge durchgehalten wird“, so Kleinlein. Vor Ablauf gekündigte Verträge würden aber meist zu Verlusten führen und wären damit schädlich für die Altersvorsorge, schussfolgert man beim BdV.
Kleinlein weiter: „Offensichtlich gibt es hohe Anreize, nur zu verkaufen, ohne die Kundinnen und Kunden auch halten zu wollen.“ Deshalb hält er es für notwendig, die Verkaufsanreize in Form hoher einmaliger Abschlussprovisionen zu mindern und stattdessen auf nachhaltigere Vergütungen zu setzen. Die aktuelle Situation eines überhitzten Abverkaufs von nicht bedarfsgerechten Lebensversicherungen müsse mitbedacht werden, wenn die Politik demnächst über Kostendeckel oder Provisionsverbote diskutiere, so der BdV-Vorstand.
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Auf procontra-Nachfrage nahm der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ebenfalls heute Stellung zu den Vorwürfen der Verbraucherschützer. Ein GDV-Sprecher erklärte:
„Die BdV-Behauptung, bei lang laufenden Lebensversicherungsverträgen sei die Kündigung der Normalfall, ist falsch. Denn dabei wird unterstellt, dass die Stornoquote für jedes Jahr, unabhängig von der Laufzeit, identisch ist. Die GDV-Statistiken zeigen aber, dass es mehr frühes als spätes Storno gibt, d.h. die jährlichen Stornoquoten nehmen mit zunehmender Vertragsdauer ab. Im Übrigen: Storno von Verträgen ist ein verbrieftes Verbraucherrecht. Die Hauptgründe für Storno in der Lebensversicherung sind Scheidung, Überschuldung und Arbeitslosigkeit. Darauf hat der Versicherer keinen Einfluss. Die Regelungen zum Rückkauf sichern einen fairen Ausgleich zwischen Versicherer, verbleibenden Kunden und ausscheidenden Kunden. Insgesamt unterstreichen die seit Jahren historisch niedrigen Stornoquoten das Vertrauen der Kunden in die Lebensversicherung.“
Die Stornoquoten der deutschen Lebensversicherer und darüber hinaus zahlreiche andere Kennzahlen, Ranglisten und Analysen finden sich auch im procontra LV-Check.
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