Debeka zieht bei PKV-Beiträgen kräftig an

Deutschlands größter privater Krankenversicherer erhöht die Beiträge für seine Vollversicherten deutlich. Angesichts solcher Beitragssprünge wurde auf der DKM diskutiert, wie die Anbieter das Image der PKV wieder aufpolieren können.

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15:10 Uhr | 26. Oktober | 2020
Nach 4 Jahren ohne Beitragsanpassung trifft die Vollversicherten der Debeka nun eine Beitragserhöhung im zweistelligen Prozentbereich.

Nach 4 Jahren ohne Beitragsanpassung trifft die Vollversicherten der Debeka nun eine Beitragserhöhung im zweistelligen Prozentbereich. Bild: Debeka

Die Debeka Krankenversicherung erhöht die Beiträge für alle ihre rund 2,4 Millionen privat Krankenvollversicherten zum 01.01.2021 um durchschnittlich 17,6 Prozent. Dies hat der mit Abstand größte private Krankenversicherer auf dem deutschen Markt heute auf procontra-Nachfrage bestätigt. Zuerst hatten Versicherungsmonitor und Süddeutsche Zeitung über die verhältnismäßig deutliche Beitragsanpassung (BAP) berichtet.

In den vergangenen 4 Jahren hatte es bei dem PKV-Platzhirsch keine Erhöhungen in der Vollversicherung gegeben. Rein rechnerisch wären sie bereits nötig gewesen, doch die gesetzlichen BAP-Vorgaben haben dies bislang unterdrückt. Schließlich dürfen die privaten Krankenversicherer ihre Beiträge erst anpassen, wenn Leistungsausgaben oder Sterbewahrscheinlichkeit um fünf Prozent oder zehn Prozent von der ursprünglichen Kalkulation abweichen. Die notwendigen Erhöhungen „stauen“ sich regelrecht auf und treffen die Versicherten irgendwann mit einem größeren Sprung.

Zinsen bedingen Beitragssprünge

Neben diesen Kosten-Effekten sieht man bei der Debeka aber auch zu einem erheblichen Teil „die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank“ verantwortlich. „Die niedrigen Zinsen belasten jedoch die Rücklagen für die Versicherten, die wegen höherer Leistungsausgaben im Alter angespart werden und die Beiträge dann stabil halten sollen. Daher muss das Unternehmen mehr Rückstellungen bilden, was höhere Beiträge erfordert“, schreibt die Debeka heute in einer Presseinformation.

Die Niedrigzinspolitik beschere den Krankenversicherern Zinsverluste in zweistelliger Milliardenhöhe. So müsse der Rechnungszins für die Alterungsrückstellungen zu Beginn des neuen Jahres von bisher 3,2 Prozent auf 2,3 Prozent in den Vollversicherungstarifen abgesenkt werden. Neben den gestiegenen Kosten müsse also auch dieses Zinsdefizit über die BAP ausgeglichen werden.

BAP in zwei Schritten

Die Debeka verweist allerdings auf eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts IGES, die in ihrem Auftrag durchgeführt wurde. Diese bescheinigt dem Versicherer in den vergangenen 20 Jahren eine durchschnittliche jährliche BAP von 2,8 Prozent. Die 17,6 Prozent zum neuen Jahr sind dabei bereits eingerechnet. Nicht direkt vergleichbar ist dagegen die durchschnittliche jährliche BAP in der GKV. Diese lag, laut IGES, von 2000 bis 2019 bei 2,9 Prozent.

Um die nun anstehende Erhöhung etwas abzumildern, wird sie für manche Angestellte und Selbstständige (Beamte zahlen in der Regel deutlich weniger) in zwei Schritten durchgeführt: 60 Prozent der BAP erfolge per 01.01.2021, die übrigen 40 Prozent sollen dann ab dem 01.01.2022 auf den Beitrag aufgeschlagen werden. Dies gelte nur für die Versicherten aus den Bisex-Tarifen und auch nur für die, die von den zinsbedingten Erhöhungen stark betroffen sind. Das erklärte ein Debeka-Sprecher auf procontra-Nachfrage. Das Prozedere entspreche den rechtlichen und aktuariellen Vorgaben.

