Riester durch öffentlich verwalteten Fonds ersetzen
Das aktuelle Jahresgutachten des Sachverständigenrats hat es in sich. Die fünf Wirtschaftsweisen fordern darin Rentenreformen, die durchaus als radikal bezeichnet werden können. Demnach sollen Gutverdiener auf einen Teil ihrer Renten zugunsten von Geringverdienenden verzichten. Darüber hinaus soll das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung angepasst werden: Steigt die Lebenserwartung um ein Jahr müssten die Deutschen acht Monate länger arbeiten – mit Ausnahme jener Arbeitnehmer mit körperlich besonders belastender Arbeit.
Zudem will der Sachverständigenrat das sogenannte Äquivalenzprinzip ändern: Noch wird die Rente danach berechnet, wie viel jemand tatsächlich eingezahlt hat. Gegenüber dem Handelsblatt erklärt Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats, es wäre besser, wenn die Rentenpunkte nicht mehr mit dem Einkommen steigen, sondern wenn Geringverdiener „eine überproportionale Anzahl an Rentenpunkten, Beschäftige mit höherem Einkommen hingegen unterproportional viele Punkte“ erhalten.
Aktienrente unter Beschuss
An der bisherigen Form der Aktienrente übt Schnitzer deutliche Kritik. Sie setze auf eine ergänzende Aktienrente, „die ihren Namen auch verdient hat“. Gleichwohl Finanzminister Christian Lindner bereits erklärt hat, den dafür vorgesehenen Kapitalstock bis 2035 auf 200 Milliarden Euro auszubauen, werde auch das nicht reichen, um steigende Beitragssätze deutlich zu verringern. Dass es sich bei Linders Konzept der Aktienrente nicht wie ursprünglich erwartet um eine ergänzende kapitalgedeckte Altersvorsorge handelt, kritisiert auch Schnitzer. „Das Generationenkapital nach dem aktuellen Vorschlag ist kaum geeignet, einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der GRV zu leisten“, so das vernichtende Urteil im Gutachten der Wirtschaftsweisen.
Die Politik hat den Vorschlag gemacht, bestehende Staatsbeteiligungen wie die an der Deutschen Post, Telekom, Airbus und Commerzbank in das Generationenkapital zu übertragen, wodurch der Kapitalstock auf etwa 57 Milliarden Euro wachsen würde. Das allerdings würde zu einem wenig diversifizierten Portfolio führen – mit negativen Folgen auf die Stabilität der Rendite, wie im Bericht kritisiert wird.
Damit die Aktienrente die gesetzliche Rentenversicherung ergänzt, müsste das geplante Volumen erhöht werden, raten die Experten. „Zudem müsste über eine vollständige oder teilweise Beitragsfinanzierung nachgedacht werden, damit im Alter nicht nur die Zinserträge, sondern auch individuelle Kapitalansprüche zur Verfügung stehen.“ Außerdem sollten die gebildeten Reserven den Beitragszahlern zugerechnet werden und ihrer individuellen Altersvorsorge dienen. Das würde zudem dazu führen, dass die breite Bevölkerung Zugang zum Kapitalmarkt erhalte.
Riester ersetzen durch öffentlich verwalteten, aktienbasierten Fonds
„Etwa ein Drittel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verfügt weder über einen Riester-Vertrag noch über eine betriebliche Altersvorsorge“, mahnt der Bericht an. Demnach verfügen 17 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über keine Altersabsicherung, die über die gesetzliche Rente hinausgeht. Die Bewertung der Riester-Rente fällt indessen recht harsch aus. Sie zeichne sich durch eine hohe Intransparenz und niedrige Renditen aus.
