So erklären 3 Lebensversicherer ihre niedrigen Solvenzquoten
Solvency II hat 2015 neue Anforderungen an die Finanzstärke von Versicherungsunternehmen formuliert. Vor allem geht es darum, dass die Unternehmen, beispielsweise die Lebensversicherer, ihren sämtlichen Zahlungsverpflichtungen auch dann noch nachkommen können, wenn ein Extremereignis ähnlich einem „Bankenrun“ eintreten sollte, bei dem extrem viel Kapital auf einmal abfließt. Laut einer kürzlichen Analyse von Franke und Bornberg können das nach jetzigem Stand auch alle 87 Lebensversicherer leisten.
Die meisten von ihnen nutzen bei der Ausweisung ihrer Solvenzquote Übergangsmaßnahmen (§ 351 VAG) und Solvabilitätsanpassungen (§ 82 VAG). Diese Instrumente erhöhen die aufsichtsrechtlich relevante SCR-Quote – im Durchschnitt der LV-Branche lag diese, laut Franke und Bornberg, Ende 2023 bei 663,6 Prozent. Nur 100 Prozent sind laut Solvency II notwendig. Lässt man diese Instrumente weg, identifiziert die Studie drei Unternehmen (LPV, Öffentliche Oldenburg und Cosmos) mit einer Nettosolvenzquote von unter 100 Prozent. Aber wie dramatisch ist das?
Volatilitätsanpassung weiterhin erlaubt
Zunächst war es auf procontra-Nachfrage allen drei Unternehmen wichtig, die ab dem Jahr 2032 geltende Regelung zu verdeutlichen. Ab dann müssen die Lebensversicherer eine Solvenzquote von mindestens 100 Prozent ohne Hinzunahme von Übergangsmaßnahmen erreichen. Was dann aber weiterhin genutzt werden darf, ist die Volatilitätsanpassung.
„Diese stellt eine Überrendite ohne zusätzliches Risiko dar, die Versicherer aufgrund ihrer langfristigen Verpflichtungen real erwirtschaften, da sie festverzinsliche Kapitalanlagen bis zur Endfälligkeit halten können“, erklärt ein Generali-Sprecher, betreffend die CosmosDirekt, auf procontra-Nachfrage. Die Konzerntochter kommt laut dem map-report von Franke und Bornberg auf eine Netto-Solvenzquote von 91,7 Prozent. Auch langfristig geht man für die Cosmosdirekt durch Anwendung der Volatilitätsanpassung von einer ausreichenden Bedeckung aus. Zudem habe das Unternehmen, im Einklang mit der Risikostrategie der Gesellschaft und zur Sicherstellung einer entsprechenden Stärkung der anrechnungsfähigen Eigenmittel, ab dem ersten Quartal 2024 ergänzende Eigenmittel aufgenommen. Dies würde sicherstellen, dass auch im Falle einer Nichtberücksichtigung der Volatilitätsanpassung die regulatorische Solvabilitätsanforderung dauerhaft erfüllt wird, so der Sprecher.
Bei der Öffentlichen Lebensversicherungsanstalt Oldenburg (Netto-Solvenzquote: 87 Prozent) verweist man auf die grundsätzliche Schwierigkeit beim Vergleich der SCR-Bedeckungsquoten. „Die Bedeckungsquote eines Lebensversicherers mit starkem bAV-Geschäft reagiert anders auf Zinsänderungen als die eines reinen Risikoversicherers“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Bei der Öffentlichen Oldenburg ist man der Ansicht, dass nun ein hastiges, wenn auch theoretisch mögliches Umsteuern in kurzer Zeit vor allem den Versicherungsnehmern schaden würde. Man wolle deshalb den Übergangszeitraum bis 2032 nutzen, um die eigene Risikopositionierung im Interesse ihrer Kunden bestandsschonend zu optimieren. Ende 2023 habe man eine Solvenzquote inklusive Volatilitätsanpassung in Höhe von 121 Prozent erreicht und selbst die Netto-Solvenzquote habe bereits zum 31.03.2024 wieder über 100 Prozent betragen, so die Sprecherin. Gleichwohl habe das Unternehmen bereits Maßnahmen ergriffen (Steuerung der aktiv- und passivseitigen Risiken sowie Kapitalmaßnahmen, die die anrechenbaren Eigenmittel im Solvency II-Kontext erhöhen), um die aufsichtlich geforderte Bedeckungsquote auch zum Ende des Übergangszeitraums zu erfüllen.
Den weitesten Weg dorthin hat laut der Franke-und-Bornberg-Analyse die LPV Lebensversicherung AG (vormals PB Lebensversicherung AG) zu gehen. Ihre Netto-Solvenzquote Ende 2023 betrug 11,7 Prozent. Bei der Talanx-Tochter verweist man auf die Solvenzquote inklusive Volatilitätsanpassung von 61 Prozent. Ein Jahr zuvor hatte diese noch 70 Prozent betragen – „vor allem wegen der Volatilität auf den Finanzmärkten, die Eigenmittel belasten und den Kapitalbedarf erhöhen“, kommentiert eine Sprecherin. Jedoch sei der Ausblick für die zukünftige regulatorische Bedeckungssituation nach dem Übergangszeitraum solide. Um bis dahin auf die vorgeschriebenen 100 Prozent zu kommen, habe man bei der LPV bereits kapitalstärkende und risikomindernde Maßnahmen durchgeführt. Als Beispiele werden Kosteneinsparungen, Bestandsmanagement und Asset-Liability-Management genannt. Weitere Maßnahmen seien eingeplant und würden stetig ausgeweitet.