Außerdem können Versicherte, die ihren Beitrag senken möchten, auf Wahlleistungen wie Chefarztbehandlung oder Zweibettzimmergarantie verzichten. Nach maximal 2 Jahren können diese Bausteine dann ohne erneute Gesundheitsprüfung wieder eingeschlossen werden. Eine BAP per 01.01.2021 in der Pflegepflichtversicherung wird nicht durchgeführt.

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Die jetzigen Anpassungen der Debeka stehen sinnbildlich für das größte Hemmnis in der privaten Krankenvollversicherung. Viele Menschen schrecken vor der PKV zurück, aus Angst vor stark steigenden Beiträgen, speziell im Alter. Seit über 10 Jahren verzeichnet der Bestand an Vollversicherten einen Abrieb.

Ob die PKV überhaupt noch eine Zukunft hat oder das Ende bevorsteht, darüber wurde heute auch auf der DKM diskutiert. Dabei verwies Timm Genett vom Verband der Privaten Krankenversicherung auf die Wichtigkeit und Stärke des dualen Systems aus PKV und GKV hierzulande. Die PKV würde keine Rosinenpickerei betreiben, so Genett. Vielmehr sei ihr solidarisches Handeln in der Corona-Pandemie besonders zu Tage getreten. Investitionen der PKV hätten überproportional stark zu dem guten Ärzte- und Labornetz beigetragen, dass Deutschland so gut durch die erste Corona-Welle geholfen habe.

Genett geht davon aus, dass das duale System erhalten bleiben wird. Von einem Wachwechsel durch die Bürgerversicherung sei außer gelegentlichen Forderungen nichts zu hören. „Mir sind aktuell keine Arbeiten an konkreten Blaupausen für eine Bürgerversicherung bekannt“, erklärte der Geschäftsführer für den Bereich Politik beim PKV-Verband.

PKV-Zukunft ohne Vollversicherung?

Zwar erklärten Thomas Wiesemann, Vorstand bei der Allianz Krankenversicherung und Olaf Engemann, Vorstand der Süddeutschen Krankenversicherung, dass sie mit dem bisherigen Neugeschäftsverlauf des Jahres 2020 in der PKV zufrieden seien. Um wieder ein positiveres Bild von der PKV zu erzeugen, müsse man aus ihrer Sicht aber mehr über die solidarischen Leistungen wie nun in der Corona-Pandemie informieren.

Wiesemann sagte, bei der Allianz wolle man in Zukunft vor allem mehr über Social Media kommunizieren. Vor allem über die Angebote in der privaten Krankenzusatzversicherung müsste mehr informiert werden. Auch die Themen Pflegeschutz und betriebliche Krankenversicherung (bKV) wolle die Allianz vorantreiben. Von der privaten Krankenvollversicherung fiel in Sachen Zukunftsausblick allerdings kein Wort.

Auch Beamte entscheiden sich für die GKV

Wie geht es also weiter mit der Vollversicherung? Eine heutige dpa-Meldung beantwortet diese Frage indirekt. Demnach haben im Bundesland Thüringen seit Jahresbeginn etwa 1.100 Beamte einen Landeszuschuss für ihren Beitrag zur gesetzlichen Krankenkasse beantragt. Es sei davon auszugehen, dass mindestens 164 dieser Anträge von neu eingestellten Beamten kamen, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Möglichkeit dieses Zuschusses war mit Beginn dieses Jahres eingeführt worden, um Beamten Wahlfreiheit in der Krankenversicherung zu ermöglichen. Normalerweise sind sie privat versichert.

Dieses sogenannte Hamburger Modell hatte seit seiner Entstehung vor gut 3 Jahren viel Kritik erfahren. Letztendlich werden aber die Versicherten entscheiden, welches Modell für die Zukunft steht.

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