Kolumne

Anhebung Höchstrechnungszins: Was passiert jetzt?

Zum ersten Mal nach 30 Jahren rückläufiger Höchstrechnungszinsen empfiehlt die Deutsche Aktuarvereinigung, den Zins auf 1 Prozent zu erhöhen. Warum das notwendig ist, und was es bedeutet, erklärt Maximilian Happacher, Vorstandsvorsitzender der DAV.

08:07 Uhr | 02. Juli | 2024
Maximilian Happacher: 1 Prozent Höchstrechnungszins ab 2025: Was passiert jetzt?

Maximilian Happacher, Vorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung

| Quelle: Deutsche Aktuarvereinigung

Bereits im November 2023 hat die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) empfohlen, den Höchstrechnungszins für Neuverträge in der Lebensversicherung ab 2025 auf 1 Prozent zu erhöhen. Diese Empfehlung hat das Bundesministerium der Finanzen Ende April 2024 aufgegriffen und angekündigt, die entsprechende Deckungsrückstellungsverordnung zur Konsultation zu stellen. Dies markiert die erste Erhöhung des Höchstrechnungszinses seit 1994.

Warum jetzt eine Erhöhung?

Die Zinslandschaft hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Ursache dafür sind nicht nur die gestiegenen Inflationsraten aufgrund von Angebotsschocks und expansiver Fiskalpolitik, sondern auch die Reaktionen der Zentralbanken, die durch deutliche Zinserhöhungen versucht haben, die Inflation zu kontrollieren. Diese Entwicklungen führten zu einem sprunghaften Anstieg der Renditen auf den Anleihemärkten und einer Stabilisierung des Zinsniveaus auf höherem Niveau.

Langfristige Staatsanleihen zeigen derzeit Renditen, die über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 Prozent liegen. Angesichts dieser makroökonomischen Trends und der mittel- bis langfristig erwarteten Inflationsentwicklungen sehen wir es als gerechtfertigt an, den Höchstrechnungszins für Neuverträge auf 1 Prozent zu erhöhen.

Wieso gerade 1 Prozent?

Unsere Berechnungen basieren auf einem repräsentativen Kapitalanlageportfolio und projizieren Durchschnittsrenditen in die Zukunft. Um die Schwankungen abzufedern, haben wir ein gewichtetes Mittel dieser Renditen über fünf Jahre gebildet und zusätzlich einen 40-prozentigen Abschlag als Sicherheitspuffer eingerechnet. Dieser Ansatz, der bis zur Einführung des Solvency II-Regimes vom Gesetzgeber gefordert wurde, wird von uns weiterhin angewendet, um ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Selbst in Niedrigzinsphasen bleibt der Sicherheitsabschlag mindestens bei 0,4 Prozentpunkten.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Die Anhebung des Höchstrechnungszinses bietet Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, ihre Produkte neu zu kalkulieren, und ihren Kundinnen und Kunden eine breitere Produktpalette anzubieten. Auch Bruttobeitragsgarantien sind wieder möglich. Das wird dazu beitragen, das Vertrauen der Verbraucher in Lebensversicherungsprodukte zu stärken, und diese Produkte können in einem sich verändernden Marktumfeld attraktiver werden. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensversicherungen gegenüber anderen Spar- und Finanzprodukten erheblich. Die Konsultation der zugehörigen Verordnungen, die im Juni 2024 stattfinden soll, ist ein weiterer Schritt in diesem Prozess.

Blick nach vorne

Unsere Prognosen zeigen, dass der Höchstrechnungszins von 1 Prozent aufgrund der vorsichtigen Kalkulation mittelfristig stabil gehalten werden kann. Die DAV begrüßt die Ankündigung des Finanzministeriums daher ausdrücklich und sieht in der Anpassung des Höchstrechnungszinses eine wichtige Maßnahme, die den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht wird.

Wir sind überzeugt, dass die Erhöhung des Höchstrechnungszinses ein bedeutender Schritt ist, um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können. Die DAV wird diesen Prozess weiterhin eng begleiten und sicherstellen, dass die Interessen der Versicherungsnehmer und der Versicherungswirtschaft gleichermaßen berücksichtigt werden.