Wohngebäudeversicherung

Opt-Out-Modelle bei Elementarschutz im Aufwind

Die ersten Versicherer machen die Absicherung vor Hochwasser obligatorisch. Zudem besteht Handlungsbedarf, da sich der Elementarschutz weiter verteuern dürfte.

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14:06 Uhr | 04. Juni | 2024
Hochwasser

Sobald das Wasser abfließt, werden die Schäden, wie hier im baden-württembergischen Rudersberg, deutlich. Während im "Ländle" die meisten Hausbesitzer versichert sind, sieht es in Bayern anders aus.

| Quelle: Thomas Niedermueller / Freier Fotograf

Im Juli ist es drei Jahre her, dass das Ahrtal und andere Regionen im Westen der Republik von Wassermassen überflutet wurden. Und schon gibt es die nächste "Jahrhundertflut" zu vermelden. Auch wenn die Schäden in Baden-Württemberg und Bayern derzeit noch nicht zu beziffern sind, rechnet der Versichererverband GDV mit einem Großschadenereignis.

„Die Bilder aus Bayern und Baden-Württemberg lassen Schlimmes erahnen. Unsere Unternehmen erreichen schon jetzt viele Schadenmeldungen“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Viele Hausbesitzer in Bayern besitzen allerdings nicht die erforderliche Elementarversicherung - die Abdeckung liegt laut GDV im Freistaat mit 47 Prozent noch unter dem Bundesdurchschnitt (54 Prozent). Nur in Baden-Württemberg ist aus historischen Gründen die Abdeckung sehr hoch; bis 1994 gab es hier eine Monopolversicherung, die auch die Elementarschäden einschloss.

Bundesrat für Pflicht 

Die niedrige Durchdringung in allen anderen Bundesländern hat inzwischen auch die Politik auf den Plan gerufen. Im März sprach sich der Bundesrat für die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden an Gebäuden aus. Auch in den vergangenen Tagen wurden Stimmen nach einer Pflichtversicherung laut. Noch wehrt sich die Ampel-Regierung gegen ein Gesetz, wie Justizminister Marco Buschmann erneut bekräftigte. Sie befürchtet eine hohe Belastung für Hauseigentümer und Mieter. Auch die Versicherungswirtschaft lehnt eine Pflicht ab. 

Wohl auch, um staatlichen Zwang abzuwenden, werden jetzt die ersten Versicherer und deren Verband aktiv. So kündigte der GDV an, dass (alle) Mitglieder ab 2025 die Gefahr von Sturzfluten in ihre Risikomodelle integrieren. Aktuell werde das Risiko großflächig modelliert. Die gesammelten Daten sollen in das Zonierungssystem für Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen (Zürs) einfließen. Dies nutzten die Anbieter auch für die Prämienkalkulation von Elementarschadenpolicen. In der Folge ist mit Preissteigerungen zu rechnen, erklärt Matthias Land im Interview. 

Opting-Out als Lösung?!  

Laut der Ratingagentur Assekurata hat der GDV auch vorgeschlagen, dass Kunden bei Neuabschlüssen die Elementarschadenabdeckung aktiv abwählen sollten; das sogenannte Opt-Out-Modell. Immer mehr Versicherer würden dieser Empfehlung folgen. Des Weiteren, so ein Sprecher, haben einige Anbieter einen solchen Schutz mittlerweile fest in ihren Wohngebäudeversicherungen verankert; nicht mehr als Baustein, sondern als integraler Bestandteil gemäß dem Motto: Entweder der volle Schutz oder gar keiner.  

Ferner bemühten sich Versicherer, den Anteil der Elementarschadenabdeckungen in der Wohngebäudeversicherung über Kampagnen zu erhöhen. „Alles, um eine Pflichtversicherung zu verhindern“, so der Assekurata-Sprecher. Die Maßnahmen zeigten bereits Wirkung. Im Neugeschäft liege die entsprechende Quote bei vielen Versicherern mittlerweile in einer Spanne von 65 bis 75 Prozent. 

Nachahmer am Start 

Zu den Versicherern, die das Opt-out-Modell in ihren Wohngebäudeversicherungen eingeführt haben, gehören eigenen Angaben zufolge Die Bayerische und die ALH Gruppe. Bei letzterer hieß es auf Anfrage: „Wir heben die Wichtigkeit einer Elementarschadenabsicherung unter anderem dadurch hervor, dass der Schutz in unserem Angebotsprogramm aktiv abgewählt werden muss.“ In der Branche dürfte das Opt-Out-Verfahren immer mehr Nachahmer finden. Beispielhaft heißt es dazu bei der WGV: „Wir befassen uns sehr intensiv damit.“ Immerhin aber sei der Anbindungsanteil in Elementar bei der WGV im Branchenvergleich bereits überdurchschnittlich hoch.  

Dies wollen auch andere schaffen. So berichtet das Analysehaus Morgen und Morgen auf Anfrage von einem „interessanten Passus“ bei HUK-Coburg: „Wird kein Elementarschutz Classic gegen Mehrbeitrag vereinbart und sollte bei keinem anderen Anbieter Versicherungsschutz für Schäden durch die weiteren Naturgefahren bestehen, so wird automatisch ein Elementarschutz Basis mit einem Selbstbehalt von 100.000 Euro bei diesem Versicherer vereinbart.“ Wie auf der HUK-Coburg-Homepage zu lesen ist, beträgt die Selbstbeteiligung im Classic-Tarif 500 Euro, und nur bei Schäden durch Erdbeben 100.000 Euro. Die Basis-Variante sei ein Mindestschutz. Der Versicherer „arbeitet grundsätzlich nicht mit Maklern zusammen“, so ein Sprecher. 

Makler betonen Bedeutung 

Der Markt für Elementarschadenabsicherungen jedenfalls gerät in Bewegung. In diesem Umfeld gilt es für Makler, die passende Wohngebäudeversicherung herauszufiltern – mit Schutz gegen die Elemente wie Starkregen, Überschwemmungen, Lawinen und Erdrutsche, wie auch Stiftung Warentest betont. Am Preis kann es in der Regel nicht liegen, dass Kunden die Absicherung nicht mit abschließen. Den Verbraucherschützern zufolge „bieten viele Tarife Elementarschutz schon für deutlich unter 100 Euro im Jahr“. Die Versicherer teilten das Bundesgebiet in Zonen auf: Zürs 1 bis 3. Etwa 1,5 Prozent aller Adressen lägen in den Hochrisikogebieten Zürs 3 und 4.  

Ob sich an dieser Quote durch die Modellierung von Sturzflutgefahren etwas ändert, bleibt abzuwarten. Der Schutz vor Naturgewalten dürfte in vielen Fällen teurer werden; auf ihn verzichten, sollte kein Immobilienbesitzer. Makler mit entsprechendem Mandat sollten Kunden aktiv ansprechen. Sofern ein Kunde auf die Absicherung partout verzichtet, sollte dies „ausdrücklich in der Beratungsdokumentation festgehalten werden“, wie Rechtsanwalt Stephan Michaelis von der Kanzlei Michaelis abschließend betont.