Sozialpartnermodell: 30 Prozent mehr Rente möglich, aber...

Auf einer hochkarätig besetzten bAV-Fachtagung in Berlin wollte ein wichtiger Player Vorbehalte von Arbeitgebern und Gewerkschaften beim Sozialpartnermodell abbauen. Kommt dieses nicht in Fahrt, könnte ein Schreckensszenario drohen.

06:09 Uhr | 23. September | 2019
Als Zielrente sind 30 bis 50 Prozent mehr Rente als mit klassischer bAV und deren Garantien möglich, haben Fabian von Löbbecke (links) und Lars Golatka vorgerechnet.

Als Zielrente sind 30 bis 50 Prozent mehr Rente als mit klassischer bAV und deren Garantien möglich, haben Fabian von Löbbecke (links) und Lars Golatka vorgerechnet. Bild: HDI/Zurich

Das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) ist schon seit fast 21 Monaten in Kraft und hat bereits viele Probleme aufgeworfen (procontra berichtete). Im Kern sollte es reine Beitragszusagen ohne Haftung für Arbeitgeber und Kapitalanlagen ohne Garantien für Arbeitnehmer auf Basis von Tarifverträgen bringen (Sozialpartnermodell; kurz: SPM). Bisher gibt es deutschlandweit jedoch noch immer keinen einzigen SPM-Tarifvertrag.

Um das zu ändern, lud Die Deutsche Betriebsrente, ein Konsortium aus Deutschem Pensionsfonds (Zurich) als Konsortialführer und PB Pensionsfonds (Talanx), vergangene Woche rund 60 Vertreter von Tarifparteien zum "Powertag Sozialpartnermodell". In mehreren Impuls-Vorträgen ging es darum, durch neue Fakten, die auch für bAV-Makler interessant sind, Arbeitgebern und Gewerkschaften Berührungsängste mit der Zielrente zu nehmen.

Fabian von Löbbecke, Vorstandschef HDI Pensionsmanagement, und Lars Golatka, Vorstandschef Deutscher Pensionsfonds, rechneten dem Publikum die Mehrwerte vor, die sich durch das SPM ergeben. „Kollektives Sparen mit Sicherheitsmechanismen ermöglicht eine 20 bis 30 Prozent höhere Aktienquote als mit Fondspolicen erlaubt und bei gleichem Risiko letztlich einen Prozentpunkt mehr Rendite“, so der Diplom-Mathematiker.

Fehlende Garantie ermöglicht deutlich höhere Rente

Das Konsortium kalkuliere vorsichtig und setzt 3,8 Prozent Zielrendite an. „Dies kann zu 30 bis 50 Prozent höherer Gesamtrente als bei klassischer bAV mit Garantien führen“, betonte Löbbecke. Selbst die Startrente sei zu 99 Prozent Wahrscheinlichkeit höher als die klassische bAV-Garantierente, meint der Experte. Begründung: Das Garantieverbot ermögliche offensivere Kapitalanlagepolitik und lasse über 3 Prozentpunkte Rendite mehr als mit vorhandenem Deckungsstock erwarten. Die vorgeschriebene lebenslange Rente (keine Kapitalabfindung erlaubt) bewirkt verbesserte Liquiditätssteuerung durch Optimierung der Duration.

„Hinzu kommen rund vier Prozentpunkte Mehrwert durch Kostenvorteile wegen automatisierter/digitaler Verwaltung, verringertem Solvenzkapital und reduzierte Abschlusskosten“, ergänzte Lars Golatka. Die Verringerung der Abschlusskosten erreiche man durch digitale Beratung und Kostendruck in Ausschreibungen der SPM-Anbieter, also mehr Wettbewerb, hieß es.

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Die Steuerung der Kapitalanlage ermöglicht, dass mit 93 Prozent Wahrscheinlichkeit die SPM-Rente jeden Monat größer als die Gesamtrente der bisherigen klassischen bAV ist“, fasste Löbbecke zusammen. Durch vom Gesetzgeber erlaubte Sicherungsbeiträge in Höhe von 5 Prozent könne diese Wahrscheinlichkeit noch auf 95 Prozent erhöht werden. „Die fehlende Garantie erweist sich als Segen für deutlich mehr Rente“, so die mathematische Botschaft.

BRSG ist nicht alternativlos

Der bAV-Verbreitungsgrad ist 2017 im Vergleich zu 2013 auf 55,6 Prozent zurückgegangen, erinnerte Rechtsanwalt Marco Arteaga, Partner der Kanzlei DLA Piper, anhand von Statistiken aus dem BMAS. „Erfahrungen im Ausland mit der Zielrente lassen 2,5 bis 3,5 Prozent höheren Ertrag pro Jahr erwarten“, erklärte der geistige Vater des SPM (procontra berichtete).

Der Handlungsdruck auf baldige SPM-Tarifabschlüsse ist gewachsen, weil die Regierungskommission „Verlässlicher Generationenvertrag" bis März 2020 ihren Bericht vorlegen soll, blickte Arteaga voraus. „Beim Scheitern des SPM könnte die Kommission ein gesetzliches Obligatorium fürs Zwangssparen in der dritten Säule vorschlagen, bei dem die Arbeitgeber für den Beitragseinzug zuständig wären“, entwarf der Experte ein Schreckensszenario.

„Das BRSG ist ausdrücklich nicht alternativlos“, so der frühere bAV-Vorstand von Zurich. Ein einheitlicher staatlicher Megafonds für die Kapitalanlage in der dritten Schicht könnte bAV dann in eine unbedeutende Nebenrolle drängen (zum Beispiel Deutschlandrente oder Bürgerfonds). Bereits Ende Oktober 2019 werde ein Gutachten zur verfassungsmäßigen Zulässigkeit eines solchen Zwangssparmodells erwartet.

Arteaga hofft auf baldige SPM-Verabredungen, da in den nächsten Tagen und Wochen zahlreiche Gewerkschaftskongresse stattfinden und sich die Zeichen verdichten, dass einige Arbeitgeber „dicht vor Haus-Tarifverträgen stehen“.

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