Die Frage, ob es in der Finanzberatung ein Provisionsverbot braucht, wird zunehmend auch in der Öffentlichkeit ausgetragen. Die auf Honorarberatung spezialisierte Quirin Bank veröffentlichte jüngst eine Umfrage, laut der die Mehrheit der Deutschen ein Provisionsverbot gutheiße.
Aus der Vermittlerbranche selbst ist hingegen lautstarke Kritik an den Plänen von EU-Kommissarin Mairead McGuinness zu vernehmen. Das Hauptargument dabei: Die große Mehrheit der Deutschen sei nicht bereit, für eine Finanzberatung ein Honorar zu bezahlen. Geringverdiener seien dazu überhaupt nicht in der Lage.
Offener Brief mit klarer Meinung
Nun gibt es eine weitere Wortmeldung zum Thema, die das Lager der Provisionsverbotsgegner argumentativ stärkt: In einem offenen Brief sprechen sich die Zielke Research Consult GmbH, das Defino Institut für Finanznorm AG sowie die Going Public! Akademie Finanzberatung AG gegen ein Provisionsverbot aus.
„Durch das Verbot von Provisionen Fehlanreize unterbinden zu wollen, würde dann plausibel sein, wenn das alternative System, nämlich die Vergütung der Beratungs- und Verkaufsleistung durch Honorare, Fehlanreize systematisch ausschließen würde. Das allerdings ist mitnichten der Fall“, wird Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführer der Zielke Research Consult GmbH, zitiert.
So gab es in der Vergangenheit auch bei der Honorarberatung Exzesse, wie der Fall eines Mannheimer Beraters, über den procontra berichtete, zeigt. Im Gegensatz zur Provisionsberatung gibt es bei der Honorarberatung zudem keine Stornohaftung, bemerken die Autoren des offenen Briefes kritisch. Auch wenn der Kunde mit dem ausgewählten Produkt unzufrieden ist, hat er keine Möglichkeit, dass Honorar zurückgezahlt zu bekommen.
„Die mit der Stornohaftung erzielten verbraucherschützenden Errungenschaften gehen bei einem Provisionsverbot vollständig verloren“, bemerkt Zielke. „Zudem haben unsere Vergleichsrechnungen auf Basis üblicher Konditionen gezeigt, dass auch langfristig Honorare für die meisten Kunden teurer sind als Provisionen“, fügt Going-Public-Vorstand Ronald Perschke an.
Green Deal gerät in Gefahr
Insbesondere Menschen mit geringerem Einkommen könnten durch ein Provisionsverbot ohne Beratung bleiben, fürchten die Autoren. Sie könnten sich zukünftig keine Zweitmeinung mehr einholen, da künftig bei jeder Beratung ein Honorar fällig würde.
Dies würde sich mittelbar auf den sogenannten Green Deal der Europäischen Union auswirken, zeigen sich die Autoren überzeugt. Denn wenn immer mehr Menschen auf eine Finanzberatung verzichten, so die Argumentation, könnten auch immer weniger Menschen zu nachhaltigen Produkten informiert werden.
Dies Argument ist nicht von der Hand zu weisen. So ergab eine Studie der Fachholschule Dortmund, dass viele Menschen die Themen Versicherungen und Nachhaltigkeit überhaupt nicht miteinander in Verbindung setzen. Folgerichtig haben Vermittler eine herausgehobene Position, wenn es darum geht, nachhaltigen Finanzprodukten zum Erfolg zu verhelfen. Allerdings wird das Thema derzeit noch von manchem Vermittler ausgespart, wie Umfragen zeigen.
Insgesamt plädieren die Briefautoren dafür, dem Kunden weiterhin die Wahl zu lassen zwischen Provision und Honorar. So habe es in der Vergangenheit zahlreiche Initiativen gegeben, die Beratung – in welcher Form auch immer – zu verbessern und Fehlanreize zu vermeiden. Diese gelte es aber konsequent anzuwenden. „Eine konsequente Anwendung dieser Normen würde folglich alle Beteiligten dem Ziel eines gewissenstreuen und dem Green Deal helfenden Beratungsprozesses ein großes Stück näherbringen“, so Klaus Möller, Vorstand des Defino-Instituts.