Sozialpartnermodell: Trügerischer Stillstand

Die Sozialpartner haben bisher kein einziges Sozialpartnermodell auf die Schiene gebracht. Wie sie den aktuellen Stand sehen, zeigt sich auf einer Fachkonferenz. Im Hintergrund lauert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit einem Opt-out.

Author_image
14:02 Uhr | 04. Februar | 2019
Alt text

Der Gesetzgeber wollte trotz Kritik der Arbeitgeber eine tarifvertragliche Lösung für das SPM, nun bräuchten die Tarifparteien dafür auch Freiräume, sagt BDA-Chef Alexander Gunkel. Bild: Pohl

Auf der kürzlich in Berlin abgehaltenen Fachkonferenz „4. Berliner bAV-Auftakt: Die Zukunft der bAV im Dialog“ ging es auch um die praktischen Schwierigkeiten zur Umsetzung des Sozialpartnermodells (SPM) mit seiner reinen Beitragszusage (rBZ) und der Zielrente für Arbeitnehmer ohne jegliche Leistungsgarantie. Geladen hatte bereits zum vierten Mal Professor Mathias Ulbrich von der Hochschule Schmalkalden. Gekommen waren auch Vertreter von Sozialpartnern. Deren Aussagen ließen keine schnellen Tarifabschlüsse für die rBZ erwarten.

BDA: Andere Prioritäten bei Gewerkschaften

Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), bestätigte: „Es gibt immer noch keinen Tarifvertrag zur rBZ, auch weil in den letzten Tarifverhandlungen zum Teil andere Prioritäten von Gewerkschaften gesetzt wurden – etwa Arbeitszeitverkürzung bei Metall.“ Nach Gunkels Eindruck scheuten Gewerkschaften generell den damit verbundenen hohen Kommunikationsaufwand.

Beim SPM sieht Gunkel zudem Nachbesserungsbedarf: „Das Tarifvertragserfordernis schränkt das Verbreitungspotenzial der rBZ ein, die Vorgabe des Sicherungsbeitrags ist unklar und greift unnötig in die Tarifautonomie ein, automatische Entgeltumwandlung und Opt-out-Modelle werden erschwert statt erleichtert.“

Generell in der bAV sieht die BDA den Bedarf zu steuerlicher Nachbesserung - vor allem beim zu hohen Zins für Pensionsverpflichtungen (Paragraf § 6a EStG). Die neue Geringverdiener-Förderung (Paragraf 100 EStG) sollte auf alle bAV-Wege ausgeweitet werden (besonders Direktzusage. Bei allem nötigen Reformbedarf komme die im Rahmen des Alterssicherungsberichtes geplante Evaluierung des BRSG 2020 „früh“, da Umsetzung der rBZ Zeit brauche und Tarifverträge oft zwei Jahre laufen. Die Vorlage des Abschlussberichts der Rentenkommission Anfang 2020 sei aber die „Chance, um der bAV Rückenwind zu geben“.

Seite 1: Chance, um der bAV Rückenwind zu geben Seite 2: Wo Arbeitgeber bremsen und wann Opt-out droht

Ver.di: Arbeitgeber bremsen bei Spedition und Logistik

Stephan Teuscher, Leiter des Fachbereichs Postdienste, Speditionen und Logistik der Bundesverwaltung der Vereinten Dienstleistungs-Gewerkschaft Ver.di, sah in seinem Vortrag die Probleme der Gewerkschaften etwas anders. Das SPM in der Praxis zu installieren, sei wegen der Streubreite in Sachen bAV im Verantwortungsbereich von Ver.di schwierig. Die Logistikbranche sei stark fragmentiert: Von rund 61.000 Firmen haben nur gut 5 Prozent mehr als 50 Beschäftigte. „Dennoch haben wir Verantwortung, die bAV voranzutreiben, sagte Teuscher.

„Für KMU ist dies nur über einen Flächentarifvertrag machbar“, erklärte der Ver.di-Experte. Oft seien aber gar keine Tarifverträge vorhanden, diese „OT-Mitgliedschaft“ (ohne Tarifbindung) in Arbeitgeberverbänden sei weit verbreitet und erschwere die bAV-Umsetzung. Beispiel Verkehr und Lagerwirtschaft: Die Tarifbindung liegt im West bei etwa 56 Prozent, im Osten nur bei 28 Prozent. Ver-di beobachtet in diesen Branchen „ausgeprägte Skepsis der regionalen Arbeitgeberverbände gegenüber der rBZ“.

Sein Appell: Arbeitgeber reden in diesen Branchen über bAV „bisher nur, wenn eine Tarifrunde unmittelbar bevorsteht“. Da die Geringverdienerförderung mit einem festen Betrag gedeckelt ist, entstünden für Unternehmen steigende Kosten, wenn Arbeitnehmer perspektivisch über die Grenze hinaus verdienten. „Die Hoffnung, bAV mit einem Lohnverzicht zu erkaufen, ist in Branchen mit ausgeprägt geringen Einkommen nicht realisierbar“, so Teuschers Ausblick.

Baldige Einigung nötig, sonst droht womöglich Opt-out

In der Podiumsdiskussion waren sich Gewerkschaft und Arbeitgeber einig, dass es bald erste Einigungen geben muss, um das Projekt SPM nicht zu gefährden. „Wir müssen das Bewusstsein schärfen, dass Zielrente mit kollektiver Anlage die Risiken gegenüber privater Vorsorge reduziert und Renditechancen erhöht“, sagte Teuscher mit Blick auf die innergewerkschaftliche Kommunikation. „Der Gesetzgeber wollte trotz unserer Kritik als Arbeitgeber eine tarifvertragliche Lösung für das SPM“, erinnerte Gunkel. Nun brauchten die Tarifparteien dafür aber auch Freiräume.

Wie Peter Görgen, Referatsleiter „Zusätzliche Altersversorgung“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) berichtete, ist zum SPM am 20. Februar ein Treffen beim Bundesarbeitsminister mit den Spitzen der Tarifparteien anberaumt. Dies werde hoffentlich einen Impuls zur praktischen Umsetzung liefern. Was er nicht sagte: Scheitert das SPM in der Breite, denkt der Gesetzgeber über eine Opt-out-Lösung für alle Arbeitnehmer nach. Dann würde den Tarifpartnern das Heft des Handelns aus den Händen genommen.

Seite 1: Chance, um der bAV Rückenwind zu geben Seite 2: Wo Arbeitgeber bremsen und wann Opt-out droht