Pensionskassen: Kommt die Insolvenzschutz-Pflicht?

Nicht nur die Niedrigzinsen beeinträchtigen den Ertrag bei Betriebsrenten. Nun drohen zusätzliche Kosten für Arbeitgeber durch einen Gesetzentwurf, der Pensionskassen unter Insolvenzschutz stellen will. Dazu kommt Druck aus Luxemburg.

09:12 Uhr | 03. Dezember | 2019
Der Titel klingt harmlos, doch der Inhalt des Entwurfs ist brisant: Pensionskassen sollen künftig PSV-Beitrag zahlen, was die bAV weiter verteuert.

Der Titel klingt harmlos, doch der Inhalt des Entwurfs ist brisant: Pensionskassen sollen künftig PSV-Beitrag zahlen, was die bAV weiter verteuert (im Bild der EuGH mit Sitz in Luxemburg). Bild: fuchs-photography

Der Gesetzgeber will Pensionskassen unter den Insolvenzschutz des Pensions-Sicherungsvereins (PSV) stellen. Das geht aus dem „Referentenentwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (7. SGB-IV-ÄndG) des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) vom 12. November hervor, der procontra vorliegt.

Demnach sollen Pensionskassen, die nicht gemeinsame tarifliche Einrichtungen oder Mitglied des gesetzlichen Sicherungsfonds (Protektor) sind, in Anlehnung an die Vorschrift für Pensionsfonds in die Insolvenzsicherung via PSV einbezogen werden. Bislang ist dies nicht der Fall, da Pensionskassen durch die Finanzaufsicht und die gesetzlichen Anlagevorschriften ausreichend gesichert schienen.

Diese Annahme ist durch das langanhaltende Niedrigzinsumfeld überholt. „Pensionskassen können auf nicht absehbare Zeit nur noch geringe Renditen erwirtschaften, während sie gleichzeitig Betriebsrentenansprüche mit zugesagten hohen Rechnungszinsen bedienen müssen“, heißt es in der Begründung.

Warum es zum Entwurf des SGB-IV-Änderungsgesetzes kam

Die BaFin hat schon ein Drittel der deutschen Pensionskassen unter verschärfter Beobachtung (procontra berichtete). Ohne zusätzliches Kapital von außen werden einige Pensionskassen nicht mehr ihre vollen Leistungen erbringen können. In den vergangenen zehn Jahren haben die Pensionskassen in 27 Fällen ihre Versicherten darum bitten müssen, für künftige Beiträge einen geringeren Rentenfaktor anzusetzen. Es fehlt weitgehend an Transparenz, wie es um die Lage der Kassen bestellt ist. Inzwischen musste die BaFin drei Kassen das Neugeschäft untersagen (procontra berichtete).

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass - über bisherige Einzelfälle hinaus - weitere Pensionskassen ihre Leistungen in Zukunft kürzen müssen, heißt es im Referentenentwurf weiter. Zwar sind die Arbeitgeber arbeitsrechtlich verpflichtet, für solche Leistungskürzungen einzustehen. Wird der Arbeitgeber aber insolvent, treffen die Kürzungen Beschäftigte und Betriebsrentner, die jedoch auf die zugesagten Leistungen vertrauen. Daher soll diese Lücke der Insolvenzsicherung nun geschlossen werden. Der PSV-Beitrag war erst kürzlich stark erhöht worden (procontra berichtete).

Die Grundzüge der vom BMAS vorgeschlagenen Neuregelung sehen wie folgt aus:

Betroffen sein soll also auch der Bestand an Pensionskassen-Verträgen, jedoch nur künftige Insolvenzfälle der Arbeitgeber. Verbände können bis zum 5. Dezember zum Entwurf Stellung nehmen.

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EuGH macht Druck auf deutsche Pensionskassen

Mit der Aktion will das BMAS offenbar einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zuvorkommen. Der Generalanwalt hat im Schlussantrag eines Verfahrens gegen den deutschen PSV für den Fall von Pensionskassen mit Unterdeckung zumindest Handlungsbedarf gesehen (Rechtssache C-168/18).

Bislang ist der PSV europarechtlich nicht verpflichtet, bei einer Pensionskassen-Versorgung die Einstandsverpflichtung gegen die Folgen der Insolvenz des Arbeitgebers zu sichern. Die Botschaft aus Luxemburg ist jedoch unmissverständlich: Es liegt in den Händen des Gesetzgebers, ob er zur Abwendung von Staatshaftung tätig wird und Pensionskassen in die PSV-Pflicht einbezieht oder nicht.

Gibt es dafür grünes Licht – so sieht es der Referentenentwurf vor -, verteuert sich die bAV über Pensionskassen weiter, da Arbeitgeber dann auch für diesen Durchführungsweg PSV-Beiträge bezahlen müssten. Befreit wären nur Protektor-Mitglieder und gemeinsame tarifliche Einrichtungen. „Bislang ist der PSV für Pensionskassen nach deutscher Rechtslage nicht zuständig“, betont PSV-Vorstand Hans H. Melchiors.

Bislang andere Lösungen bei Schieflage

Hintergrund: Bei bAV-Tarifvereinbarungen hatte oft die Pensionskasse gegenüber der Direktversicherung die Nase vorn. Ein Grund: Es müssen keine Beiträge zur Insolvenzsicherung gezahlt werden. Das gilt für die Direktversicherung zwar auch, doch die Lebensversicherer und ihre Pensionskassen sind alle im Sicherungsfonds von Protektor Mitglied, die anderen Pensionskassen nicht.

Von derzeit 133 Kassen unter BaFin-Aufsicht (Stand: 31. Dezember 2018) sind nur 21 Pensionskassen freiwillig Mitglied im Sicherungsfonds Protektor, darunter einige, die das Neugeschäft eingestellt haben (zum Beispiel HDI-PK) oder bereits im Run-off sind (zum Beispiel die beiden Protektor-Mitglieder Pro bAV PK und Prudentia PK).

Die Masse der alteingesessenen Firmen- oder überbetrieblichen Pensionskassen ist bis heute nicht in die Insolvenzsicherung einbezogen. Bislang galt der Grundsatz, dass sie gar nicht insolvent werden können. Begründung: Bei Schieflage erlaubt es die Satzung, Leistungen herabzusetzen, Beiträge zu erhöhen oder Nachschüsse von den Arbeitgebern zu verlangen – alles unter Regie der BaFin. Durch die genannten Maßnahmen können die Leistungsversprechen jederzeit erfüllt werden.

Die Pläne des BMAS stoßen beim PSV und seinen Mitgliedern (Arbeitgeber) auf Widerstand. Viele PSV-Mitgliedsfirmen hätten Pensionskassen gegründet, um der Beitragspflicht im PSV zu entgehen. Vertrauensschutz werde zunehmend ein Fremdwort. Zudem müssten künftig alle PSV-Mitglieder über ihre Beiträge die Probleme von Pensionskassen mit lösen, die in Schieflage geraten, falls der Arbeitgeber insolvent wird.

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