FinVermV: Auf diese Neuerungen sollten Vermittler sich schon jetzt einstellen
In gut zwei Monaten ist es so weit: Die überarbeitete Finanzanlagenvermittlungsverordnung, kurz FinVermV, tritt in Kraft und passt die gesetzlichen Regeln für Vermittler mit Gewerbeordnungslizenz nach Paragraf 34f und 34h an europäische Standards an.
Um inmitten der andauernden Corona-Krise nicht erst kurz vor knapp in die Umsetzung der erweiterten Pflicht zu starten, ist es ratsam, sich schon jetzt mit den erweiterten Pflichten auseinanderzusetzen. In einem Webinar der Live-Akademie profino hat Rechtsanwalt Boris-Jonas Glameyer in Kooperation mit der Kanzlei Michaelis einen Überblick zu den wichtigsten Neuerungen gegeben.
Interessenskonflikte vermeiden und Beratungsqualität sicherstellen
Die Tätigkeit des Vermittlers muss im „bestmöglichen Interesse“ des Anlegers ausgeübt werden. Der bisherige Wortlaut „mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse das Anlegers“ wurde durch diese wenig greifbare Formulierung ersetzt. Wie lässt sich das in die Praxis übersetzen?
Um die Qualität der Beratung hochzuhalten, geht es nun vor allem darum, Interessenskonflikte auszuschließen und den Kunden intensiv über Kosten und Zuwendungen zu informieren. Der Gesetzgeber hat damit – sauberer als bisher – ausgestaltet, wie das zu leisten ist. Der Empfehlung bestimmter Finanzanlagen dürfen keine Anreize zugrunde liegen, sprich: Jegliche Provisionen müssen offengelegt werden und Berater sind in der Pflicht, noch genauer und individueller als bisher darzulegen, warum sich die empfohlene Anlage für den Kunden im Speziellen eignet. Das ist für den einzelnen selbstständig arbeitenden Berater oft leichter umsetzbar als in Betrieben mit mehreren Mitarbeitern. Alte Mechanismen, die auf Anreizsysteme bauen, müssen hier also frühzeitig durch transparente Strukturen ersetzt werden.
Geeignetheitserklärung statt Protokoll
Es gilt: Je höher die Provisionen ausfallen, desto besser müssen sie begründet werden können. „Der Widerstreit zwischen Provisionshöhe und bestmöglicher Beratung wird nur durch eine saubere Geeignetheitserklärung lösbar sein, bei der möglichst konkret darauf eingegangen wird, warum gerade dieses Produkt empfohlen wird und für den Anleger das geeignetste Produkt darstellt. Hier dürfte zukünftig ein gewisser Rechtfertigungsdruck entstehen“, sagt Rechtsanwalt Boris-Jonas Glameyer.
Das bisherige Beratungsprotokoll wird durch die Geeignetheitserklärung abgelöst. Dafür muss sich der Berater einen umfassenden Überblick über die finanziellen Verhältnisse des Anlegers verschaffen – auch um zu erkennen, welche Verluste er möglicherweise tragen kann. Die Befragungspflicht des Finanzanlagenvermittlers wird also insofern erweitert, dass er neben den bereits bestehenden Merkmalen auch verpflichtet ist, die „Fähigkeit, Verluste zu tragen,“ des Kunden zu erfragen.
Diese Prüfung darf er allerdings nur vornehmen, wenn es sich tatsächlich um eine Finanzanlageberatung und keine -vermittlung handelt. Hier gibt es in der Praxis nicht immer die nötige Trennschärfe, wie Glameyer beobachtet. Dabei unterscheiden sich die Pflichten deutlich voneinander: Vermittlung erbringt, wer einem Anleger ein konkretes Geschäft über die Anschaffung oder über die Veräußerung einer Anlage vorschlägt, also ein Produkt verkaufen will. In der Beratung wird hingegen eine persönliche Empfehlung zur Anschaffung oder Veräußerung eines Produkts gegeben, die auf dessen individuelle Verhältnisse zugeschnitten sein muss. In diesem Fall gehen die Pflichten also deutlich weiter.
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Neue Informations- und Dokumentationspflichten
Schon seit 2013 verpflichtet die FinVermV dazu, umfänglich über die Kosten der Beratung aufzuklären. Die entsprechende Verordnung ist künftig noch schärfer und konkreter gefasst. Der Kunde muss Informationen über alle Kosten und Nebenkosten der Anlagevermittlung bzw. -beratung und der Finanzanlage selbst bekommen. Hier geht es also zum einen um die eigenen Vermittlungsprovisionen, über die der Berater selbst informieren muss – und zwar in Existenz, Art (z.B. Abschluss- oder Bestandsprovisionen), und deren Umfang – oder Art und Weise der Berechnung, woraus sich der Umfang ergibt – das alles in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise.
Die Kosteninformationen zum Anlageprodukt müssen ebenfalls vom Berater geliefert werden, können aber vom Produktanbieter gestellt werden.
Insgesamt muss der Anleger sowohl die Gesamtkosten als auch die Wirkung der Kosten der Vermittlung, der Vermittlungskette auf die Rendite dargestellt bekommen. Auf Verlangen des Anlegers hat der Berater dazu eine Aufstellung anzufertigen, die nach einzelnen Posten aufgegliedert sind. Glameyer empfiehlt, das standardmäßig und nicht erst auf Nachfrage vorzubereiten, um nicht später möglicherweise in Bedrängnis zu kommen. „Dann haben Sie das gleich erledigt und einen rechtssicheren Nachweis, dass Sie sauber über die Kosten aufgeklärt haben.“
Neu ist ebenfalls: Wenn der Vermittler eine laufende Vertragsbeziehung zum Anleger aufrechterhält, muss er ihn mindestens einmal jährlich einen Nachweis der Kosten dafür zur Verfügung stellen. Hier gilt es also abzuwägen, ob es sich lohnt, diese zusätzlichen Pflichten auf sich zu nehmen.
Taping & Co.
Die viel kritisierte Aufzeichnung von telefonischen Vermittlungs- und Beratungsgesprächen ("Taping") wird ab August für Finanzanlagevermittler verpflichtend. Jegliche elektronische Kommunikation – ob über Chat, SMS oder E-Mail muss für zehn Jahre „veränderungssicher“ zum Zwecke der Beweissicherung archiviert werden. Auch hier lauern Fallstricke, wie der Anwalt zu bedenken gibt. Der Berater hat dafür zu sorgen, dass die von ihm gewählte Hard- und Software das über eine Dekade gewährleisten kann.
Außerdem muss er den Kunden vor der Aufzeichnung darüber informieren und dessen Einverständnis einholen. Verweigert der dieses, darf die Beratung auch tatsächlich nur mündlich oder per Post stattfinden. Ein noch ungelöstes Problem sieht Anwalt Glameyer im datenschutzrechtlichen Konflikt dieser Anforderung. Denn die Aufzeichnung muss vollständig sein und darf nicht geschnitten werden. Allerdings ist es in der Beratung nicht unwahrscheinlich, dass der Kunde Informationen einbringt, die beispielsweise Dritte betreffen und daher gegen die DSGVO verstoßen. Wie die Rechtsprechung mit solchen Fällen umgehen wird, bleibt in der Praxis abzuwarten.
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