„Nur 10 bis 20 Prozent der Makler schätzen den Wert ihres Bestandes richtig ein“
Was Sie erfahren werden
Wann mit der Nachfolgeplanung begonnen werden sollte
Welche Faktoren den Verkaufspreis beeinflussen
Wie der Wert kurzfristig aufpoliert werden kann
Was bei der Auswahl eines geeigneten Käufers zu beachten ist
Warum Digitalisierung nicht der wichtigste Wertfaktor ist
procontra: Warum gehen viele Makler gehen die Nachfolge für ihren Bestand zu spät an?
Thomas Öchsner: Insbesondere bei kleineren Maklern beobachten wir, dass viele nicht loslassen können und einen möglichen Bedeutungsverlustes nach der Abgabe fürchten. Es ist also ein psychologisches Problem. Die weitaus größere Anzahl an Maklern hat jedoch ihre eigene Altersvorsorge zu sehr vernachlässigt, obwohl sie über viele Jahre mit ihren Kunden ständig über die Thematik sprechen, und können es sich gar nicht leisten, ihren Bestand zu verkaufen. Deshalb zögern sie es raus und nehmen die Erträge noch so lange wie möglich mit, weil sie wenig bis keine anderen Einnahmequellen aufgebaut haben.
procontra: Bestandscourtagen sind doch eine Einnahmequelle.
Öchsner: Sie sind auch legitim. Es wächst dann aber das Risiko, dass der Makler irgendwann nicht mehr handlungsfähig ist und seine Kunden nicht mehr betreuen kann. Es entstehen dann Grauzonen, die in bestimmten Fällen auch dazu führen können, dass der Bestand gar nicht mehr verkauft werden kann und dann der komplette Vermögenswert verloren geht.
procontra: Wie viele Jahre vor dem gewünschten Ruhestand sollte man mit der Vorbereitung beginnen?
Öchsner: Eigentlich schon mit der Unternehmensgründung, denn jede siebte Nachfolge in Deutschland ist eine Notfallnachfolge. Das heißt, ein Unfall, eine schwere Krankheit oder der Tod des Maklers bestimmen ein abruptes Ende. Wenn dann gar nichts geregelt ist, führt es oft dazu, dass die Hinterbliebenen davon gar nichts mehr haben.
Bei einer geplanten Nachfolge zum Ruhestand hängt der Zeitplan sehr stark davon ab, wie weit die Übergabefähigkeit schon aus der operativen Tätigkeit gegeben ist. Wenn man die wichtigsten Faktoren noch pushen muss, dann sollte man mindestens fünf Jahre einplanen. Ist man hingegen super aufgestellt, haben wir Nachfolgen auch schon innerhalb von sechs Monaten über die Bühne gebracht.
Die Nachfolge sollte schon bei der Unternehmensgründung mit bedacht werden.Thomas Öchsner
procontra: Wie realistisch schätzen Makler den Wert ihres so genannten Lebenswerkes ein?
Öchsner: Nur 10 bis 20 Prozent schätzen den Wert ihres Unternehmens oder Bestandes richtig ein. Daher empfehlen wir unseren kostenlosen Nachfolgecheck, der zunächst mal reflektiert, ob man im Moment überhaupt übergabefähig ist oder nicht. Außerdem werden zwei Grundsatzfragen angeregt: Will ich den maximalen Vermögenswert realisieren oder ist mir mein Reputationsschutz und die reibungslose Übernahme und Weiterbetreuung meiner Kunden, nachdem ich ausgeschieden bin, wichtiger? Das sind unterschiedliche Szenarien, die auch darüber entscheiden, welche potenziellen Kaufinteressenten man anspricht.
procontra: Was sind die stärkten Wertetreiber für jemanden, der den Maximalertrag erzielen will?
Öchsner: Unternehmenswachstum, die Ertragskraft und die Größe des Unternehmens. Wenn man das Maximum rausholen will, dann sollte man schauen, dass man aus einer mindestens dreijährigen Wachstumssituation heraus verkauft. Dann entsteht beim Erwerber auch eine gewisse Fantasie, was Spielräume nach oben ermöglicht.
procontra: Makler, die verkaufen wollen, momentan aber in einer Stagnation stecken, sollten also vor allem operativ nochmal nachpolieren?
Öchsner: Das ist zu empfehlen. Ein Käufer bezahlt nicht für die Vergangenheit, weil die Erträge schon vereinnahmt wurden. Er bezahlt die zukünftige Ertragserwartung und da ist eine Wachstumsphase natürlich wertetreibend.
procontra: Welche Rolle spielt die Struktur der Bestände bei der Wertermittlung?
Öchsner: Das hängt sehr stark vom Käufer ab. Ein Beispiel: Wenn jemand einen Bestand erwirbt, um ihn danach zu veredeln, hochwertigere Produkte anzubieten oder zusätzliche Services zu etablieren, dann ist es dem eher recht, wenn die Vertragsdichte niedrig ist und er hat auch kein Problem mit einem hohen Kfz-Anteil. Solche Käufer brauchen in erster Linie die Kundenzugänge, um ihr Geschäftsmodell umsetzen zu können.
