„Wir wollen eine vernünftige Mischung zwischen den Vertriebswegen schaffen“
procontra: Wie hat sich die Anzahl der Nürnberger Generalagenten seit dem Start von „GAx2“ verändert? Bis 2030 wollen Sie diese ja verdoppeln…
Politycki: Wir haben im Jahr 2023 in unserem Vertriebsweg GA brutto 75 Personen angebaut. Brutto bedeutet, dass uns durch die natürliche Fluktuation auch wieder einige Leute verlassen haben, die zum Beispiel in den Ruhestand gegangen sind. Außerdem ist der Markt derzeit im Bereich des Ausschließlichkeitsvertriebs stark in Bewegung. Das heißt, es wildern auch mal andere Versicherer in unserem GA-Bestand und werben Leute ab.
Lechner: Abgänge waren es dann 45, so dass wir auf ein Netto-Wachstum von 30 Personen kamen. Also bis zur Verdopplung ist es schon noch ein ganzes Stück hin. Aber unser Ziel ist hier einfach, kontinuierlich zu wachsen und beim Wachstum auch den Markt zu schlagen.
procontra: Gestartet sind Sie bei rund 400 Vertretern. Wo liegen Sie jetzt?
Politycki: Ende 2023 waren es 484. Unser Ziel ist es, jährlich 15 Prozent zuzulegen.
Lechner: Dabei zählt übrigens jeder Kopf, also jeder vermittelnd Tätige im Bereich GA. Das können also auch angestellte Verkäufer sein oder Hauptagenten, die in einer bestehenden Generalagentur anfangen und dort einen Teil des Bestands übernehmen.
procontra: Woher kommen die neuen Vertreter?
Politycki: Etwa 50 Prozent sind Quereinsteiger und die andere Hälfte sind Branchenkenner. Die letzteren kommen aus der Schiene Makler/MGA zu uns oder eben auch aus den AO-Vertrieben anderer Versicherer.
procontra: Wie läuft diese Annäherung in der Regel ab?
Politycki: Für Interessenten, die eine neue berufliche Heimat suchen, sind wir online sehr präsent und bieten dort zunächst Anlaufstellen für erste Informationen. Wir haben dann ein Rekrutierungsteam im Einsatz, das mit ihnen Erstgespräche und Interviews führen. Wenn wir dann merken, dass es passt, spielen wir den Kontakt weiter zu unseren Vertriebsleitern und Landesdirektoren, die sich dann mit dem Bewerber oder der Bewerberin treffen und alles weitere besprechen bis hin zum konkreten Onboarding.
Wir wollen ihnen zuhören und auf ihre Probleme eingehen, wenn sie welche haben. Das können wir aufgrund unserer mittleren Größe besser leisten als sehr große AO-Vertriebe, bei denen es anonymer zugeht.Andreas Politycki
procontra: Spüren Sie bei der Gewinnung guter Vertreter Konkurrenz durch andere Versicherer wie INTER und HDI, die derzeit ebenfalls ihre AO stark ausbauen wollen? Falls ja, wie gestaltet sich das?
Politycki: Konkurrenz und Mitbewerber gibt es schon immer und das ist auch völlig in Ordnung. Wenn es darum geht, einen Neueinsteiger oder Branchenkenner für die Nürnberger zu gewinnen, dann ist uns ein gutes Empfehlungsmarketing wichtig. Die Neuen sollen uns als guten Partner wahrnehmen und der wollen wir auch langfristig für sie bleiben. Sprich, wir wollen ihnen zuhören und auf ihre Probleme eingehen, wenn sie welche haben. Das können wir aufgrund unserer mittleren Größe besser leisten als sehr große AO-Vertriebe, bei denen es anonymer zugeht.
procontra: Umfragen zufolge ist das gesellschaftliche Ansehen von Versicherungsvertretern sehr niedrig. Aber laut Ihnen haben jetzt viele Menschen Lust auf diesen Beruf…
Politycki: Man muss es kennenlernen. Wenn man erstmal verstanden hat, wie wichtig dieser Beruf ist, weil man damit Menschen gegen Schäden absichert und ihnen bei der Altersvorsorge hilft, dann bekommt man schnell ein anderes Bild.
procontra: Zahlt die Nürnberger Vertretern höhere Provisionen als im Marktdurchschnitt?
Politycki: Nein, unsere Provisionen liegen mitten im Markt und sind da nicht überbordend. Tendenziell zahlen wir etwas mehr Provision in der Lebensversicherung und etwas weniger in der Schadenversicherung.
Lechner: Die Höhe der Provisionen sind bei uns auf jeden Fall nicht der differenzierende Faktor, wenn es um den Anbau neuer Vertriebspartner geht.
procontra: Lehnen Sie in diesem hart umkämpften AO-Markt auch Interessenten ab?
