EU-Kommission stellt Kleinanlegerstrategie vor
Um Kleinanleger vor zu hohen Beratungsgebühren zu schützen, fordert die EU-Kommission mehr und vor allem verständlichere Informationen für Verbraucher bei der Geldanlage. In ihrer am Mittwoch präsentierten Kleinanlegerstudie wurde mit Spannung erwartet, ob es bei einer Absage eines generellen Provisionsverbots bleiben wird. Zuletzt hatten Vermittlerverbände gewarnt, der Entwurf zur EU-Kleinanlegerstrategie enthalte ein verstecktes Provisionsverbot nur für unabhängige Vermittler.
Bei der Präsentation der Strategie am Mittwoch erklärte EU-Kommissarin Mairead McGuinness: „Interessenkonflikte in der Finanzberatung werden angegangen. Wie Sie wissen, haben wir kein völliges Verbot für die Provisionen vorgeschlagen. Es wäre zu disruptiv gewesen, Provisionen von heute auf morgen zu verbieten. Aber wir verbieten die reinen Verkäufe ohne Beratung und es werden strengere Auflagen aufgelegt, wann Provisionen bezahlt werden.“ Darüber hinaus sollen Berater prüfen, welches Produkt für den jeweiligen Kunden angemessen ist. Diese Teste sollen reformiert werden, damit sie besser funktionieren. Wie genau, lässt die Finanzkommissarin offen.
McGuinness bemängelt, dass viele Anleger während einer Beratung nicht gleich zu Beginn die Frage nach den damit einhergehenden Kosten stellen würden. Eine neue Vorschrift soll das Problem lösen: Demnach müssen künftig alle zwölf Monate die Berater proaktiv über die Kosten informieren. Erhöhen sich die Gebühren, sollen Verbraucher die Verträge kündigen können. Auch sollen Anleger „aussagekräftigere und standardisierte Informationen erhalten“.
Gänzlich verboten werden sollen Anreize für reine Verkäufe, also solche, die ohne Beratung auskommen. Damit sollen potenzielle Interessenkonflikte unterbunden werden. Der EU-Parlamentarier René Repasi (SPD) begrüße die Vorschläge der EU-Kommission und das Provisionsverbot bei reinen Geschäften zur Durchführung und Abwicklung. „Diese Regel soll künftig beispielsweise bei einem online abgewickelten Kauf von Anteilen eines Investmentfonds greifen, bei dem keine Beratungsbeziehung zwischen der Wertpapierfirma und der Kundin oder dem Kunden besteht“, so Repasi. Ausreichend für einen umfassenden Schutz von Kleinanlegern sei dies jedoch nicht.
McGuinness setzt Anbietern drei-Jahres-Frist
„Der Status Quo ist nicht akzeptabel“, kritisiert McGuinness. Die von ihren aufgelegten Maßnahmen sollen binnen einer Frist von drei Jahren von Beratern und Unternehmen umgesetzt werden. „Das ist für die Versicherer eine knappe Frist“, schätzt die Finanzkommissarin. Verbraucherschützer begrüßen die Frist: „Dass die neue Regelung nach drei Jahren evaluiert werden soll, ist gut. Sollte sich hierbei zeigen, dass die schädliche Wirkung von Provisionen weiterbesteht, muss die EU dann unmittelbar ein umfassendes Provisionsverbot auf den Weg bringen“, erklärt Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Die EU werde anhand der Beteiligung der Kleinanleger an den Märkten überprüfen, so Valdis Dombrovskis, Vize-Präsident der Europäischen Kommission, ob die Branche den Forderungen nachkommt. Investieren nicht mehr Kleinanleger, „wollen wir wissen, warum und welche Probleme noch überwunden werden müssen“, so Dombrovskis.
Er bestätigte, dass es eine Revisionsklausel gibt, die ein späteres Verbot ermögliche, „wenn die jetzigen Maßnahmen nicht dazu führen, dass sich mehr Kleinanleger an den Kapitalmärkten beteiligen.“ McGuinness offenbarte dabei, wie es ganz offensichtlich hinter den Kulissen dabei zuging: „Wie haben intensiv gestritten, aber sind als Freunde auseinander gegangen“, so die Kommissarin.
Interessenvertreter am langen Hebel?
Tatsächlich zeigten sich gerade Verbraucherschützer nach dem Bekanntwerden des Entwurfs der Kleinanlegerstrategie enttäuscht. „Nur ein Provisionsverbot würde das Problem an der Wurzel packen. Stattdessen plant die EU-Kommission, dass die Gesamtkosten bei Finanzprodukten eine staatlich definierte Grenze nicht überschreiten dürfen. Damit bleibt der Fehlanreiz von Provisionen bestehen“, bemängelt Verbraucherschützerin Mohn. Die Pläne der EU-Kommissionen seien unzureichend.
Zumal das Ergebnis der sogenannten Folgeabschätzung, die die EU bei Rechtsvorschlägen vornehmen lassen muss, eindeutig gewesen ist: Ein Provisionsverbot hätte demnach geholfen, Fehlanreize und zu hohe Kosten zu verhindern. Doch müssen, so Dombrovskis, in die Entscheidung sowohl die Ergebnisse der Folgeabschätzung als auch die Hinweise durch die öffentliche Konsultation einfließen. Offenbar wog das Gewicht der Interessenvertreter schwerer.
Deutliche Kritik seitens Politik und Verbänden
Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) bewertete indessen die Signale aus Brüssel „zurückhaltend“: „Die gute Nachricht lautet: Ein generelles Provisionsverbot ist zunächst vom Tisch“, schreibt GDV-Chef Jörg Asmussen auf Twitter. „Insgesamt werden mit der Kleinanlegerstrategie die Regeln für Produktgestaltung und Vermittlung von Anlageprodukten rigider und komplexer.“ So erschwere die EU breiteren Bevölkerungsschichten den Vermögensaufbau.
Auch Markus Ferber (CSU), wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, moniert: „Das Nebeneinander verschiedener Regelungen führt nur zu Verwirrung und unnötiger Bürokratie. (…) Ein echter Befreiungsschlag beim Bürokratieabbau ist die Kleinanlegerstrategie aber nicht“, so Ferber in einem schriftlichen Statement. Er bedauert, durch die Vorschläge für das neue Regelwerk würden die Berichts- und Dokumentationspflichten nur noch weiter zunehmen. „Das größte Problem für Kleinanleger ist, dass sie förmlich in Papierkram ertrinken, wenn sie ein Finanzprodukt erwerben wollen.“ Die Kommission verschärfe dieses Problem nun noch weiter.
Wie Ferber übt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW), ebenfalls deutliche Kritik an der Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission. Der Verband hatte bereits im Vorfeld davor gewarnt, dass der vorliegende Entwurf ein Provisionsverbot für Makler enthalte. „Nun werden gerade diejenigen, welche die Kunden unabhängig und ausschließlich in deren Interesse beraten sollen – die Versicherungsmaklerinnen und -makler – im Wettbewerb massiv benachteiligt.“ Das wolle der AfW nicht hinnehmen. Auch der GDV erklärt, er werde sich in das sich nun anschließende Legislativverfahren „intensiv“ einbringen. Nach der Kommissionsvorstellung werden die Mitgliedstaaten im Rat und die EU-Kommission ihre jeweiligen Positionen ausarbeiten, bevor die EU-Institutionen im Trilog darüber verhandeln werden.