GKV/PKV: Neuer Streit zwischen Grünen und FDP bahnt sich an
Ausgerechnet an dem Tag, als im Bundestag das auch in der Regierung umstrittene Gebäudeenergiegesetz beschlossen wurde, zeichnete sich der nächste Konflikt zwischen den Streithähnen FDP und Bündnis 90/Die Grünen ab. Sichtbar wurden die Divergenzen auf der PKV-Jahrestagung in Berlin. Gastredner dort waren unter anderem Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen, und Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der FPD. Die Veranstaltung wurde im Live-Stream für die Presse übertrage.
Über die Private Krankenversicherung (PKV) selbst sagte Lang nicht allzu viel, wohl aber über das Gesundheitssystem im Allgemeinen und die Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Besonderen. Letztere attestierte die Bundestagsabgeordnete ein Finanzierungsloch von ungefähr 17 Milliarden Euro, das „geflickt werden muss“. Wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist Lang der Meinung, dass es dafür lieber Beitragserhöhungen als Einschränkungen geben sollte. „Leistungskürzungen sind nicht der richtige Weg“, stellte sie klar.
BBG in den Blick nehmen
Aber natürlich dürfe man dauerhaft nicht nur über „Pflasterlösungen“ reden, sondern auch über strukturelle Lösungen. Den Ausführungen der Bundesvorsitzenden zufolge sollte die Politik „die Beitragsbemessungsgrenze in den Blick nehmen“, womit sie vermutlich eine Anhebung derselbigen meinte. Denn ansonsten müssten die Beitrage zur GKV für alle Einzahler steigen. Wohl auch mit Blick auf den Koalitionspartner FDP fügte sie hinzu: „Das wird keine einfache Debatte in der Regierung.“
Zudem sprach sich die grüne Politikerin für eine Steuerfinanzierung von versicherungsfremden Leistungen aus, um die finanzielle Lage der GKV zu verbessern. Sie ergänzte aber, dass ständige Steuerzuschüsse auch kein Dauerlösung seien, denn das überfordere den Bundeshaushalt. Im Koalitionsvertrag sei aber niedergeschrieben, dass Hartz-4- beziehungsweise heute Bürgergeld-Empfänger aus der GKV ausgenommen werden sollen, da deren Finanzierung eine allgemeine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, also mit Steuermittel finanziert werden sollte und nicht von GKV-Beitragszahlern. Darüber hinaus sprach sich Lang dafür aus, „über kapitalgedeckte Lösungen nachzudenken“.
Mit Blick auf die Gesetzliche Pflegeversicherung wollen die Grünen den Eigenanteil der Versicherten deckeln. Das Instrument dafür sei der sogenannte Sockel-Spitze-Tausch.
Exkurs zur Erklärung: Bisher bezahlt die Pflegekasse den festen Sockelbetrag und die Versicherte oder der Versicherte bezahlt alle Kosten, die darüber hinaus anfallen. Der Eigenanteil ist also nach oben offen. Jede Leistungsverbesserung treibt die Kosten der Versicherten in die Höhe. Mit dem Sockel-Spitze-Tausch dreht sich das Modell um: Die Versicherten bezahlen den festen Sockelbetrag und alle weiteren Kosten trägt die Pflegekasse.
Die Bundesvorsitzende der Grünen verband diesen Vorschlag mit der Hoffnung auf einen konstruktiven Austausch über Lösungen zur Verbesserung der Situation in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Ausbluten der PKV verhindern
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte auf der PKV-Jahrestagung, dass „ein Ausbluten der PKV durch eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze verhindert werden muss“. Eine Bürgerversicherung durch die Hintertür sei mit den Liberalen nicht zu machen. „Daran können Sie mich messen“, betonte Djir-Sarai. Die GKV brauche strukturelle Reformen und ein nachhaltiges Finanzierungskonzept. Das sei der entscheidende Punkt.
Ferner sagte der Bundestagsabgeordnete: In der Ampel-Koalition gebe es „kein gemeinsames Verständnis für die finanzpolitische Realität in diesem Land gibt“. Und weiter: „Ohne eine solide Finanzpolitik aber werden wir in den nächsten Jahren nicht in der Lage sein, Politik zu machen.“ Eine Schuldenpolitik würde die eigene Handlungsfähigkeit wegnehmen. Alles müsse heute in Deutschland nachhaltig sein. Das sei auch gut so. „Aber erstaunlicherweise wird vergessen, dass auch Finanzpolitik nachhaltig sein muss. Das bedeutet keine Schuldenpolitik auf Kosten der künftigen Generationen“. Genau das gelte auch für die Gesundheitspolitik. Hier habe der Staat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Die vom Bundeskanzler Anfang 2022 ausgerufene Zeitenwende müsse auch in der Gesundheitspolitik ankommen.