Wettbewerb bremst noch stärkere Prämiensteigerungen aus
Auch wenn die deutschen Schaden- und Unfallversicherer 2022 nach der enorm hohen Elementarschadenbelastung im Vorjahr wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt sind, bleiben die Aussichten mau. Zu diesem Schluss kommt die Kölner Ratingagentur Assekurata, die am Montag ihren aktuellen „Marktausblick Schaden-/Unfallversicherung“ vorgestellt hat.
Denn nach wie vor bleibt die hohe Inflation „ein substanzieller Einflussfaktor für die Geschäftsentwicklung der deutschen Schaden-/ Unfallversicherer“, bemerkte Dennis Wittkamp, seinerseits Fachkoordinator für die Schaden-/ Unfallversicherung bei der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH.
Inflation wirkt wachstumsdämpfend
Denn die Inflation wirkt nicht nur kostensteigernd, was die Versicherer anhand höherer Schadenaufwendungen merken. Sie wirkt auch wachstumsdämpfend – wenn das Geld knapp wird, überlegen viele Deutsche dreimal, ob Versicherungsschutz für sie unerlässlich ist. Die Kaufzurückhaltung zeigte sich bereits beim Vertragswachstum im vergangenen Jahr. Statt wie im langjährigen Durchschnitt um 1,3 Prozent wuchs die Zahl der Verträge nur noch um 0,6 Prozent.
Zwar sank die Schaden-Kosten-Quote wieder unter die 100-Prozent-Schwelle auf 95 Prozent (Vorjahr: 102,3 Prozent), allerdings ist man von einem deutlicheren Rückgang ausgegangen. Die Gewinne der Versicherer bleiben somit weiter klein. „Die fetten Jahre sind vorbei“, bemerkte Wittkamp.
Denn weiterhin erweisen sich die zwei prämienstärksten Versicherungszweige – die Kfz- sowie die Wohngebäudeversicherung – als „vitale Verlustbringer“. „Die Beitragsanpassungen in der Kraftfahrtversicherung waren aus Wettbewerbsgründen bisher jedoch viel zu niedrig“, bemerkt Wittkamp.
So müssten die Kfz-Versicherer ihre Beiträge bei einer Steigerung der Schadenaufwendungen um 7,5 bzw. zehn Prozent eigentlich um neun bzw. elf Prozent anheben, um eine Combined-Ratio von 100 Prozent zu erreichen. Wollen die Versicherer sogar einen Gewinn von fünf Prozent erzielen, wären Prämienerhöhungen zwischen 14 und 17 Prozent notwendig, rechnet Assekurata vor. Man rechne allerdings nur mit Aufschlägen zwischen sieben und neun Prozent für die Zukunft.
Marktführer können Verluste aushalten
Von flächendeckenden Prämienerhöhungen sei aufgrund der hohen Wettbewerbssituation am Markt jedoch nicht auszugehen. Vor allem die Marktführer der Branche dürften bestrebt sein, ihre Marktanteile zu halten, wenn nicht weiter auszubauen. Hierbei dürften die in der Regel kapitalstarken Unternehmen auch versicherungstechnische Verluste hinnehmen, schätzt Wittkamp.
Auch in der Wohngebäudeversicherung, schon längere Zeit das Sorgenkind der Branche, sieht es für die Versicherer nicht viel besser aus. „Die unverändert hohe Inflation im Baugewerbe treibt über den Baupreisindex unmittelbar die zu zahlende Prämie“, erklärte Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. Allein im ersten Quartal 2023 ist der Preisindex für Bauleistungen bei Wohngebäuden um knapp 15 Prozent (14,7) gestiegen. Auch der Tariflohnindex im Baugewerbe steigt weiter an, so dass es für viele Eigenheimbesitzer künftig deutlich teurer werden dürfte. Wittkamp geht davon aus, dass die Durchschnittsprämie in diesem Jahr über die 500-Euro-Schwelle wachsen wird.
Allerdings bremst auch hier der Wettbewerb zwischen den einzelnen Gesellschaften noch stärkere Prämienanpassungen. Laut Will haben einige Gesellschaften die Prämie nur in der Höhe der Indexsteigerungen angepasst, obwohl deutlichere Anpassungen durchaus angebracht gewesen wären. Der Wettbewerb erhöht sich derweil noch, da die Branche aufgrund der stark zurückgehenden Baulust mit einem reduzierten Neugeschäftspotenzial konfrontiert ist.
„Eine Pflichtversicherung muss kommen“
Gleichzeitig schwelt die Diskussion um die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarrisiken weiter im Hintergrund. Bei Assekurata hat man sich zu diesem Thema klar positioniert: „Eine Pflichtversicherung muss kommen“, bemerkte Wittkamp. Die Versicherung auf freiwilliger Basis stoße an ihre Grenzen.
Die seitens vieler Versicherer bevorzugten Opt-out-Modelle hält Wittkamp nicht für zielführend. Zwar steige der Abschluss einer Elementarversicherung bei diesen Versicherern deutlich an (auf 65 bis 75 Prozent). Doch weiterhin bleibe ein großer Teil der Risiken – besonders diejenigen mit hoher Risikoexponierung – unversichert. „Freiwillige Risiken gehen stets zu Kosten der Schwachen“, bemerkte Wittkamp.
Stattdessen plädierte er für eine Pflichtlösung. Nur auf diese Weise könne ein größtmögliches Kollektiv geschaffen werden, das einen Risikoausgleich ermögliche. Spitzenrisiken könnten über eine Poollösung, finanzielle Härten seitens des Staates abgedeckt werden.
Die zuletzt wieder eingeschlafene Diskussion um die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarrisiken dürfte durch die derzeitige Situation in Italien neu an Fahrt gewinnen, schätzt Will. Unwetter haben in Teilen von Italien für schwere Verwüstungen gesorgt. 14 Menschen sind dabei bislang ums Leben gekommen.