Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung

GKV hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem

Die Zusatzbeiträge werden wohl auch im kommenden Jahr steigen, zudem verlangt Gesundheitsminister Karl Lauterbach nach einem höheren Steuerzuschuss. An der Ausgabenseite tut sich bislang hingegen wenig.

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13:08 Uhr | 11. August | 2023
Krankenkasse

Die Krankenkassen haben laut Ansicht des Wirtschaftsweisen Martin Werding kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.

| Quelle: Nuthawut Somsuk

Auch wenn die finanzielle Situation der Krankenkassen zuletzt nicht mehr ganz so düster ausblickte, erwirtschaften die Kassen auch weiterhin ein Minus. Der GKV-Spitzenverband geht momentan davon aus, dass dieses im kommenden Jahr irgendwo zwischen 3,5 und 7 Milliarden Euro rangiert.

Dass die Zusatzbeiträge auch im kommenden Jahr steigen werden, scheint beschlossene Sache zu sein. Allerdings merkt auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass man an dieser Schraube nicht endlos drehen kann. „Wir werden an der Beitragsschraube nicht mehr oft drehen können. Mittelfristig muss der Steuerzuschuss für die Kranken- und Pflegeversicherung erhöht werden“, sagte Lauterbach diese Woche im Gespräch mit der „Rheinischen Post“.

Ein höherer Steuerzuschuss steht allerdings im Konflikt mit den Sparplänen von Finanzminister Christian Lindner (FDP), der eisern an der schwarzen Null festhält. Das weiß auch Lauterbach, der im Interview „volles Verständnis“ für seine Kabinettskollegen äußerte. Allerdings schob er hinterher: „Umgekehrt erwarte ich aber auch vom Finanzminister, dass er mich meine Arbeit machen lässt.“

„Die Lücke können wir nicht mit Steuermitteln stopfen"

Auf wenig Zustimmung stoßen die Pläne für höhere Beitragssätze und Steuereinnahmen bei Professor Martin Werding. Im Gespräch mit dem PKV-Verband äußert der Wirtschaftsweise und Professor für Sozialpolitik an der Universität Bochum starke Zweifel, ob sich der demografische Wandel mittels höherer Steuerzuschüsse auffangen lasse. „Wenn wir die Beitragssatzsteigerungen vermeiden wollten, die sich aus demografischen Gründen abzeichnen, bräuchten wir zig Milliarden im Jahr. Nicht im ersten Jahr, aber nach 5, nach 10, nach 15 Jahren. Denn dieser demografische Alterungsprozess entfaltet sich über 15 Jahre – und wird sich nicht zurückbilden. Die Situation bleibt also auf Dauer schwierig. Die Lücke können wir nicht mit Steuermitteln stopfen, das geht einfach nicht“, so Werding.

Das Problem bei den Krankenkassen liege laut Werding gar nicht auf der Einnahmenseite, die der Experte als „gar nicht schlecht“ bewertet. Vielmehr gelte es, die Ausgabenseite in den Blick zu nehmen. „Mehr Einnahmen wecken im Grunde die Begehrlichkeit nach noch mehr Einnahmen. Wir müssen über die Ausgaben, wir müssen über die Effizienz der Ausgaben reden“, so der Wirtschaftsweise.

Hier gibt es immer noch viel Luft nach oben. So erklärte im März Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass 85 Prozent der Rückenoperationen unnötig seien. „Patienten werden in Deutschland überdiagnostiziert und übertherapiert“, so Baas.

Ein weiteres Beispiel findet sich im aktuellen DAK-Gesundheitsreport. Diesem zufolge könnte jede zehnte Knie-Arthrose-Operation durch eine bessere präventive Versorgung vermieden werden.

Vorhalte- statt Fallpauschalen

Mitverantwortlich für diese Fehlentwicklungen ist das Konzept der Fallpauschalen: Je mehr Behandlungen die Krankenhäuser durchführen, desto mehr Geld bekommen sie. Im Rahmen seiner geplanten Krankenhausreform will Gesundheitsminister Lauterbach hierauf mit der Einführung sogenannter Vorhaltepauschalen reagieren. Das Geld fließt also an die Krankennhäuser nicht für tatsächlich erbrachte Leistungen, sondern für das Vorhalten von Personal und Technik. Auf diese Weise sollen unnötige Operationen reduziert werden.

Dies ist aber nur ein Hebel von vielen: Auch durch die Digitalisierung ließen sich größere Summen einsparen. Laut Koalitionsvertrag will die Regierung den Kassen zudem mehr Möglichkeiten zur Begrenzung der Arzneimittelpreise geben. Gerade hier ist das Einsparpotenzial enorm: Noch nie wurden so viele Medikamente verschrieben wie im vergangenen Jahr, berichtete vor einigen Wochen die Techniker Krankenkasse. Am häufigsten werden demnach Herzkreislaufmedikamente verschrieben, es folgen Mittel gegen Magen- und. Darmbeschwerden sowie nervliche Leiden, unter anderem Depressiva.

Tabu sind bislang jedoch Leistungskürzungen für GKV-Patienten. Diese werden von Lauterbach kategorisch ausgeschlossen. Wenig öffentliche Zustimmung in der Politik fand auch ein Vorschlag des Freiburger Ökonoms Bernd Raffelhüschen. Dieser hatte eine stärkere Selbstbeteiligung aller gesetzlich Versicherten ins Spiel gebracht – je nach Einkommen sollen diese für Eingriffe zukünftig bis zu 2.000 Euro aus eigener Tasche zahlen.