Wenn der Kaufinteressent hingegen skalieren, Cashflow generieren oder durch Zukäufe bessere Einkaufskonditionen bei Anbietern erzielen will, dann kann der mit so einer Struktur relativ wenig anfangen.
Wir haben aktuell einen Verkäufermarkt.Thomas Öchsner
procontra: Wo finden Makler den richtigen Käufer?
Öchsner: Wir haben aktuell einen Verkäufermarkt – es gibt also viele Kaufwillige, aber zu wenige, die verkaufen wollen oder können. Wenn wir aber Bestände platzieren, dann melden sich in der Regel zwischen 20 bis 40 Interessenten. Das sind gute Voraussetzungen, um das Thema vorzubereiten und sensibel über die Bühne zu bringen, ohne dass Mitarbeiter oder Kunden von den Plänen, die schnell publik werden, wenn man das selbst regeln will, verunsichert werden. Mit einem Berater dazwischen, weiß der Kaufinteressent anfangs gar nicht, wer konkret verkaufen will.
procontra: Bestimmte Faktoren können nur noch bedingt aufpoliert werden, wenn man kurzfristig verkaufen will. Gibt es dennoch Bereiche, die man noch beeinflussen kann?
Öchsner: Die Auswahl des richtigen Interessenten ist sicherlich einer der größten Hebel.
Außerdem sollte man schauen, dass die Themen Datenschutz, Makleraufträge, Dokumentation etc., möglichst sauber und lückenlos sind. Auch Klumpenrisiken, also die Abhängigkeit von zwei oder drei Großkunden oder auch Produktgebern, würden eher zu Preisabschlägen führen.
procontra: Wie sollten Makler vorgehen, denen nicht der maximale Verkaufspreis, sondern die eigene Reputation und weiterhin gute Betreuung der Kunden am wichtigsten sind?
Öchsner: Die Vorbereitungsphase ist da ähnlich, nur die Auswahl der Interessenten ist anders. In der Regel gibt es davon weniger und man muss sie anders auswählen. Hier muss definiert werden, welche Erwartungen man an einen potenziellen Käufer hat. Das ergibt ein klares Suchprofil, wonach die Interessenten auszuwählen sind. Ist dieser gefunden, schließt sich meist noch eine gemeinsame Phase von 6 bis 12 Monaten oder länger an, wo die Kunden persönlich übergeben und der neue Ansprechpartner vorgestellt werden. Der Auswahl-, Such- und Übergabeprozess von Interessenten ist in dem Fall also wesentlich aufwendiger.
Interne Lösungen haben immer das Problem, dass es ab einer gewissen Größe des Maklerunternehmens für den „Junior“ schwierig wird, das zu finanzieren, da die Bereitschaft der Banken hier relativ gering ist.Thomas Öchsner
procontra: Ist es dann nicht sinnvoller eine interne Lösung zu finden?
Öchsner: Es wäre sicherlich wünschenswert. Aber interne Lösungen haben immer das Problem, dass es ab einer gewissen Größe des Maklerunternehmens für den „Junior“ schwierig wird, das zu finanzieren, da die Bereitschaft der Banken hier relativ gering ist. Zum anderen drängen auch nicht Unmengen an Nachwuchskräften in die Branche, aus denen man dann einen Nachfolger entwickeln könnte.
procontra: Zurück zu den preistreibenden Faktoren beim Verkauf. Welche Rolle spielen Daten- und Dokumentenqualität – Stichwort Digitalisierung?
Öchsner: Der Digitalisierungsgrad ist gar nicht mehr so kriegsentscheidend, weil Digitalisierung über die Schnittstellen heutzutage relativ unkompliziert läuft. Die großen, professionellen Aufkäufer sind darauf eingestellt und kommen mit einer heterogenen Systemlandschaft gut klar. Die Integration oder der Anschluss verschiedener Maklerverwaltungsprogramme ist also kein Problem und daher auch kein wirklicher Preisfaktor. Bei kleineren Maklern, die als Käufer infragekommen, kann das aber unter Umständen schon ein Problem sein, wenn der Digitalisierungsgrad niedrig ist, weil sie das nicht so leicht integriert bekommen.
procontra: Eine beruhigende Nachricht für verkaufswillige Makler mit niedrigem Digitalisierungsgrad, oder?
Öchsner: Absolut. Wir raten sogar von zusätzlichen Anstrengungen ab, den Digitalisierungsgrad kurzfristig „verkaufsfertig“ zu machen, da man ja noch gar nicht weiß, welche Systeme der potenzielle Käufer betreibt. Erhöht man den eigenen Digitalisierungsgrad dann auf ein anderes System als das des zukünftigen Käufers, hat es nur Geld und Zeit gekostet, für die Wertsteigerung aber gar nichts gebracht. Hier sollten die Anstrengungen lieber ins operative Geschäft gesteckt werden.
Mehr zum Thema Bestandsbewertung und -verkauf erfahren Sie in der Titelgeschichte der kommenden Printausgabe der procontra (05/25), die am 2.10.2025 erscheinen wird.