Trotz Kritik

HanseMerkur hält an Krebs Scan fest

Der Versicherer bietet ein Verfahren zur frühzeitigen Erkennung von Krebserkrankungen an. An der Wirksamkeit des Tests zweifeln zahlreiche Mediziner. Dennoch will HanseMerkur erst einmal an seinem Produkt festhalten.

Author_image
13:07 Uhr | 21. Juli | 2023
Krebszellen

Die Aufregung scheint groß bei der HanseMerkur: Denn der Krebs Scan, den der Versicherer derzeit anbietet, droht sich zu einem Marketingdesaster zu entwickeln.

| Quelle: wildpixel

Die Aufregung scheint groß bei der HanseMerkur in Hamburg: Denn eines der Produkte, dass der Versicherer derzeit ganz nach vorne ins Schaufenster gelegt hat, droht sich zu einem Marketingdesaster zu entwickeln: der Krebs Scan. 

Kunden, die diese Zusatz-Police abschließen, wird – neben weiteren Assistance-Leistungen – ein innovatives Diagnostik-Verfahren zur frühzeitigen Erkennung von Krebserkrankungen versprochen. Konkret geht es dabei um einen Bluttest namens PanTum Detect der Firma Zyagnum.

Allerdings äußern nun zahlreiche Mediziner Zweifel an der Wirksamkeit dieses Tests, wie Recherchen des Bayerischen Rundfunks zeigen. Grundlage der Zweifel ist eine dem Bluttest zugrundeliegende Studie des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) aus Hamburg, die dem Test eine Wirksamkeit bescheinigt.

„Es ist Scharlatanerie“

So kritisiert die Medizinprofessorin Jutta Hübner, die bei der Deutschen Krebsgesellschaft die Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie leitet, dass die Studie grundlegende wissenschaftliche Standards nicht erfülle. So liefere die Studie keinen Beweis, dass Menschen, bei denen der Bluttest Krebs diagnostizierte, im Anschluss besser behandelt oder geheilt werden könnten. Das Urteil Hübners gegenüber der Studie, aber auch gegenüber dem Versicherungsangebot der HanseMerkur fällt vernichtend aus: „Es ist Scharlatanerie“. Auch andere Mediziner teilen diese Kritik.

Kritisch fällt dabei auch ins Gewicht, dass die UKE-Studie durch den Hersteller des Bluttests bezahlt wurde. Im wissenschaftlichen Aufsatz, in dem über die Ergebnisse der Studie berichtet wird, fehlt hierüber aber jeder Hinweis. Dass hier also ein Interessenkonflikt vorliegen könnte, ist für die Leser somit nicht erkennbar. Erst 14 Monate nach Veröffentlichung und erst nach den Recherchen des Bayerischen Rundfunks ist dieser Hinweis nun enthalten.

Verbraucherschützer üben Kritik

Kritik gibt es auch von Seiten der Verbraucherschützer. Das von den Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz getragene Projekt „Faktencheck Gesundheitswerbung“ sieht die Werbung von HanseMerkur und dem Kaffeeröster Tschibo, der als Vertreter des Versicherers das Produkt ebenfalls vermittelt, sehr kritisch. 

„Nach erster Sichtung verspricht die Krebsscan-Werbung eine Sicherheit und Aussagekraft für das Testverfahren, die es u.a. laut Deutscher Krebsgesellschaft und Krebsinformationsdienst nicht hat“, spezifiziert eine Sprecherin die Kritik. Konkret geht es dabei unter anderem um Aussagen wie:

„Nun gibt es eine neue, umfassende Möglichkeit der Früherkennung: Krebsscan.“ 

„Ich kann jemandem der noch unentschlossen, diesen Bluttest zu machen, nur raten: Machen Sie das. Es hat mir das Leben gerettet.“ (Aussage aus einem Erfahrungsbericht)

Laut Bayerischem Rundfunk prüfen die Verbraucherschützer nun rechtliche Schritte.

HanseMerkur: Krebsscan schließt wichtige Lücke

Die HanseMerkur selbst befindet sich in einer Zwickmühle. Über Monate hat sie ihre KrebsScan-Police prominent beworben – mit Erfolg. Laut Vertriebsvorstand Eric Bussert hat der Versicherer in nur zwei Monaten (die Testphase nicht mitgerechnet) bis Anfang Mai insgesamt 5.500 Policen an den Mann bzw. die Frau bringen können. Das Produkt kommt also an im Markt.

Die deutliche Kritik zahlreicher Mediziner droht nun aber, aus dem Kassenschlager einen PR-Gau zu machen. Dennoch will der Hamburger Versicherer erst einmal an seinem Produkt festhalten zu wollen. Uns ist bewusst, dass aus wissenschaftlicher Perspektive neben den bisher vorliegenden Studien sicher noch weitere Studien sowie fachlicher Diskurs erfolgen werden“, teilt eine Sprecherin auf procontra-Nachfrage mit.

Da allerdings für 55 Prozent der jährlichen Krebsneuerkrankungen keine Früherkennungsmethoden existieren, vertrete man die Meinung, dass der angebotene Krebsscan eine wichtige Lücke schließen kann.

Die kritisierte UKE-Studie sei damals unter der Fragestellung geführt worden, ob der Bluttest PanTum Detect® einen hinreichenden Verdacht auf potenziell gefährliche Tumore liefert, der den Einsatz bildgebender Verfahren rechtfertigt. Die Studie sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein auffälliger Bluttest in acht von zehn Fällen einen korrekten Hinweis auf Krebs oder eine Krebsvorstufe liefert. „Bislang wurden an uns keinerlei Erkenntnisse herangetragen, die dieses Ergebnis in Frage stellen“, so die Sprecherin.

Man verfolge die derzeitige Diskussion in den Medien allerdings intensiv und nehme die geäußerte Kritik sehr ernst, heißt es seitens des Versicherers. Und: „Sollten hinsichtlich der Studienergebnisse nun anderslautende wissenschaftliche Erkenntnisse zu Tage treten, werden wir diese selbstverständlich prüfen und entsprechend darauf reagieren.“