3 Gründe, die gegen das französische Modell sprechen
Noch ist nicht klar, wie hoch die Schäden nach den sinnflutartigen Regenfällen ausfallen werden. Erst wenn das Wasser abgeflossen ist, wird eine fundierte Schätzung möglich sein. „Die Bilder lassen aber Schlimmes erahnen“, blickt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin beim Versichererverband GDV düster in die nahe Zukunft. In einer ersten Schätzung geht die R+V davon aus, dass allein sie ihre Kunden mit rund 100 Millionen Euro entschädigen muss.
Viele Menschen müssen schauen, von wem sie ihren Schaden ersetzt bekommen. Gerade einmal 47 Prozent der Hausbesitzer haben in Bayern eine Elementarschadenversicherung – das ist noch einmal deutlich unter dem Bundesschnitt (54 Prozent). Die Forderung nach einer Pflichtversicherung war in den vergangenen Tagen wieder lautstärker zu vernehmen, besonders aus den Bundesländern. Gerne wird in diesem Zusammenhang auf Frankreich geblickt, wo 98 Prozent aller Haushalte gegen Naturgefahren versichert sind. „Rund 26 Euro jährlich kostet das jeden Versicherungsnehmer im Schnitt“, schreibt hierzu das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
So funktioniert das CatNat-System
Ist der Blick über den Rhein wirklich die Lösung? Dazu muss erst einmal geklärt werden, wie das französische Modell funktioniert:
In Frankreich sind Naturgefahren über das sogenannte System Catastrophe Naturelles, kurz CatNat-System, abgesichert. Dieses besteht zusätzlich zum privatwirtschaftlichen System, mit dem Risiken wie Feuer, Blitzschlag oder Hagel abgesichert werden.
Zusätzlich zu ihrer Prämie zur Wohngebäudeversicherung zahlen die Versicherungsnehmer eine staatlich festgelegte Prämie. Dabei spielt es keine Rolle, wo sie wohnen – die Prämie bleibt gleich. Übersteigen die Kosten die Einnahmen dieses Solidaritätsfonds, springt der Staat ein. Ein System auch für Deutschland?
Der Versichererverband GDV ist da nicht so sicher und präsentierte gleich mehrere Gegenargumente bei einem Pressegespräch an diesem Donnerstag:
1.) Das französische System ist seit 2015 defizitär, bemerkte Oliver Hauner, Leiter Sach- und Technische Versicherung, Cyberversicherung, Schadenverhütung und Statistik beim GDV. Auch hier mache sich der Klimawandel und die dadurch höhere Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen zunehmend bemerkbar. Die Folge: Statt zwölf Prozent ihrer Sachversicherungsprämie zahlen die Versicherungsnehmer künftig 20 Prozent
2.) Im bestehenden System spielt Prävention – zumindest bislang – keine Rolle. Versicherungsnehmer zahlen keine risikobasierte Prämie und auch der zu zahlende Selbstbehalt – 380 Euro je Schadenfall – ist für jeden Versicherungsnehmer gleich. Präventionsmaßnahmen werden nicht belohnt und somit auch nicht gefordert. Dies soll sich zukünftig jedoch ändern. Das französische Finanzministerium formulierte im April dieses Jahres zahlreiche Reformvorschläge des bestehenden Systems, die auch mehr Prävention enthalten.
3.) Für den Versicherungsnehmer gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine Versicherungsleistung. Eine Leistung gibt es nur, wenn das Ereignis durch eine interministrielle Kommission in Paris zur Naturkatastrophe erklärt wird. Geschieht dies nicht – beispielsweise wenn nur wenige Häuser überschwemmt werden sollten – bliebe der Versicherungsnehmer ohne Entschädigung.
System nicht einfach übertragbar
Zudem ließe sich das französische System nicht ohne Weiteres nach Deutschland übertragen, argumentierte Käfer-Rohrbach. „Wir haben in Deutschland eine ganz andere Versicherungs- und Risikosituation. So gelte in Deutschland in der Wohngebäudeversicherung beispielsweise die gleitende Neuwertentschädigung – eine Leistung, die ins Geld geht.
Dass sich die zuletzt vielfach genannten Versicherungsprämien von 26 bzw. zukünftig (nach der Anpassung) 41 Euro auch in Deutschland so manifestieren, hält nicht nur Käfer-Rohrbach für abwegig. So hatte im Januar die Aktuarin Carina Götzen, Beraterin bei der Aktuariatsfirma Meyerthole, Siems & Kohlruss, geschätzt, dass allein die Absicherung des Überschwemmungsrisikos rund 190 Euro im Jahr kosten würde.
Einen Vergleich nur anhand von Zahlen findet Käfer-Rohrbach jedoch nicht zielführend. „Wenn man die Systeme vergleicht, muss man sie auch in ihrer Komplexität vergleichen.“ Und da müssten dann eben auch die oben erwähnten Punkte berücksichtigt werden.
Statt einer Pflichtversicherung sprechen sich die Versicherer stattdessen nach wie vor für ein Opt-out-Verfahren aus. Allen Kunden würde in diesem Zusammenhang ein Angebot zur Inkludierung des Elementarschutzes in ihrer Wohngebäudeversicherung gemacht. Wenn sie diesem in einem bestimmten Zeitrahmen nicht aktiv widersprechen, wird der Elementarschutz in ihren Versicherungsvertrag integriert.
Altbestand ist das Problem
„Nicht das Neugeschäft, der Altbestand ist das Problem“, bemerkte Oliver Hauner. Um die skizierte Maßnahme jedoch rechtssicher umzusetzen, wünscht sich der GDV seitens der Politik eine gesetzliche Deckung des Vorhabens. So bräuchte es ein Gesetz, um eine aktive Widerspruchslösung durchsetzen zu können.
Mit dieser Maßnahme hofft man bei den Versicherern, die Elementarschutz auf 75 bis 80 Prozent steigern zu können. „Dann wären wir einen entscheidenden Schritt weiter.“
Ein Blick nur auf die Versicherer greift aus deren Sicht allerdings zu kurz. Zusätzlich müsse jedoch auch verstärkt in Prävention und Klimafolgenanpassung investiert werden. Schon lange fordern die Versicherer einen Baustopp in Überschwemmungsgebieten und ein Ende der Flächenversiegelung. Erfolgen diese Maßnahmen nicht, könnte es in absehbarer Zeit zu einer Verdoppelung der Prämien kommen.