Politycki: Ja, auch der einzelne Mensch muss zu uns passen. Es ist nicht unser Ziel, mit aller Macht eine Kopfzahl zu erreichen, sondern auch eine lange Haltedauer. Am besten sollen sie bis zum Ende ihrer Tätigkeit bei uns bleiben. Das unterstützen wir mit verschiedenen Zielgruppenkonzepten. Beispielsweise bieten wir für Vermittler, die sich mit der Beratung von Apothekern oder Pferdebesitzern gut auskennen, spezialisierte Produkte und Beratungskonzepte. So können wir mit dem richtigen Rahmen gezielt gute Leute für uns gewinnen, die bereits ein Spezialgebiet haben, das sie bei uns weiter bearbeiten können. Diese Zielgruppenkonzepte wollen wir in Zukunft auch noch weiter ausbauen.
Wir haben auch Verständnis dafür, wenn jemand nicht mehr täglich in einem klassischen Ladenlokal in der Nebenstraße sitzen möchte.Philipp Lechner
procontra: Sie streben also nicht eine Armee von Generalagenten an, die alle das Gleiche vermitteln?
Lechner: Nein, es gibt da eine Vielzahl von verschiedenen Konzepten. Wir wollen sozusagen mit jedem auf die für ihn bestmögliche Weise zusammenarbeiten und können uns da auch auf Vieles einstellen. Einer unserer GAs sitzt zum Beispiel in den verglasten Büroräumen einer großen Eisdiele, die seine Freunde betreiben. Viele der Gäste interessieren sich dafür, was er da hinten macht und so kann man einmal in einem ganz anderen Ambiente in Kontakt kommen. Wir haben also auch Verständnis dafür, wenn jemand nicht mehr täglich in einem klassischen Ladenlokal in der Nebenstraße sitzen möchte.
procontra: Welche Vertriebserfolge lassen sich bislang aus „GAx2“ ableiten?
Lechner: Auf jeden Fall konnten wir die Produktivität unserer Generalagenten zuletzt Jahr für Jahr steigern. Das liegt auch an der Herausnahme von vielen nebenberuflichen Vermittlern, die zuletzt kaum noch aktiv waren.
procontra: Sie sagten mir kürzlich, eine größere AO sei der differenzierende Erfolgsfaktor auf dem Weg zum Präventionsversicherer. Warum die Vertreter und nicht die Makler?
Lechner: Im Prinzip sind das schon beide. Versicherungen müssen auch in den nächsten zehn Jahren verkauft werden. Deshalb brauchen wir die Schnittstellen zum Kunden. Die Makler werden deswegen nicht weniger wichtig. Wir wollen einfach parallel zu unserem starken Maklervertrieb auch die AO stärken. Mit dem Präventionsaspekt wollen wir zusätzliche Attraktivität für neue GAs schaffen.
Politycki: Wir glauben nicht daran, dass in Zukunft alle Menschen ihre Versicherungen digital über Plattformen wie Amazon abschließen. Für die Beratung braucht es Menschen. Unsere Tarife, die Präventionsleistungen enthalten, kommen auch bei den Maklern gut an. Aber für eine gute AO, die tagtäglich mit unseren Produkten zu tun hat, sind unsere Präventionstarife natürlich noch viel präsenter.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alle auf dem Holzweg sind.Philipp Lechner
procontra: Welche Rolle spielen bei Ihrem AO-Ausbau Stabilität und Planbarkeit der Vertriebszahlen vor dem Hintergrund stark gestiegener Schadenkosten?
Politycki: Wir sind in den letzten Jahren im Maklergeschäft stark gewachsen. Uns ist es wichtig, eine vernünftige Mischung zwischen den Vertriebswegen zu haben und dadurch auch Stabilität zu schaffen. Deshalb liegt der Fokus jetzt auf dem AO-Ausbau.
Lechner: Und es ist ganz eindeutig kein Gegeneinander der Vertriebswege. Wir brauchen beide, Makler und Generalagenten, und möchten auch in beiden Bereichen weiter wachsen.
procontra: Die Menschen wollen logischerweise das für sie beste und günstigste Produkt haben, was generell für den Makler spricht. Ist ein jetziger Ausbau der AO nur kurzfristig gedacht, weil sie bald nicht mehr in die Zeit passt?
Politycki: Aus unserer Sicht nicht. Wir haben viele gute Produkte und bei geringen Preisunterschieden sind die Qualität der Beratung und der Faktor Mensch entscheidend. Es geht bei der Versicherungsvermittlung ja auch stark um Sympathie und Vertrauen und das können unsere guten GAs bieten. Und wenn wir an ein bestimmtes Angebot eines Fremdversicherers mal absolut nicht rankommen, dann kann unsere AO Ventillösungen über andere Versicherer nutzen, zum Beispiel in der Tierkrankenversicherungen über die Uelzener.
Lechner: Wir fahren hier eine Dreistufigkeit. Erste Wahl sind natürlich Nürnberger-Produkte. Auf der zweiten Stufe bieten wir als Ergänzung die Tarife feststehender Kooperationspartner an. Wenn unser GA mit dem Kunden dann immer noch nicht zusammenkommt, können wir seinen konkreten Bedarf quasi auf dem Maklermarkt ausschreiben und dieses eine Risiko dort ergänzend absichern. So wird es für unsere GAs eine runde Sache und sie können immer eine Lösung bieten. Zudem sind ja gerade noch andere Versicherer mit dem Ausbau ihrer AO beschäftigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alle auf dem Holzweg sind.