Aus diesem Grund solle sie durch eine neue Form ergänzender privater Altersvorsorge mit Kapitaldeckung ersetzt werden. „Zentrales Element könnte nach internationalem Vorbild ein öffentlich verwalteter, stark aktienbasierter Fonds mit breiter Diversifizierung sein. Alle Mitglieder der Zielgruppe würden automatisch einbezogen werden (Auto-Enrolment), jedoch die Möglichkeit erhalten, nicht teilzunehmen (Opt-out).“ Für bestehende Riester-Verträge solle es Bestandsschutz geben. Sie sollten entweder in ihrer aktuellen Form weitergeführt oder auf freiwilliger Basis in das neue System überführt werden – ohne einen Verlust der Förderung.
Tatsächlich war ein solcher Fonds bereits Thema der Fokusgruppe Altersvorsorge: Während Grüne, SPD und vzbv einen öffentlich verwalteten Fonds präferierten, hat eine Mehrheit von zwölf Mitgliedern diesen Vorschlag abgelehnt. Stattdessen ist ein förderfähiges und zertifiziertes Altersvorsorgedepot im Gespräch. Das Depot könnte beispielsweise in Fonds und ETFs, aber auch in andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investieren. Für eine höhere Rendite solle das Geld „insbesondere Aktien, aber auch Beteiligungen und Immobilien“ angelegt werden.
So oder so: Auch wenn der Vergleich mit Schweden womöglich an der einen oder anderen Stelle hinkt: Die Einführung einer verpflichtenden kapitalmarktgedeckten Altersvorsorge hat dort die Aktienmarktbeteiligung erhöht, denn Haushalte mussten sich mit dem Aktienmarkt auseinandersetzen und daraus lernen. In Schweden liegt die Aktienmarktbeteiligung bei 60 Prozent und ist damit im EU-Vergleich überdurchschnittlich hoch.
Finanzbildung so früh wie möglich
Die Wirtschaftsweisen fordern zudem, die Politik solle mehr Anreize schaffen, damit mehr Privathaushalte in Aktien investieren. Schließlich könnten sie dann auch leichter Vermögen für die Altersvorsorge aufbauen. Eine Ursache für die Zurückhaltung der Anleger bestehe in intransparenten Kapitalmarktprodukten und der fehlenden Finanzbildung. „Für Erwachsene wäre Finanzbildung am Arbeitsplatz am effektivsten, um das Kapitalmarktwissen zu verbessern“, heißt es dazu in dem Bericht.
Da trifft es sich, dass der Bund aktuell einen Zuschuss von 600.000 Euro für die betriebliche Weiterbildung zum Thema private Altersvorsorge durchgewunken hat. Konkret sollen Unternehmen ihren Angestellten Seminare, Coachings und Veranstaltungen sowie Software-Applikationen zu Finanzthemen anbieten.
Um den Zugang zum Kapitalmarkt bereits früh zu verankern, schlägt der Expertenrat die Einführung eines Startkapitals für Kinder vor, das am Kapitalmarkt angelegt wird. Schließlich ist ein Grund dafür, dass deutsche Haushalte im internationalen Vergleich nur selten den Gang aufs Börsenparkett wagen, auch die fehlende Aktienkultur. Aktien und andere Anteilsrechte machen hier einen deutlich geringeren Anteil aus als in den USA. In Deutschland sind gerade einmal knapp 12 Prozent der finanziellen Vermögenswerte investiert, gut 23 Prozent sind es in der EU und fast 40 Prozent in den USA.
Ein anderer Grund für die Aktienunlust sei in dem deutschen Rentensystem zu finden: Je großzügiger staatlichen Renten sind, desto geringer sei das Bestreben in Aktien zu investieren. „Geringere staatliche umlagefinanzierte Rentenzahlungen werden typischerweise durch eine höhere kapitalgedeckte Altersvorsorge kompensiert.“
Während laut dem Bericht Finanzbildung eine Stellschraube für eine höhere Beteiligung der Haushalte am Kapitalmarkt ist, ist der Schutz der Kleinanleger eine andere. Allerdings wird diesem aktuell nicht unbedingt Rechnung getragen.