"Katastrophen können prinzipiell prämienwirksam für andere Regionen sein"
Hurrikan „Milton“ sorgte im US-Bundesstaat Florida in der vergangenen Woche für Verwüstungen und Verzweiflung. Bei einer Pressekonferenz schätzte US-Präsident Joe Biden den verursachten Schaden auf 50 Milliarden Dollar (etwa 45,67 Milliarden Euro) mit mindestens 17 Todesopfern. Etwa 1,8 Millionen Haushalte in Florida hatten auch noch am Wochenende keinen Strom.
Laut Analysten der US-Bank Goldman Sachs haben die Milton-Schäden damit eine Größenordnung erreicht, die sich auch international auf die Versicherungswirtschaft auswirken könnte und damit auch auf den deutschen Markt. Spekuliert wird dabei über höhere Beiträge bei den global agierenden Rückversicherern, die womöglich die Preise der Erstversicherer in die Höhe schrauben könnten. procontra sprach mit Matthias Land, Vorstand der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. und Vorsitzender des Ausschusses Schadenversicherung, darüber, wie wahrscheinlich ein solches Szenario wirklich ist.
Auch wenn der Aktuar keine Abschätzung zu einem einzelnen großen Schadenereignis wie Milton geben möchte. Grundsätzlich ließe sich aus seiner Sicht festhalten: Rückversicherer seien weltweit aktiv, um regionale Risiken auszugleichen. Das führe dazu, dass große Schadenereignisse, beispielsweise in Europa (etwa die Flutschäden in Ost- und Mitteleuropa) oder spezifisch in Deutschland, durch geringere Schadenereignisse in anderen Regionen ausgeglichen werden können.
Auswirkungen auf Prämien von Erstversicherern nicht ausgeschlossen
Doch es kann eben schon passieren, dass dieser „Ausgleich" genau in die andere Richtung verläuft: „Verheerende Katastrophen mit zahlreichen versicherten Schäden durch einen tropischen Wirbelsturm können dann prinzipiell prämienwirksame Folgen für andere Regionen haben, in denen die Schadenquote gerade ggf. geringer ausfällt. Da es die Erstversicherer Geld kostet, sich rückzuversichern, können Preissteigerungen der Rückversicherer ggf. wiederum Auswirkungen auf Prämien der Erstversicherer haben", erläutert Land.
Das Pricing einzelner Unternehmen der Branche sei jedoch sehr individuell und könne von den Aktuaren nicht kommentiert werden. „Was wir grundsätzlich sagen können: Wir wissen, dass der Klimawandel, der bei der Zunahme der starken tropischen Wirbelstürme eine Rolle spielt, zu häufigeren und größeren Schadenereignissen weltweit beiträgt", erläutert Land. Das habe Folgen für die damit einhergehenden Kosten, die durch die Regulierung solcher Schäden entstehen. Die versicherten Schäden durch Naturkatastrophen hätten weltweit in den vergangenen Jahren zugenommen. „Wir sind noch nicht an dieser Stelle, aber es ist durchaus denkbar, dass man in Zukunft dann Probleme bei der Versicherbarkeit bekommt, wenn auf diese Prognosen nicht reagiert wird", so Land.
Die Deutsche Aktuarvereinigung sieht einen Dreiklang an Maßnahmen, die notwendig sind, um die Versicherbarkeit zu gewährleisten:
Risikogerechte Kalkulation: Es muss dem individuellen Risiko entsprechend kalkuliert werden, um einer ausgewogenen Risikoverteilung im Versichertenkollektiv gerecht zu werden.
Prävention: Es müssen zahlreiche Maßnahmen auf kommunaler, landes-, bundes- und internationaler Ebene getroffen werden. Dazu gehören abgestimmte staatliche Schutzmaßnahmen und die Incentivierung von Eigen-Prävention.
Kumulschutz: Elementarschäden treten in der Regel großflächig bzw. kumuliert auf. Dieses hohe Kumulrisiko bedeutet häufig viele gleichzeitige Schäden. Daher ist es so wichtig, dass Erstversicherungsunternehmen die extremsten Elementarschäden wiederum in Rückdeckung durch private oder staatliche Rückversicherer geben.