Bundesregierung verlängert Moratorium zum Corona-Vertragsrecht

Im Online-Talk über den Einfluss der Pandemie auf die Branche gab es vonseiten des GDV Neuigkeiten zum Vertragsrecht. Auch das Dauerbrennerthema BSV wurde juristisch diskutiert.

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13:06 Uhr | 19. Juni | 2020
Zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise verlängert die Bundesregierung laut GDV einige Sonderregelungen.

Zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise verlängert die Bundesregierung laut GDV einige Sonderregelungen. Bild: Adobe Stock/Jürgen Fälchle

„Die eigene Reaktionsfähigkeit nach Ausbruch der Corona-Krise zu erleben, war für die Versicherungsbranche eine extrem gute Erfahrung“, resümierte Karen Bartel, Leiterin Recht und Compliance beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft am Freitagmittag in ihrem Impulsvortrag. Die Forschungsstelle für Versicherungswesen der Universität Münster hatte zum Online-Talk über Corona geladen, neben Bartel kam Rechtsanwalt Dr. Vincent Schreier zu Wort.

Im März war es der Versicherungswirtschaft gelungen, innerhalb von nur zwei Wochen 80 Prozent der Mitarbeiter fit fürs Homeoffice zu machen, erst jetzt füllen sich die Büros langsam wieder. Zwar seien insbesondere die uneinheitlichen Regelungen der Bundesländer anfangs organisatorisch eine Herausforderung gewesen, so Bartel „allerdings waren die Unternehmen die ganze Zeit über arbeitsfähig“. Die Nachfrage des GDV bei der Bafin habe das bestätigt: Während der Krise hat es kein höheres Beschwerdeaufkommen gegeben. Dieses Verdienst rechnet der GDV sich teils auch selbst zu, über eine Plattform hatte er relevante Informationen ständig aktualisiert und der Branche zur Verfügung gestellt.

GDV mit neuen Informationen zu Covid-19-Gesetzen der Bundesregierung

Vor allem vorübergehende Gesetzesänderungen gehörten dazu. Am 25. März hatte die Bundesregierung mit Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ein „Moratorium“ für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche beschlossen. Dieses zog grundlegende Änderungen im Vertragsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmer nach sich – unter anderem ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht bei Verträgen, die vor dem 8. März geschlossen wurden. Dieses wäre eigentlich zu Ende Juni ausgelaufen, nach Informationen des GDV hat die Regierung allerdings eine Verlängerung um drei Monate beschlossen, es behält somit noch bis zum 30. September seine Gültigkeit. „Das ist eine gute Nachricht – wir leben offensichtlich in einem funktionierenden Rechtsstaat“, so Bartel. Auch die Notfallregelungen zum Ausschluss des Kündigungsrechts Miet- und Pachtverträgen nach pandemiebedingten Rückständen würden bis Ende September verlängert, habe die Groko am Donnerstagabend beschlossen. Die Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die ohnehin noch bis zum 30. September greift, könnte auf den 31. März 2021 ausgedehnt werden. Dazu hatte Bartel allerdings noch keine weiteren Informationen.

Ebenfalls bedeutend für die Branche war die Entscheidung im März, Hauptversammlungen in den virtuellen Raum zu verlegen. „Für uns war das eine kniffelige Situation, weil damals eine schnelle Lösung hermusste. Der Gesetzgeber hatte dazu nur einen Beschluss für Aktiengesellschaften getroffen – an die Versammlungen der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit hat er nicht gedacht“, kritisierte die GDV-Rechtschefin. Nachdem begrenzt auf dieses Jahr die Möglichkeit einer reinen Digitalversammlung geschaffen worden war, würde der GDV es nach vielen positiven Rückmeldungen begrüßen, diese auch für die Zukunft zu erhalten.

Nach ihrem Parforceritt durch die deutsche Gesetzgebung brachte Bartels noch einige „Aufreger“ im Aufsichtsrecht zur Sprache. So hatte die deutsche Versicherungsbranche empört auf die formulierten Erwartungen der EIOPA reagiert, Dividendenzahlungen während der Krise kategorisch auszuschließen und variable Vergütungen auf ein "konservatives Maß" zu begrenzen. „Wir waren froh, dass die Bafin unmittelbar danach mit einer Pressemitteilung auf diese Ansage reagiert hat – mit dem Tenor, dass die Dividenden in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen ausgezahlt werden sollten“, so Bartel rückblickend.

Froh gewesen sei man hingegen über die Empfehlungen der EIOPA zum Verbraucherschutz, in denen klargestellt wurde, Versicherer sollten auch in krisenbedingten Schadenfällen im Rahmen der vorgesehenen Deckung bleiben.

Juristisches Schlaglicht auf BSV-Policen

Im zweiten Teil des Talks bot Rechtsanwalt Dr. Vincent Schreier aus der Düsseldorfer Kanzlei Clyde & Co. einen Überblick zum heiklen - weil sehr emotional geführten - Thema Betriebsschließungsversicherung. Einst sei die Police eher ein Nischenprodukt gewesen, nun durch die Corona-geplagte Gastronomie aber in aller Munde.

In der Frage, ob die Corona-Pandemie in der Police mitversichert ist, stehen sich noch immer unversöhnliche Meinungen gegenüber. Auch Schreier hatte darauf natürlich keine Pauschalantwort: „Man muss sich Verträge im Einzelnen ansehen, die Vereinbarungen sind gerade in dieser Sparte sehr unterschiedlich ausgestaltet.“ Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) enthalten teils eine abschließende Aufzählung von Krankheiten und Erregern, teils einen statischen Verweis auf das Infektionsschutzgesetz, wiederum andere verfügen lediglich über dynamische Verweise oder Öffnungsklauseln. In letzterem Fall müsse der Versicherer meist leisten, wie kürzlich mit dem Mannheimer Urteil entschieden wurde. Die Entscheidung, auch Teilschließungen zu decken, wenn ein erheblicher Teil der Einnahmen durch diese wegfallen, hält Rechtsanwalt Schreier für überzeugend.

Ein weiteres heißes Eisen ist die Frage, ob staatliche Entschädigungsleistungen auf die Versicherungsleistung angerechnet werden. Auch hierzu genügt häufig ein Blick in die AVB. Wenn es dort keine Regelungen dazu gebe, müsse man eine Lösung im Sinne des Versicherten finden, so Schreier. „Er sollte weder doppelt kassieren, noch mit leeren Händen dastehen.“ Nicht akzeptabel sei indes, dass sich Staat und Versicherer die Verantwortung gegenseitig zuschieben und den Streit auf dem Rücken des Versicherungsnehmers austragen.