Nexible: Wo es bei Ergos Digitaltochter noch hakt
Digital, schnörkellos und relativ kurzgehalten. Passend zum Unternehmensbild kommt die Antwort eines Nexible-Unternehmenssprechers auf unsere Anfrage: „Als jüngster und rein digitaler Kfz-Versicherer im deutschen Markt sind wir in 2019 im Bereich neuer Policen stark gewachsen. Dass ein überdurchschnittlicher Anstieg beim Neukundengeschäft häufig mit einem erhöhten Beschwerdeaufkommen einhergeht, ist in der Versicherungsbranche durchaus üblich.“ Grundsätzlich würde man bei der Direktversicherungstochter der Ergo aber jede einzelne Kundenbeschwerde sehr ernst nehmen und permanent daran arbeiten, Prozesse und Nachvollziehbarkeit der eigenen Kundenkommunikation über digitale Kanäle weiter zu verbessern.
Mit Blick auf die aktuell schlechteste BaFin-Beschwerdequote unter allen Kfz-Versicherern ist das auch notwendig. 53 Beschwerden über die Nexible Versicherung AG konnte die Aufsichtsbehörde im Jahr 2019 abschließend bearbeiten. Diese wurden den, nach eigenem Bekunden, 50.000 Verträgen des Digitalversicherers zum Jahresende 2018 gegenübergestellt. Während bei den mit Beschwerden konfrontierten Kfz-Versicherern durchschnittlich ein Fall auf 85.549 Policen entfiel, waren es bei der Ergo-Tochter 943.
Voll-digitaler Ansatz sorgt auch für Probleme
Nexible ist im Jahr 2017 gestartet und richtet sich an digital-affine Kunden. Vom Vertragsabschluss bis zur Schadenmeldung sollen sich diese fast komplett selbst um alles kümmern und dafür von günstigen Prämien profitieren. Mittlerweile soll die Anzahl der Versicherten auf rund 100.000 angewachsen sein.
Doch offenbar fördert der Kern des Geschäftsmodells auch die hohe Beschwerdequote. „Unser voll-digitaler Anspruch kann darüber hinaus dazu führen, dass sich Kundenanliegen in der Kommunikation über rein digitale Kanäle ohne Hotline häufiger in Beschwerden niederschlagen, da ein schneller Anruf nicht möglich ist“, erläutert der Sprecher.
Sind persönliche Vermittler unersetzlich?
Ein Effekt, den bereits viele andere Kfz-Direktversicherer gegenüber procontra bestätigt haben. In der Kfz-Versicherung sind die Beschwerdequoten von Direktversicherern in der Regel höher als bei klassischen Filialversicherern. Wie die Direktversicherer betonen, wären es dort vor allem die persönlichen Vermittler beziehungsweise der Außendienst, die viele Beschwerden durch den persönlichen Kontakt mit aufgebrachten Kunden abwenden würden.
Aus einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Sirius Campus geht zudem hervor, dass reine Digitalversicherer tendenziell häufiger für Frust bei den Kunden sorgen. Dazu Dr. Oliver Gaedeke, Geschäftsführer von Sirius Campus: „Offensichtlich werden die Erwartungen junger Kunden an einen Online-Abschluss dramatisch enttäuscht, so dass sie sich lieber dem klassischen Vertreter zuwenden. Oder anders herum: Anscheinend kann ein Versicherungsvertreter viel kundenorientierter, individueller und besser beraten als Online-Angebote.“