Solvenzcheck: 22 Lebensversicherer fallen durch

In seiner jährlichen Auswertung der Solvenzberichte zeichnet der Bund der Versicherten ein düsteres Bild für ein Viertel der Lebensversicherer. Insbesondere bei den Run-off-Plattformen müsse die BaFin stärker aktiv werden, fordert BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein.

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08:07 Uhr | 09. Juli | 2020
Axel Kleinlein

Sieht die Lage vieler Lebensversicherer als angespannt: BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Bild: Bund der Versicherten

„Hier braut sich etwas zusammen“: Mit mahnenden Worten bewertete Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bund der Versicherten (BdV) das Ergebnis  der diesjährigen Auswertung der Solvenzberichte der deutschen Lebensversicherer, die die Verbraucherschützer erneut im Zusammenarbeit mit Zielke Research Consult durchgeführt haben.  

Laut der Analyse ist die Lage für eine zunehmende Zahl Versicherer ernst: 22 der 84 untersuchten Versicherer haben entweder eine zu geringe Solvenz oder eine negative Gewinnerwartung. „Die Branche driftet auseinander. Mehr als ein Viertel der untersuchten Unternehmen hat ernste Probleme“, kommentierte Kleinlein.  

Insgesamt kamen 16 Lebensversicherer auf eine reine Solvenzquote von unter 100 – das waren vier Unternehmen mehr als noch im vergangenen Jahr. Die durchschnittliche Quote sank von 259 auf 220 Prozent. Eine Situation, die durch die Corona-Krise noch verschärft werden dürfte, glaubt Carsten Zielke. So geht der Analyst davon aus, dass durch die Krise vier weitere Unternehmen unter die 100-Prozent-Schwelle gerutscht sind, im Durchschnitt dürfte die Quote um weitere 45 Prozent nachgeben.    

Die Versicherer seien folglich aufgerufen, diesem Problem entgegenzuwirken. Neben der Stärkung des Eigenkapitals müssten die Versicherer vor allem ihre Kapitalanlage neu ausrichten, indem sie diese stärker diversifizieren und den Bestand an Staatsanleihen reduzieren. Im Bezug auf Marktrisiko, Staatsanleihen und der Diversifizierung habe man in den vergangenen Jahren allerdings nur wenig Bewegung seitens der Versicherer beobachten können, kritisierte Kleinlein: „In der Kapitalanlagepolitik sind die Unternehmen unbeweglich.“  

Allerdings gebe es auch Positivbeispiele, merkte Zielke an und verwies unter anderem auf den Münchener Verein. Dieser habe nicht nur sein Eigenkapital um 40 Millionen erhöht, sondern auch seine Kapitalanlage angepasst und investiere mittlerweile stärker in Realwerte. Auch die Run-off-Gesellschaft Athora fiel zuletzt durch eine Kapitalerhöhung positiv auf.  

Insgesamt hinterließen die Run-off-Gesellschaften bei den Analysten jedoch ein insgesamt negatives Bild. „Sie haben die geringste Transparenz im Markt, verfügen tendenziell eher über schwächere – teilweise sogar besorgniserregende – reine Solvenzquoten und überdurchschnittlich hohe Überschussfonds“, bemerkte Kleinlein. Nur durch den Ansatz von Übergangsvorschriften gelingt es, dass der Geschäftsbetrieb aller Run-off-Gesellschaften aufsichtsrechtlich zulässig sei. „Diese Unternehmen bergen nach wie vor große Gefahren für Versicherte. Deren Rechte müssen für den Run-off-Fall gestärkt werden“, forderte Kleinlein.  

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Besonders negativ fiel den Verbraucherschützern dabei die Frankfurt Münchener Leben (ehemals Arag Leben) auf – zum ersten Mal stellten die Analysten hier eine negative reine Solvenzquote (-11 Prozent, Vorjahr: 4,9 Prozent) fest. „Hier ist dringend eine Eigenkapitalzufuhr notwendig“, mahnte Zielke.  

Als problematisch bewertete Zielke auch die mangelnde Transparenz vieler Run-off-Gesellschaften. „Die Kunden werden hier nicht ernst genommen“, wertete Kleinlein diese. Es sei zu befürchten, dass sich die in der Regel hinter den Run-off-Plattformen stehenden ausländischen Investoren zurückziehen könnten. Die Bereitschaft, einen Lebensversicherer insolvent gehen zu lassen, sei hier höher als bei deutschen Unternehmen.  

Auch deshalb mahnte Kleinlein in Richtung der deutschen Finanzaufsicht BaFin, couragierter auf die Rechte der Versicherten zu achten. Zwar „kann die BaFin kein Kapital herbeizaubern“, könne aber darauf achten, dass bei der Erlaubniserteilung für eine Bestandsübertragung ausreichend Eigenkapital vorhanden sei. Auch das Verbot von Gewinnabführungsverträgen sei eine Option. „Hier agiert die BaFin nicht mutig genug“, bemerkte Kleinlein. Er habe den Eindruck, dass die Finanzaufsicht die Versicherer derzeit nicht ausreichend im Fokus habe, sondern stattdessen mit eigenen Problemen befasst sei. Hierbei spielte Kleinlein auf den Wirecard-Skandal an, der zuletzt eine Reformdebatte angestoßen hatte.  

Positiv bemerkten Zielke und Kleinlein, dass die Unternehmen im Hinblick auf die Transparenz der Solvenzberichte zuletzt deutlich nachgebessert hätten. Um die Transparenz auch für Kunden stärker deutlich zu machen, haben der BdV und Zielke Research Consult neue Transparenzlabels eingeführt. Diese gibt es in den Kategorien Gold (16+ Punkte), Silber (12-15 Punkte) sowie Bronze (9 bis 11 Punkte) und können von den Versicherern für eine Schutzgebühr erworben werden. Die Erlöse hieraus sollen komplett in das Projekt investiert werden.  

Im ersten Jahr erhielten drei Versicherer (Alte Leiziger, beide Lebensversicherer der DEVK) ein Gold-Siegel, 24 weitere Unternehmen bekamen ein silbernes Siegel, 15 Bronze. Das Siegel trifft allerdings nur eine Aussage zur Transparenz, die Solvenz des Unternehmens spielt hier keine Rolle.

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Diese Versicherer haben eine reine Solvenzquote unter 100 Prozent

Die gesamte Analyse mit Kommentar zu jedem Anbieter finden Sie hier.

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